Bestattungskultur in Deutschland: Im Himmel und in Erde
Die Bestattungsregeln sind in Deutschland sehr strikt. In den Nachbarstaaten sieht das schon anders aus: Die Asche der Toten kann unter Fußballfeldern beerdigt oder aus Heißluftballons verstreut werden.
Während der Totensonntag, der letzte Sonntag vor dem ersten Advent, dem Andenken an die Verstorbenen gewidmet ist, verdrängen viele im Rest des Jahres den Gedanken an den Tod, vor allem an den eigenen. Zu schmerzhaft, zu endgültig. Auch das Thema Beerdigung wird lieber ausgespart, die Details häufig den Angehörigen überlassen.
Viel Auswahl gibt es in Deutschland ohnehin nicht. Die Regeln zur Bestattung sind streng. Zulässig sind nur Erd- oder Feuerbestattungen. War lange Zeit das klassische Begräbnis auf dem Friedhof stark nachgefragt, sieht Oliver Wirthmann, Geschäftsführer des Kuratoriums Deutsche Bestattungskultur, mittlerweile einen Trend zur Einäscherung. „Mehr als 60 Prozent der Bestattungen sind Feuerbestattungen“, sagt er, das gehe aus den Zahlen der Krematorien hervor.
Mehr Einäscherungen im Norden und Osten Deutschlands
„Die Feuerbestattung ermöglicht mehrere Arten der Beisetzung“, erklärt Wirthmann. So könne die Asche eines Verstorbenen ganz klassisch in einer Urne auf einem Friedhof oder in einem Waldareal unter einem Baum beigesetzt werden. Alternativ könne sie auch in einer Seebestattung auf der Nord- oder Ostsee verstreut werden. Doch das sieht Wirthmann kritisch: „Es gibt beim Verstreuen keinen speziellen Ort, an dem Angehörige trauern können. Es ist ein Aufgehen im Nichts.“
Bei der Art der Bestattung lassen sich regionale Unterschiede ausmachen, erklärt er. Während im südwestlichen Teil des Landes deutlich mehr Menschen in der Erde begraben werden, entscheiden sich im Norden und Osten sehr viel mehr für eine Einäscherung.
In Deutschland ist das Bestattungsrecht zwar Ländersache, doch bundesweit ähnlich ausgestaltet. Nur Bremen erlaubt sich eine Sonderregelung. Seit 2015 können Angehörige dort die Asche eines Verstorbenen im eigenen Garten verstreuen oder beisetzen. „Das ist aber nur unter konkreten Voraussetzungen möglich“, sagt Stephan Neuser, Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Bestatter: „Noch zu Lebzeiten muss der Verstorbene eine Verfügung über die Beisetzung auf Privatgrund erlassen haben und darin den genauen Ort sowie eine bestattende Person bestimmen.“ Außerdem muss er bis zum Todeszeitpunkt in Bremen gelebt haben.
Diese Form kritisiert Wirthmann genauso, wie die Asche eines Toten daheim auf dem Kaminsims aufzubewahren. Das ist in Deutschland zwar nicht erlaubt, wird aber oft gefordert. „Die Privatisierung der Trauer ist psychologisch problematisch“, sagt er. Vielmehr helfe der Friedhof als Ort öffentlicher Trauer bei der Bewältigung des Verlusts.
Asche aus dem Heißluftballon
Ganz anders sieht das im Ausland aus. In der Schweiz können Hinterbliebene die Asche in einen synthetischen Diamanten formen lassen. „Das ist eine Mogelpackung“, warnt Wirthmann, denn nur ein kleiner Teil der Asche werde in dem Schmuckstück verarbeitet. „Der Rest muss umgehend zurück nach Deutschland gebracht und beigesetzt werden.“ Das bringe aber ein Problem mit sich: „Dann ist die Asche geteilt und man weiß gar nicht, wo genau der Tote jetzt eigentlich ist.“ Das könne die Trauerarbeit erheblich beeinträchtigen, auch wenn Angehörige sich das kurz nach der Bestattung zunächst nicht vorstellen könnten.
Bisher haben sich nur wenige dafür entschieden. Wirthmann schätzt: „Da bewegen wir uns nur bei etwa 0,5 bis ein Prozent der Bestattungen.“
Aber auch die französischen Nachbarn bieten so einiges, um das Ableben spektakulär zu gestalten: In einer Luftbestattung wird feierlich die Toten-Asche aus einem Heißluftballon, Hubschrauber oder Flugzeug in die Luft gestreut. Hierzulande ist das unzulässig.
Lockerer ist das Gesetz auch in den USA. Wird mal wieder ein Satellit ins All geschossen, kann ein Teil der Asche eines Verstorbenen an Bord mitfliegen. Kostenpunkt: mindestens 10 000 Dollar.
In die andere Richtung geht, was sich die spanische Bestattungsindustrie ausgedacht hat: Wasserfreunde unter den Verstorbenen können vor der Küste Ibizas in Unterwasserhöhlen beigesetzt werden. Dafür muss nur ein Schiff gechartert werden, Taucher setzen dann mit oder ohne die Angehörigen die wasserlösliche Urne in den Untiefen ab.
In Großbritannien wiederum geht es bodenständiger zu. Vereinzelt erlauben Fußballvereine, dass Urnen von Fans unter dem Fußballplatz des heißgeliebten Heimatvereins vergraben werden.
Grabsteine mit QR-Code
In Deutschland undenkbar. Die 925 000 Menschen, die im vergangenen Jahr in Deutschland starben, wurden ganz klassisch beerdigt. Nur bei der Grabgestaltung ist ein neuer Trend zu beobachten: Auf vielen Grabsteinecken findet sich inzwischen ein QR-Code. Wer mit dem Handy oder Tablet den schwarz-weiß gestreiften Code liest, dem werden Bilder oder Musik gezeigt, eben das, was dem Verstorbenen wichtig war. „Das ist eine sehr interessante Entwicklung“, findet Wirthmann, schließlich könne man nicht alles auf einen Grabstein schreiben, was einen Menschen ausgemacht habe.
Dass das deutsche Beerdigungsrecht so strikt ist, erklärt er mit der „christlichen, abendländischen Tradition“. Stephan Neuser vom Verband der Bestatter stimmt zu: „Die Bestattungen erfolgen nach den hiesigen kulturellen und christlichen Vorstellungen, der Tod ist keine Privatsache, der öffentliche Friedhof als Ort der Trauer soll daher erhalten bleiben.“ Dass sich daran künftig etwas ändert, sehen beide nicht.
Aller abendländischen Tradition zum Trotz werden in Deutschland aber auch nicht christliche Beerdigungen vollzogen. Muslime etwa können ohne Sarg in einem Leinentuch, ausgerichtet nach Mekka, begraben werden. Sterben hinduistische Gläubige, werden sie in Krematorien verbrannt. Auf Wunsch kann die Asche dann beispielsweise nach Indien überführt und dort traditionsgemäß in den Ganges gestreut werden. Sterben ist eben Privatsache.
Clara Lipkowski
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