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Flocke lebt inzwischen im südfranzösischen Antibes. Hier bekommt das Tier einen Fischeiskuchen.
© REUTERS

Tiergarten Nürnberg: Im Eisbärfieber

Beim Rennen um die Gunst des Publikums, das den Eisbär vergöttert, liegt der Tiergarten Nürnberg jetzt gerade vor dem Zoo Berlin – trotz Superstar Knut: Der Zoo freut sich über zwei Babys.

Derzeit richten sich alle Augen auf neue Eisbärbabys, gleich zwei wurden geboren – und sie werden derzeit auch vom Muttertier Vera aufgezogen. Auf einer Webcam kann man sogar die Geburt live angucken, und man hört jetzt schon die hilflosen Babys „nuckern“, das ist dieses ratternde Geräusch, wenn die Tiere an den Zitzen saugen. Nürnberg? Vera? Flocke? Droht da nicht was, war da nicht was?

Zu Beginn des Jahres 2008 kam einer der Nürnberger Tiergartenchefs in die Schlagzeilen, als er gegenüber Nachrichtenagenturen verlauten ließ, eine „doofe Knutomanie“ wie in Berlin mit dem Medienhype um Knut und Pfleger Thomas Dörflein werde es bei ihnen nicht geben. Man lehne publikumsheischende Handaufzuchten durch den Menschen ab. Aber dann kam alles anders.

Eisbärin Vera hatte eines ihrer schwachen Jungtiere aufgefressen – das ist aber nichts Ungewöhnliches, das tun Raubtiere im natürlichen Lebensraum bei Nahrungsmangel immer wieder. Ungewöhnlich war aber das gewaltige Medieninteresse infolge des Berliner Knut-Hypes, das die Organisatoren überforderte. Als nämlich die kleine „Flocke“ der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, drängelten sich Trauben von Medienvertretern, durchbrachen Absperrungen, kletterten auf Mauern. Eisbärin Vera, die derzeit ihre Jungtiere noch abgeschieden in der Geburtshöhle säugt, schleppte in dem Trubel ihr Junges unruhig herum und ließ es ständig fallen. So trennte die Tiergartenleitung Mutter und Nachwuchs doch, Pfleger zogen Flocke mit der Hand auf.

Und dann gab es Flocke-Puzzle, Flocke-Kuscheltiere, Flocke-Lippenpflegestifte, Flocke-Plakate überall. Und eine Flocke-Klimaschutzkampagne, damit waren die Nürnberger den Berlinern wirklich voraus. Millionengewinne wie der Zoo Berlin hat Nürnberg mit seinem Eisbär-Merchandising aber nicht gemacht. Tagesaktuell kamen seinerzeit „Nachrichten aus dem Rathaus der Stadt Nürnberg“. Tiergarten-Chef Dag Encke sagte, er könne es nicht glauben, „dass ein Eisbärenschiss mehr Wind macht in den Medien als politische Meldungen aus aller Welt“. Flocke wurde viel früher von den Pflegern getrennt als Knut, das Tier entwickelte Verhaltensauffälligkeiten, musste zur Ablenkung immer wieder von einem Gehege ins andere verlegt werden. Inzwischen sind Flocke und ihr Gefährte Rasputin umgezogen, in eine Salzwasseranlage im südfranzösischen Antibes.

Und in Nürnberg schwappt jetzt wieder die Eisbären-Welle los. Tierschützer erstatten ritualgemäß Anzeige wegen nicht artgerechter Tierhaltung. Fans verfolgen jedes Bärenquietschen vor der Webcam am Computer. So etwas bietet der Zoo Berlin übrigens nicht. Und so schnell auch keinen Eisbärnachwuchs. Im Moment verträgt sich der noch nicht geschlechtsreife Knut am besten mit seinem Muttertier Tosca. Wenn er mal decken kann, wird man sie wohl woandershin verlegen. Aber von einer gleichaltrigen Jungeisbärin für Knut ist weit und breit keine Spur.

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