Istanbul: Hagia Sophia – bald wieder eine Moschee?
Die türkische Regierung will die Hagia Sophia, das einstige Zentrum der Christenheit, wieder in eine Moschee umwandeln. Das Vorhaben ist umstritten. 3,3 Millionen Menschen besuchen das Wahrzeichen jedes Jahr.
Auf dem Platz vor der Hagia Sophia neigt sich ein milder und sonniger Novembertag seinem Ende zu. Die letzten Besuchergruppen kommen aus dem byzantinischen Gotteshaus, fliegende Händler versuchen, vor dem Feierabend ihre letzten Reiseführer und Ansichtskarten loszuschlagen. Seit anderthalb tausend Jahren thront die Hagia Sophia über der Altstadt von Istanbul. Der gewaltige Bau aus dem sechsten Jahrhundert war zuerst Kirche, dann Moschee, jetzt ist sie ein Museum und ein Touristenmagnet, der jedes Jahr 3,3 Millionen Besucher aus aller Welt anzieht. Doch die türkische Regierung hat angedeutet, dass das nicht mehr lange so bleiben wird: Die Hagia Sophia soll wieder zur Moschee werden.
Das trifft bei Ausländern und Türken auf dem Platz auf geteilte Ansichten. „Da halte ich überhaupt nichts von“, sagt der Düsseldorfer Norbert Arnold, der die Hagia Sophia gerade besichtigt hat. „Die können letzten Ende ja machen, was sie wollen“, fügt er mit Blick auf die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hinzu. Doch gut finde er das nicht. Mehmet Barak, der auf dem Platz seine Istanbul-Broschüren an die Touristen verkauft, stimmt Arnold zu. „Moscheen haben wir doch genug.“
Die Hagia Sophia als Ort historischer Ereignisse
Ein paar Schritte weiter schießen zwei junge Türken mit ihren Smartphones Erinnerungsfotos vor der Hagia Sophia. Mohammed Ali und Tunca Celik unterstützen die Umwandlung in ein muslimisches Gotteshaus. „Wir sind eine muslimische Gesellschaft, und das ist Teil unseres historischen Erbes“, sagt Ali. Der Einwand, die Hagia Sophia sei als christliche Kirche gebaut worden, beeindruckt ihn nicht. „Wenn das hier ein christliches Land wäre, würde ich ja nichts sagen. Aber im Moment gehört sie uns.“
Fast tausend Jahre lang diente die in ihrer heutigen Form im Jahr 537 gebaute Hagia Sophia als Kirche. Ein ganzes Jahrtausend christlicher Geschichte spielte sich in der damaligen Patriarchatskirche von Konstantinopel ab. Lange Zeit war die Hagia Sophia das spirituelle Zentrum der Christenheit – der Sitz des Patriarchen, als dieser noch unumstritten dem Papst in Rom übergeordnet war.
Auch die Spaltung der Kirche zwischen dem griechischen Osten und dem lateinischen Westen vollzog sich in der Hagia Sophia. Nach Jahren wachsender Spannung zwischen Ostrom und Westrom knallte ein päpstlicher Gesandter im Jahr 1054 eine Bulle mit der Exkommunikation des Patriarchen auf ihren Altar.
Besiegelt wurde der Bruch ebenfalls am Altar der Hagia Sophia, und zwar 150 Jahre später, als die westlichen Ritter des vierten Kreuzzuges ihn in Stücke schlugen und unter sich aufteilten. Die Eroberer aus dem Westen – darunter auch deutsche Ritter – „brachten Pferde und Maultiere in die Kirche, um die erbeuteten Heiligtümer abzuschleppen und das Gold und Silber, das sie vom Patriarchenthron und von der Kanzel abgerissen hatten“, schrieb ein zeitgenössischer Beobachter die Plünderung der Kirche durch die katholischen Kreuzfahrer im Frühjahr 1204. „Eine ordinäre Dirne wurde auf den Patriarchenthron gesetzt, wo sie vulgäre Lieder sang und den heiligen Ort entweihte.“
Als die Osmanen im Jahr 1453 die Stadt einnahmen, die heute Istanbul heißt, verwandelten sie die Hagia Sophia in eine Moschee und bestatteten fortan ihre Sultane dort. Auch ihr Reich ging schließlich unter, es folgte die Türkische Republik, die sich den Laizismus auf die Fahnen schrieb und kein repräsentatives Gotteshaus brauchte. Staatsgründer Atatürk ließ die Hagia Sophia 1935 zum Museum erklären, das weder Christen noch Muslimen gehört, sondern allen zum Besuch offensteht.
Das ging 80 Jahre lang gut, doch nun neigt sich auch diese Ära ihrem Ende zu. Im Parlament von Ankara hat eine rechte Oppositionspartei einen Gesetzentwurf eingebracht, der die Rückumwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee vorsieht. Der Chefprediger der Istanbuler Moscheen, immerhin ein Beamter des türkischen Staates, forderte vor wenigen Wochen ebenfalls öffentlich die Umwandlung.
Und nun hat auch die islamisch-konservative Regierung Erdogan erkennen lassen, dass sie wieder islamische Gebete in der Hagia Sophia ermöglichen will. Vizepremier Bülent Arinc sagte kürzlich in einer Rede vor der Kirche, nach türkischer Gesetzeslage müsse die Regierung sogar dafür sorgen, dass als Gotteshaus errichtete Bauwerke auch als solche genutzt würden – und nicht zum Beispiel als Museen.
„Die Hagia Sophia spricht zu uns“, sagte Arinc. „Bisher war es wohl möglich, Moscheen einfach zu Museen zu erklären. Aber jetzt gibt es eine neue Türkei”, fügte er hinzu. „Ich blicke heute auf diese traurige Hagia Sophia und hoffe, dass mit Gottes Hilfe bald glücklichere Tage beginnen.”
Zwei andere byzantinische Kirchen sind bereits in Moscheen umgewandelt worden
Zwei andere byzantinische Kirchen hat Arinc in den letzten zwei Jahren schon von Museen in Moscheen zurückverwandeln lassen: die Hagia Sophia von Iznik und die Hagia Sophia von Trabzon. Seiner Ankündigung werden also vermutlich Taten folgen.
Die griechische Regierung hat deshalb schon Protest eingelegt. „Byzantinische Kirchen sind ein wesentlicher Bestandteil des kulturellen und religiösen Welterbes”, erklärte Regierungssprecher Konstantinos Koutras. Ihre Umwandlung in Moscheen sei ein anachronistisches und unverständliches Vorhaben für ein Land, das der Europäischen Union beitreten wolle. Die Antwort aus Ankara kam prompt. Die Türkei habe von Griechenland keinen Nachhilfeunterricht in Sachen Religionsfreiheit nötig, erklärte das türkische Außenamt.
Würde die türkische Regierung eine Volksabstimmung über die Zukunft der Hagia Sophia ansetzen, dann käme wohl eine große Mehrheit für die Umwandlung zur Moschee heraus, da sind sich die Menschen auf dem Platz vor dem Gotteshaus einig. Doch ganz so einfach sei die Sache nicht, sagt der Rentner Asim Gür. „Wir sind zwar Muslime und wir wollen die Moschee, aber die anderen haben auch ihre Rechte“, sagt er. „Also, wenn du mich fragst: Es ist ein symbolischer Bau, als Kirche gebaut. Man sollte nicht dran rühren.“
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