zum Hauptinhalt
Zoran beim Gespräch.
© Cyrill Callenius

Zoran Drvenkar über seinen letzten Jugendroman: "Ich glaube ans Leben"

Wie geht das, Romane schreiben? Cyrill, 15 Jahre, hat Zoran Drvenkar zu seinem Jugendroman "Der letzte Engel" befragt. Ein Gespräch über Ideen, den Reiz des Neuen und den Glauben an sich selbst.

Wie schreibst du einen Roman?

Ich habe meistens eine Szene. Bei „Der letzte Engel“ war es Motte, die Hauptfigur. Er kriegt eine Mail, er erfährt, dass er am nächsten Morgen sterben wird. Die Szene, bis er seine Flügel hat, habe ich aufgeschrieben. Ich hatte keinen blassen Schimmer, wer Motte ist, ich hatte keine Ahnung, warum er die Flügel bekommt, ich hatte nichts – aber mir gefiel die Szene. Das ist so, als ob du die Vorschau für einen Film siehst. Du siehst eine gute Szene und denkst: Könnte ein spannender Film sein.

Machst du dann eine Struktur?

Ich plane nicht sehr viel. Zum Beispiel die Anfangsszene, wo Mona und Esko dasitzen und er in die Erinnerung rein geht, die gehörte zu einem anderen Buch. Das war so eine Anfangsszene, die mir gefallen hat. Mir gefielen die toten Mädchen und dass er in die Vergangenheit geht, auch, wenn ich nicht wusste, was das soll. Dann schrieb ich die Engelsszene. Ich nahm sie und packte die andere Szene davor. Es gab keine Verbindung, also habe ich es verbunden. Das ist für mich Schreiben: Du hast viele Elemente und kannst was Neues draus machen. Diesen Clou zu haben, dass ich die Geschichte vorantreibe – das ist für mich der große Reiz am Schreiben.

Bist du irgendwie religiös, von wegen Engel?

In „Der letzte Engel“ sagt jemand, der sich mit der Geschichte der wahren Engel auskennt, wie albern Religion ist. Und mein Verlag wollte das rausnehmen. Weil ich ganz klar sage, dass Religion mir völlig egal ist. Die meinten, viele werden sich darüber aufregen. Also keine Religiosität bei mir! Ich glaube ans Leben.

Mit welcher von den Hauptpersonen kannst du dich am ehesten identifizieren?

Meistens mit denen, die am schwierigsten sind. Motte war ganz einfach, in dem war ich sofort drin, Lars auch. Aber Lazar! Lazar hat Spaß gemacht. Lazar ist echt ein fieser Trick, den ich da eingebaut habe. Den mochte ich sehr – auch, weil ich in der Du-Person geschrieben habe.

 

Wo findest du die Ideen für deine Romane?

Ich tue den ganzen Tag nichts anderes als Lesen, Filme schauen und Musik hören. Für mich war schon immer der Reiz, alles, was ich mitkriege, zu verarbeiten und was Neues daraus zu machen. Natürlich gibt es Bücher über Engel, es gibt Bücher über Jungs und so weiter. Aber etwas zu machen, was keiner anderer gemacht hat, und zwar so, dass jeder merkt, der hat auch von anderen gelernt – das gefällt mir gut.

 

Du hast mal gesagt, dass du Schreiben gelernt hast, hat auch was damit zu tun, dass du dir die Tricks abgeschaut hast.

Du schaust die dir nicht ab, sondern du machst sie automatisch, du lernst sie. Es geht dir ins Blut, du liest so viel, du hast die ganzen Geschichten drin. So war´s bei mir. Ich denke beim Schreiben nicht viel nach. Ich kann sagen, dass ich zehn bis 15 Prozent von anderen Autoren gelernt habe. Das kommt nicht bewusst, sondern einfach mit dem Schreiben.

 

Wie bist du zum Schreiben gekommen?

Ich habe mit fünf angefangen zu lesen. Ich habe Bücher gefressen. Meine Eltern waren sehr anstrengend, und ich bin in Büchern verschwunden, das war meine Rettung.

Sie waren  Schläger-Typen, so ganz leicht, und bei Büchern habe ich mich sofort wohl gefühlt.

Es war mir auch vollkommen egal, was ich las – ich glaube, ich habe mit zehn Jahren schon Odysseus gelesen. Jeden Scheiß, einfach nur, weil es ein Buch war, das war das Richtige.

Und das Schreiben?

Mit 13 war ich gnadenlos verliebt in ein Mädchen, ich hab ihr so 200 Gedichte geschrieben – gereimte –, da habe ich angefangen. Das Mädchen war mir nach ein paar Seiten vollkommen egal, weil ich mich so im Schreiben wohl gefühlt habe. Ich habe so richtig gemerkt: Das ist mein Zuhause. Und ich war absolut begeistert von mir. Ich fand mich so genial, das kannst du dir nicht vorstellen. Ich war einfach genial!

Was ist aus den Gedichten geworden?

Wenn ich die Gedichte jetzt so ansehe, die sind der letzte Schrott. Weil, du wächst ja mit deinen Geschichten. Am Anfang liest du viel Mist, und du schreibst das, was du liest. Das ist eine Kopie. Das war nicht schlimm, wichtig war nur: Ich war begeistert von mir. Das hat mir gefallen.

Du lebst in einer Mühle.  Willst du allein sein?

Das auch. Und meine Mühle ist echt großartig. Das war der Grund, warum ich zurück aus Irland gekommen bin. Du musst dir vorstellen: meine Mühle hat 150 Quadratmeter. Im Erdgeschoss sind 50 Quadratmeter eine Fläche mit Küche, Sofa und allem. Ein Stockwerk drüber Schlafzimmer und Gästezimmer und dann kommt ein Arbeitsraum, der ist sieben Meter hoch wie so eine Kathedrale. Ich hab da ein Kino, ich hab da alles. Das hat mir gefehlt, da musste ich zurück.

 

Du hast mal gesagt, dass du ewig an deinem ersten Buch geschrieben hast.

Nein, ich habe pausenlos geschrieben, aber nie lange an einem Buch. Es war ja so: Ich bin in der siebten Klasse sitzen geblieben, ich bin in der zehnten sitzen geblieben und durchs Abitur gefallen.

 

Bereust du das?

Null! Ich wäre am liebsten nach der sechsten Klasse ausgestiegen, um ehrlich zu sein. Ich fand, Schule war die größte Zeitverschwendung meines Lebens. Der Wecker war immer auf 6:33 gestellt, da begann die Hölle. Ich habe die Nächte durchgemacht, habe die ganze Zeit gelesen. Die Schule war einfach das Allerschlimmste überhaupt. Ich weiß nicht, wie ich das überlebt habe. Ich bin nicht urchs Abitur gefallen, weil ich es vermasselt habe, sondern ich hatte eine Vier im Abitur. Da sagten die Lehrer: „Eine Vier ist nicht so gut. Wir lassen den durchfallen. Der muss das Abitur noch mal machen.“ Da habe ich mich umgedreht und bin weggegangen.

 

Wie ging es dann weiter?

Ich war 21, und zu der Zeit habe ich meinen guten Freund Gregor kennen gelernt. Ich habe mein erstes Stipendium bekommen. Gregor hatte folgenden Plan: Er lebte von meinem Geld. Wenn mein Geld alle war, wollte er Taxi fahren und Geld für mich reinholen. Während ich weiter schreibe, denn er wusste: Eines Tages werde ich gnadenlos berühmt. Gregor fuhr dann viel Taxi.

Hat es doch nicht geklappt, wie Gregor sich das vorgestellt hat?

Wir haben das zehn Jahre lang gemacht. In der Zeit habe ich jedes Jahr ein Stipendium bekommen. Trotzdem musste er weiter Taxi fahren. Es wurde kein Buch veröffentlicht. Ich habe nur geschrieben, jedes Jahr zwei bis drei Bücher. Ich habe mal versucht, etwas bei einem Verlag einzureichen, aber das war nicht so doll. Nach zehn Jahren hatte ich über 20 Bücher geschrieben, und eins davon hat der Kinderbuchautor Paul Maar in die Finger bekommen. Der hat es weiter gereicht an seinen Verlag. Paul Maar dachte, die nehmen das, denn er hat „Das Sams“ geschrieben, er hat einen großen Namen. Er hat es noch mal eingereicht, und beim zweiten Mal hat der Verlag es genommen. Nach zwei Jahren war es so weit, dass mein Geld reichte. Gregor konnte mit dem Taxi fahren aufhören und ist auch Schriftsteller geworden. Leider sind wir keine Freunde mehr. Wir haben das 15 Jahre durchgehalten, und dann hat er sich in die falsche Frau verliebt, und jetzt ist er weg. So ist das Leben.

Woher wusstest du, dass du berühmt werden würdest?

Manchmal bekomme ich ja Briefe von Leuten, die schreiben wollen. Ich schreibe dann immer was ganz Schreckliches zurück, ich sag ihnen immer: „Leute, wenn ihr nur Bücher schreiben wollt und nicht brillant sein wollt, dann könnt ihr es sein lassen“. Es gibt so viel Mittelmäßigkeit, 90 Prozent aller Schreiber sind Mittelmaß. Sie schreiben Bücher, weil sie gut erzählen und die Leute unterhalten können. Ich will aber was Neues machen, neue Türen aufstoßen. Darum bin ich wahrscheinlich ein bisschen durchgeknallter, aber hab mehr Spaß am Schreiben. Gregor sah das und ich sehe das noch immer. Du musst ja nicht rumrennen und sagen: „Ah ich schreibe besser als jeder andere“, sondern du musst daran glauben, dass es großartig ist für dich selbst. Das zählt.

Cyrill Callenius

Zur Startseite