„Katastrophaler“ Hurrikan wütet an US-Golfküste: Hunderttausende bleiben nach „Ida“ ohne Strom
Hurrikan „Ida“ richtet im US-Bundesstaat Louisiana große Verwüstungen an, zwei Menschen sterben. Das ganz große Chaos bleibt aus – zunächst.
Mit der aufgehenden Sonne schwärmen auch die Teams aus, um das Ausmaß der Katastrophe in Louisiana zu erfassen. Und die Gefahr einzuschätzen, die längst nicht vorüber ist.
Die Katastrophe: Am Sonntagnachmittag erreichte Sturm „Ida“ die Küste der USA. Ein Hurrikan der Kategorie vier. Mit mehr als 240 Kilometern pro Stunde reißt der Wind Dächer von den Häusern in der Stadt Port Fourchon, rund 160 Kilometer südlich von New Orleans. Fernsehbilder zeigen, wie Strommasten wie Dominosteine umgeworfen werden. Der Sturm ist so stark, dass die Fließrichtung des Mississippi sich umkehrt. In der Umgebung von New Orleans und Baton Rouge bricht die Stromversorgung zusammen. Mehr als eine Millionen Menschen sind auf Generatoren angewiesen.
„Ich kann Ihnen nicht sagen, wann die Stromversorgung wiederhergestellt wird, ich kann Ihnen nicht sagen, bis wann alle Trümmer beseitigt sein werden“, sagte der Gouverneur des US-Bundesstaats, John Bel Edwards, am Montag. „Das war ein katastrophaler Sturm.“ In der Großstadt New Orleans war die Stromversorgung weiterhin völlig ausgefallen.
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Es ist der fünftstärkste Hurrikan, der jemals die US-Küste erreicht hat. Der stärkste, der jemals in Louisiana gemessen wurde. Auf den Tag genau 16 Jahre nachdem Hurrikan „Katrina“ New Orleans verwüstet hat. Mittlerweile hat der Sturm sich zur Kategorie eins abgeschwächt, zieht jedoch weiter übers Land. Insbesondere die anhaltenden starken Regenfälle könnten die Situation für Millionen noch gefährlich werden lassen.
Gouverneur Edwards richtet sich am Morgen danach mit einem Appell an die Bevölkerung: „Wenn die Sonne an diesem Morgen aufgeht, bitte, bleiben Sie, wo Sie sind. Ida hat Straßen überflutet, Trümmer hinterlassen, Stromtrassen zerstört, es ist gefährlich.“
Besonders hart trifft der Sturm die Krankenhäuser
Bisher sind nur zwei Todesfälle bestätigt, doch viele Gegenden in Louisiana bleiben für die Rettungskräfte unerreichbar. Das ganz große Chaos wie nach „Katrina“ blieb zunächst aus. Damals waren mehr als 1400 Menschen gestorben. New Orleans hatte nach der Katastrophe massiv in die Sicherheit der Infrastruktur investiert und Deiche erneuert. Bisher halten sie. Ramsey Green, mitverantwortlich für die Infrastruktur in New Orleans warnte aber: Die Deiche mögen halten. Doch das unterfinanzierte Abwassersystem der Stadt könne die erwarteten Niederschläge nicht aufnehmen, zudem fehle es an leistungsstarken Pumpen.
Besonders hart trifft der Sturm die Krankenhäuser. Wegen geringer Impfquoten sind die Intensivstationen im ganzen Staat an ihrer Kapazitätsgrenze. Zahlreiche Krankenhäuser wurden daher nicht evakuiert – es gab schlicht keinen Ort, an den man die Patienten hätte bringen können. Alle Krankenhäuser verfügen über Notstromgeneratoren. Doch nicht immer reichte das aus.
Im Thibodaux Regional Krankenhaus westlich von New Orleans fielen zwei der fünf Generatoren plötzlich aus, so dass die Intensivstation zeitweise ohne Strom war. Da auch die Fahrstühle nicht funktionierten, mussten die beatmeten Patienten über das Treppenhaus in andere Teile des Gebäudes gebracht werden. Mindestens zwei weitere Krankenhäuser in der Region berichteten von ähnlichen Problemen.
Laut Vorhersagen soll der Sturm nun weiter über Louisiana hinweg nach Mississippi ziehen. „Wenn man sich den schlimmstmöglichen Weg hätte für den Sturm hätte aussuchen müssen, wäre es ziemlich genau der gewesen, den er jetzt nimmt“, sagte Gouverneur Edwards der Nachrichtenagentur AP. Denn auf Idas Weg befinden sich mehrere Chemiefabriken und 17 Ölraffinerien, die gut 20 Prozent der US-Produktion ausmachen. Sollten sie beschädigt werden, droht nicht nur ein wirtschaftlicher Schaden, sondern auch eine Umweltkatastrophe. Ein Sprecher des Umweltministeriums von Louisiana kündigte an, mit Flugzeugen die Lage zu überwachen, sobald der Sturm dies zulasse.
Am Montagvormittag schwärmten 5000 Katastrophenschützer aus
Was „Ida“ so gefährlich macht, ist die Geschwindigkeit, mit der der Sturm plötzlich an Intensität gewann. Möglich war das laut einem Analysten des National Oceanic and Atmospheric Administration aufgrund der hohen Oberflächentemperatur des Wassers im Golf von Mexiko. Günstiger Winde in der oberen Atmosphäre ließen den Luftdruck innerhalb des Sturms sinken, was einen Schloteffekt zu Folge hatte. Innerhalb weniger Stunden wurde der Wind um etwa 80 km/h schneller.
Kerry Emanuel, Professor am Massachusetts Institute of Technology, sieht einen direkten Zusammenhang zwischen dieser Art von blitzartig auftretenden Hurrikans und dem Klimawandel. „Wir werden viel mehr Stürme sehen, die sich extrem intensivieren kurz bevor sie auf Land treffen“, schrieb er in einer Analyse für die American Meteorological Society. Die Art Stürme, eigentlich ein Jahrhundertereignis, könnten bald alle fünf oder zehn Jahre auftreten.
Am Montagvormittag schwärmen 5000 Katastrophenschützer mit 195 Hochwasserfahrzeugen, 73 Booten und 34 Hubschraubern aus, um mit den Rettungsarbeiten zu beginnen. US-Präsident Joe Biden hat den betroffenen Gebieten derweil finanzielle Unterstützung zugesichert. Während „Ida“ sich weiter abschwächt, sagen Meteorologen für Dienstag Tornados in der Region voraus.