Hitzerekorde: Hotspot Kitzingen
In der bayerischen Stadt wurden wieder 40,3 Grad erreicht. Während viele Bürger unter der Hitze leiden, freut sich der Bürgermeister über die Gratis-Werbung durch den Temperaturrekord. Aber die Region hat ein ernstes Problem: extreme, ebenfalls rekordverdächtige Dürre. Und selbst das wenige Wasser wird langsam heiß.
Auch am späteren Freitagabend war es nicht so richtig kühl in Kitzingen. Die unterfränkische Stadt vermeldete um 21.28 Uhr noch 33 Grad Celsius. Am Tag hatte Kitzingen den Rekord erreicht – mit 40,3 Grad wurde dort die heißeste Temperatur in Deutschland gemessen, seit es die Wetteraufzeichnungen gibt, seit 1881 also. Schon zum zweiten Mal hat die 20.000-Einwohner-Stadt in diesem Jahr die 40,3 erreicht, zum ersten Mal war das am 5. Juli. Damit hat Kitzingen die Städte Freiburg und Karlsruhe überholt, wo in der Vergangenheit schon 40,2 Grad gemessen worden waren.
Bürgermeister Siegfried Müller von der „Unabhängigen Sozialen Wählergruppe“ freut sich darüber. Die Stadt als deutschlandweiter Hotspot sei „beste Werbung“, sagte er der „Mainpost“. Der Rekord zeige, „dass man auch in Deutschland Urlaub bei 40 Grad Celsius“ machen könne. Eine Zunahme des Kitzingen-Tourismus kann allerdings noch nicht verzeichnet werden, die Karibik-Reiseziele halten ihre Position. Gemessen wird die Temperatur akkurat vom Deutschen Wetterdienst aus Offenbach. Das Thermometer muss selbstverständlich im Schatten sein und sich zwei Meter über dem Boden befinden. Darunter, so die Vorschrift, soll eine Wiese sein.
Kitzingen liegt im Norden Bayerns, 18 Kilometer sind es nach Würzburg. Meteorologisch wird die Gegend als Maingau-Klimazone bezeichnet. Der Main fließt durch das Städtchen. Kitzingen ist für die Hitze prädestiniert: Es gibt es keine Berge, welche die Heißluft behindern könnten. Es steht auch kein Wald drum herum, der für das eine oder anderen Zehntel-Grad-Celsius Abkühlung sorgen könnte. Die Stadt ist der Glut schutzlos ausgeliefert. Wie so ziemlich jede Ortschaft in Deutschland, hat auch Kitzingen – neben der Wärme – eine Besonderheit: Das „Deutsche Fastnachtsmuseum“ ist dort angesiedelt, der Ort gilt deshalb als Hochburg der Karnevalistenszene.
Felder, Wiesen und selbst der Wald haben keine Feuchtigkeit mehr gespeichert
Doch neben viel Schweiß und der Freude über den Rekord hat die Hitze gerade in Franken auch eine ernste Seite. Denn die Extremtemperaturen sind mit außergewöhnlicher Dürre gepaart. So trocken wie jetzt war es in der Region seit 40 Jahren nicht mehr. Im Süden Bayerns ist im Vergleich bisher fast drei Mal so viel Regen gefallen wie in Unterfranken. Wanderführerin Angela Nitsche ist schockiert über „staubtrockene Felder und ausgedörrte Wiesen“. Selbst der Wald besitze „keinerlei Bodenfeuchtigkeit mehr“. Es herrscht hohe Waldbrandgefahr. Fischen droht der Tod, denn eine Wassertemperatur von mehr als 25 Grad halten sie nur noch schlecht aus.
Auch die Auswirkungen auf die Landwirtschaft sind drastisch. Gemüse, Getreide oder Raps wachsen nicht, sondern dorren nur noch vor sich hin. Der Bauernverband rechnet mit Ernteeinbußen von 30 Prozent. Die Landwirte diskutieren kontrovers über Möglichkeiten der künstlichen Bewässerung. Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU) verweist schon auf Israel mit seinem Pflanzenanbau in der Wüste als Vorbild für das ausgetrocknete Franken. Er kündigte Ende Juli an, im Herbst mit Fachleuten nach Israel fahren zu wollen, um sich die dortigen Bewässerungssysteme in der Wüste anzuschauen.
Zwar wird Franken schon seit Langem vom südlich gelegenen Donauraum mit Wasser versorgt. Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU) zufolge wird jede Minute der Inhalt von 30 Tanklastzügen voller Wasser in den Norden geleitet. Doch offenbar reicht auch das nicht. Im Freistaat herrscht ein drastisches Nord-Süd-Gefälle. Aus dem regenreichen oberbayerischen Voralpenraum lässt sich aber kein Wasser nach Franken bringen. Als Ursache für die Misere hat die CSU den Klimawandel ausgemacht. Dieser werde nun „greifbar“, sagt Ministerin Scharf. Auch Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (ebenfalls CSU) warnt vor der steigenden Zahl der Hitzetage. Einer Studie seines Hauses zufolge gebe es im Frühjahr und Sommer immer mehr Hitze, im Winter hingegen immer weniger Frosttage.