Ex-Manager Thomas Middelhoff: "Ich bin reich, allerdings an Erfahrung"
Topmanager Thomas Middelhoff landet 2014 im Gefängnis, verliert seinen Ruf, sein Vermögen und seine Gesundheit. Nun präsentiert er sich als geläutert.
Eine der ersten Fragen an Thomas Middelhoff ist gleich schonungslos. Ob Narzissten wie er ein Scheitern überhaupt kennen würden, solange man ihnen den Saft für die Scheinwerfer nicht abdrehe. Middelhoff, der einst als Starmanager gefeiert wurde und 2014 wegen Untreue und Steuerhinterziehung im Gefängnis landete, antwortet mit ruhiger Stimme: „Ich bin hier, weil ich vielleicht noch 15 Jahre Leben vor mir habe und in dieser Zeit noch jungen Menschen mitgeben kann, nicht die gleichen Fehler zu machen wie ich.“ Die 1200 Gäste im größten Hörsaal der Frankfurter Goethe-Universität goutieren die Antwort mit Applaus.
Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann AG und des Karstadt-Quelle-Konzerns Arcandor ist einer Einladung zu einer sogenannten Fuckup-Night gefolgt. Unternehmer oder Start-up-Gründer berichten dort regelmäßig über ihre schmerzhaften Erfahrungen mit dem Scheitern. FDP-Chef Christian Lindner war auch schon mal da. Nie aber waren die Aufregung und der Andrang größer als nach der Ankündigung, dass der gefallene Topmanager Middelhoff kommt, berichtet Organisator Daniel Putsche.
"Gierig und ungenießbar geworden"
Der 65-jährige Middelhoff hat im vergangenen Jahr ein Buch über seine Zeit in Haft geschrieben. Es ist eine Abrechnung mit der Justiz und dem geschlossenen Vollzug, aber auch mit sich selbst, dem arroganten, gierigen Manager, der er nun nicht mehr sei. Seit Wochen und Monaten nutzt der Gefallene nun scheinbar jede erdenkliche Gelegenheit, sich landauf, landab als neuen, geläuterten Thomas Middelhoff zu präsentieren. Vor seinem Auftritt äußert er sich kurz zur Fusion von Karstadt und Kaufhof, die aus seiner Sicht allenfalls Zeit bringe: „Beide werden in zehn Jahren das gleiche Problem haben wie heute, weil das Warenhaus alter Prägung keine Zukunft hat.“
Middelhoff berichtet anschließend vor einem Publikum von Studenten und Unternehmern, wie es zu seinem eigenen Absturz kommen konnte. Auf den Rängen wird Bier getrunken und Gyros gegessen. „Nach dem größten Deal meines Lebens saß ich in einer Bar in New York mit einem Glas in der Hand und dachte mir: Jetzt kann mir keiner mehr etwas sagen“, erzählt Middelhoff.
Da hatte der gebürtige Düsseldorfer gerade für Bertelsmann Anteile am Internetkonzern AOL verkauft. Aus einem Investment von fünf Millionen Euro waren binnen sechs Jahren acht Milliarden geworden. Er habe dafür einen Bonus in dreistelliger Millionenhöhe kassiert. „Da bin ich gierig geworden und ungenießbar“, sagt Middelhoff. Plötzlich habe er sich gedacht, das Geld müsse doch auch steuerfrei zu haben sein. „Ich wünschte, ich hätte dieses Geld nie besessen; das hätte mir vieles erspart.“ Warnhinweise und Kritik, die es aus seinem engeren Umfeld durchaus gegeben hätte, habe er nicht ernstgenommen – sich immer selbst beschwichtigt.
"Reich an Erfahrung"
Am 14. November 2014 wurde Middelhoff wegen Untreue in 27 Fällen und Steuerhinterziehung in drei Fällen zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Es ging unter anderem um Hubschrauberflüge zwischen der Arcandor-Firmenzentrale in Essen und Middelhoffs Zuhause in Bielefeld – zum gemeinsamen Mittagessen mit der Familie. Außerdem um eine teure Festschrift für einen ehemaligen Förderer, die er dem Unternehmen in Rechnung stellte. Noch im Gerichtssaal des Landgerichts Essen wurde Middelhoff verhaftet und bis zur Rechtskräftigkeit des Urteils in Untersuchungshaft gesteckt, weil die Richter dringende Fluchtgefahr sahen.
„Der Moment, der mich wachgerüttelt hat, war, als ich mich in der Gefangenenaufnahme der JVA komplett ausziehen musste und das Kommando bekam: Hände an die Wand, Beine auseinander“, berichtet Middelhoff. Er betont, dass er seine Gier, Arroganz und Überheblichkeit als Manager erst hinter Gittern erkannt habe. Dass er das Urteil von drei Jahren Freiheitsstrafe noch heute für zu hart hält, darüber verliert er bei seinem Auftritt in Frankfurt kein Wort. Stattdessen kritisiert er die gängige Suizidkontrolle, für die er in sechs Wochen seiner Haftzeit nachts alle 15 Minuten geweckt worden sei. Der Schlafentzug habe bei ihm zu einer unheilbaren Autoimmunerkrankung geführt. „Das ist in Guantanamo nicht zulässig, aber in deutschen Gefängnissen.“
Als unternehmerischen Ratschlag gibt Middelhoff den Zuhörern mit auf den Weg, lieber einen Karriereschritt auszulassen, als seinen Charakter zu verbiegen. „Ich war auch nicht immer ein Arschloch“, sagt Middelhoff und erntet dafür schallendes Gelächter. Nachdem er Privatinsolvenz habe anmelden müssen, lebe er nun von dem Teil seiner Pension, der unterhalb der Pfändungsgrenze liege. „Ja, ich bin reich“, sagt er, „allerdings an Erfahrung.“