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Ein Team der South Florida Urban Search and Rescue sucht in den Trümmern des teilweise eingestürzten Wohnhauses Champlain Towers South in Surfside nach Überlebenden.
© Matias J. Ocner/Miami Herald via AP/dpa

Elf Tote und 150 Vermisste in Miami: Hausverwalter warnten erst kürzlich vor Schäden im Gebäude

Nach dem Teil-Einsturz des Wohnhauskomplexes in Miami gibt es mittlerweile elf Todesopfer, 150 Menschen werden vermisst. Wie lange gibt es noch Hoffnung?

Die Einsatzkräfte in Surfside arbeiten seit Tagen rund um die Uhr. Seit dem Teil-Einsturz eines großes Wohnhauskomplexes in der Nacht zu Donnerstag läuft in der Kleinstadt bei Miami die verzweifelte Suche nach Verschütteten.

Auch am Dienstag mühten sich die Retter ab, um unter schwierigen Bedingungen weiter in den Trümmerberg vorzudringen. Die Chancen, noch Überlebende zu finden, schwinden mit jeder Stunde. Doch die Helfer geben nicht auf. Momentan aber haben sie jeden Tag aufs Neue nur traurige Funde zu vermelden. Elf Tote wurden bislang aus den Trümmern gezogen. 150 Menschen gelten weiter als vermisst. Wie lange gibt es noch Hoffnung?

Das zwölfstöckige Gebäude im US-Staat Florida mit rund 130 Wohneinheiten war aus dem Nichts etwa zur Hälfte in sich zusammengesackt. Bilder von Überwachungskameras angrenzender Gebäude hielten den dramatischen Moment fest. Die Menschen wurden im Schlaf von dem Einsturz überrascht.

Warum der als Champlain Tower South bekannte Wohnkomplex aus den 1980er Jahren einstürzte, ist bislang unklar. US-Medien berichteten über Schreiben der Hausverwaltung, die mit Verweis auf strukturelle Risiken Millionensanierungen anmahnten. Ermittler werden untersuchen, ob die offenbar fälligen Sanierungen mit dem Einsturz zusammenhingen.

Weniger als drei Monate, bevor das Gebäude kollabierte, soll der Präsident der Eigentümergemeinschaft in einem Brief davor gewarnt haben, dass sich der Schaden im Gebäude „deutlich verschlechtert habe“, seit es 2018 das letzte Mal inspiziert worden war.

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Die Behörden haben eine lange Liste von Menschen erstellt, die sich zum Zeitpunkt des Unglücks in dem Haus aufgehalten haben könnten: 150 Namen stehen noch auf dieser Liste. Nicht alle von ihnen müssen in dem Gebäude gewesen sein, nicht alle müssen verschüttet sein. Doch die Tatsache, dass die Ermittler nach mehreren Tagen intensiver Suche nicht mehr Personen anderswo ausfindig machen konnten, lässt Schlimmstes befürchten. Experten rechnen damit, dass die Zahl der Toten noch deutlich steigen wird.

Sofort nach dem Einsturz haben Einsatzteams die Arbeit aufgenommen. Mehrere Dutzend Menschen wurden gleich zu Beginn gerettet. Doch in den vergangenen Tagen folgten nur noch düstere Nachrichten. Die Zahl der gefundenen Toten stieg kontinuierlich: erst auf vier, dann auf fünf, auf neun, auf zehn und zuletzt auf elf.

Einsatzkräfte entdeckten Teile von Körpern, die zerfetzt wurden

Die Bürgermeisterin des Bezirks Miami-Dade, Daniella Levine Cava, hat die harte Aufgabe, jeden Tag bei improvisierten Presse-Briefings an der Unglücksstelle gemeinsam mit Polizei, Feuerwehr und anderen Offiziellen, niederschmetternde Neuigkeiten zu verkünden.

Nach ihren Angaben entdeckten die Einsatzkräfte auch „menschliche Überreste“, also Teile von Körpern, die durch die Wucht des Einsturzes zerfetzt wurden. Welcher Anblick sich den Suchtrupps bei ihrer Arbeit bietet, übersteigt die Vorstellungskraft.

Angehörige wurden um DNA-Proben gebeten, um die Opfer zu identifizieren. Dieser Prozess sei nicht einfach, sagt Levine Cava immer wieder. Vor allem aber betont sie eines bei jedem Auftritt: Die Suche nach Überlebenden gehe weiter. Man gebe nicht auf.

Aber wann ändert sich das Einsatzziel von der Suche nach möglichen Überlebenden hin zur Bergung von Todesopfern? Diese unbequeme Frage wird den Behördenvertretern in Florida jeden Tag mit zunehmender Dringlichkeit gestellt.

Mit viel Personal und schwerem Geschütz wird in Miami nach Überlebenden gesucht.
Mit viel Personal und schwerem Geschütz wird in Miami nach Überlebenden gesucht.
© Reuters

Der stellvertretende Leiter der Feuerwehr im Bezirk Miami-Dade, Raide Jadallah, sagte am Montag (Ortszeit), es sei ein Missverständnis zu glauben, dass die Suche nach Überlebenden nach Ablauf einer gewissen Zeit automatisch ende. „Das ist keineswegs der Fall.“ Eine solche Entscheidung hänge von vielen Faktoren ab.

In den Trümmern des Wohnhauses hätten die Suchtrupps mit Kameras etwa Hohlräume entdeckt, die potenziell groß genug seien, dass dort Menschen sein könnten, sagte Jadallah. Die Teams hätten noch nicht selbst zu diesen Bereichen vordringen können, arbeiteten aber daran.

Familien fragen verzweifelt, warum Sucharbeiten so langsam vorankommen

Die Suchtrupps haben nach Angaben von Levine Cava eine Art Graben inmitten des Trümmerberges ausgehoben, um tiefer in den Schutt vordringen zu können. Die Suchteams sind rund um die Uhr im Einsatz - mit Spürhunden, Spezialkameras, Horchinstrumenten und schwerem Gerät. Schutt, der an dem Gebäude abgetragen wird, wird in eine Lagerhalle transportiert für Untersuchungen der Unglücksursache.

Viele Familien bangen derweil um ihre Angehörigen und fragen zunehmend verzweifelt, warum die Sucharbeiten so langsam vorankommen. Jadallah sagte, die Lage sei „komplex“. Die Einsatzkräfte hätten es teils mit pulverisiertem Beton zu tun, der Betonschutt habe zum Teil die Größe eines Basketballs oder Baseballs. Mit jeder Bewegung bewege sich der Schuttberg. Man könne nicht einfach einen riesigen Beton-Brocken zur Seite heben, und damit sei es erledigt. „Das ist ein zwölfstöckiges Gebäude“, betonte er. „Das wird Zeit brauchen.“

Auch Feuerwehrchef Alan Cominsky betonte, die Lage sei sehr fordernd, schwierig und „extrem gefährlich“. Zwischenzeitlich hatten ein Feuer in den Trümmern und starker Regen die Suchaktion erheblich behindert.

Manche Angehörige haben die Hoffnung aufgegeben. Pablo Rodriguez etwa hatte anfangs Zuversicht, dass die Suchteams seine Mutter und seine Großmutter würden retten können. Nun glaube er nicht mehr daran, sagte der 40-Jährige der „Washington Post“: „Ich habe keine Hoffnung, dass sie sie lebendig finden werden und dass ich sie tatsächlich noch mal sehen oder sprechen kann.“ Er hoffe nur, dass die Suchtrupps „etwas“ finden, „damit wir sie richtig beerdigen können“. (dpa, Tsp)

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