Wütender Depardieu: Gallier auf der Flucht
Er ist ein Choleriker, sein Image ist ihm egal – Gérard Depardieu verlässt Frankreich mit großem Knall. Er will seinen französischen Pass zurückgeben und hat jetzt noch einen wütenden Brief an Premierminister Ayrault geschrieben. Und sein Luxusanwesen in Paris verkauft er.
Gérard Depardieu hat die Nase voll. Er will weg. Weg aus Paris. Raus aus Frankreich. Nichts hält den großen Star des französischen Films mehr, seit die Regierung des sozialistischen Präsidenten Francois Hollande die Steuerschraube angezogen hat. Jetzt will Depardieu seinen Pass abgeben. „Ich überreiche Ihnen meinen Pass und meine Sozialversicherungskarte, derer ich mich übrigens niemals bedient habe“, schrieb der 63-Jährige in einem offenen Brief an Regierungschef Jean-Marc Ayrault, der am Sonntag im Magazin „Journal du Dimanche“ veröffentlicht wurde. Anlass für Depardieus Entrüstung ist Ayraults Kritik an den Umzugsplänen des Schauspielers nach Belgien aus Steuergründen. Ayrault hatte Depardieus Flucht vor den erhöhten Spitzensteuersätzen der sozialistischen Regierung als „erbärmlich“ bezeichnet. Dazu schrieb Depardieu, der als Unterstützer des abgewählten konservativen Staatschefs Nicolas Sarkozy bekannt ist, nun: „Ich habe in 45 Jahren 145 Millionen Euro Steuern bezahlt, ich beschäftige 80 Arbeitnehmer. (...) Ich weise das Wort 'erbärmlich' zurück.“ Weiter: "Sie und ich haben nicht länger dasselbe Vaterland. Ich bin ein wahrer Europäer, ein Weltbürger, ganz wie es mir mein Vater immer eingeschärft hat“, schrieb Depardieu an Ayrault. Er verlange Respekt, nachdem keiner der zahlreichen anderen Unternehmer wegen seiner Steuerflucht derart angegangen worden sei.
Diese Woche wurde bekannt, dass er sein luxuriöses Domizil, ein 1820 von dem Baron Chambon im Empirestil errichtetes Stadtpalais mit kleinem Park und Dependance im Herzen des Pariser Stadtteils St.Germain-des-Prés, zum Verkauf anbietet: ein unter Denkmalschutz stehendes dreistöckiges Vorderhaus mit einem großen Empfangssaal, der zum Park hin auf eine Terrasse führt, eine Küche, deren Einrichtung in jedes Sternerestaurant passen würde, ein Schwimmbad mit Hamam im Tiefgeschoss, Privatgemächer und abgeschlossene kleinere Gästewohnungen in den oberen Stockwerken, Atelier- und Büroräume für Depardieus Filmgesellschaft DD Productions in der Dependance. Das Ganze auf 1800 Quadratmetern.
Für die Immobilie nennt die von Depardieu beauftragte Agentur Feau keinen Preis. Doch laut der Zeitung „Le Parisien“, die den beabsichtigten Verkauf am Donnerstag auf ihrer Webseite enthüllte, soll sie 50 Millionen Euro kosten. Das scheint für die Lage in dem begehrten Viertel und die Qualität des Objekts nicht übertrieben zu sein. Unter Berücksichtigung eines „Depardieu-Zuschlags“, wie ein Immobilen-Agent der Zeitung „Le Figaro“ sagte, wäre der Preis damit durchaus angemessen. Mehrere potenzielle Käufer, die von der Agentur seit zwei Monaten diskret von dem Angebot informiert wurden, sollen bereits Interesse gezeigt haben.
Der geplante Verkauf überrascht, hatte doch die Zeitschrift „Elle“ gerade erst in ihrer November-Ausgabe eine ausführliche Reportage mit Fotos des Fotografen Eric Morin über das Anwesen gebracht. Aber vielleicht sollte das den Preis treiben. Depardieu hatte sich das Anwesen in den vergangenen Jahren mit viel Hingabe, Geld und Unterstützung des Bildhauers Bernard Quentin und des Dekorateurs Jacques Garcia zu einem Designerjuwel mit einer Sammlung wertvoller Kunstwerke und Erinnerungsstücken aus der Ausstattung seiner Filme gestalten lassen. „Das Ganze reflektiert perfekt die Persönlichkeit des Schauspielers“, befand der Fotograf Morin. „Das geringste Detail wurde wie ein Kunstwerk konzipiert.“
Sein Luxusanwesen in St.Germain-des-Prés
Dass sich Depardieu von diesem Ensemble trennen will, überrascht umso mehr, als erst vor einer Woche bekannt wurde, dass er eine heruntergekommene Immobilie in Néchin, einem Ort in Belgien, dessen Name nun in aller Munde ist, als künftige Residenz erworben hat. Der Umzug steht noch bevor. Aber den neuen Mitbürger haben die Einwohner von Néchin bereits im Restaurant ihres kleinen Ortes an der belgisch-französischen Grenze gesichtet. „Au P’tit Bonheur“ (Zum kleinen Glück) heißt das Gasthaus. Das große Glück hat Gérard Depardieu ein paar Ecken weiter gefunden, ein graues, gesichtsloses Gebäude. 800 000 Euro soll er dafür bezahlt haben. Ein stolzer Preis für ein von Grund auf renovierungsbedürftiges ehemaliges Zollhaus, den Depardieu aber akzeptierte, weil es nur einen Steinwurf von der französischen Stadt Roubaix entfernt auf der belgischen Seite der Grenze liegt – und damit außerhalb der Reichweite der französischen Steuerbehörden.
Depardieu ist nicht der erste prominente Franzose, der sich vor dem Fiskus seines Landes nach Belgien absetzt. Im September hatte der reichste Mann Frankreichs, Bernard Arnault, Chef des Luxusgüterkonzerns LVMH, die belgische Staatsbürgerschaft beantragt. Wie er besitzen viele betuchte Franzosen eine Wohnung in Brüssel. In dem Zehntausend- Seelen-Kaff Néchin, in dem sich Depardieu nach Auskunft von Bürgermeister Daniel Senesael „wegen seines ländlichen Charakters“ niederlässt, wird sich der Schauspieler indes nicht einsam fühlen. Zu seinen künftigen Nachbarn kann er die milliardenschwere Eigentümerfamilie der Supermarktkette Auchan und die Erben des Gründers der Elektromärkte Darty zählen. Ein Viertel der Einwohner sind Franzosen, die sich mit ihrem Reichtum in Villen hinter hohen Hecken verschanzen.
Während die eingesessene Bevölkerung von Néchin über die in den letzten Jahren um 2000 Prozent gestiegenen Grundstückspreise klagt, genießen die wohlhabenden Zuzügler das traditionell milde steuerliche Klima. Das Königreich kennt keine Vermögensteuer und nur geringe Gewinn- und Erbschaftsteuern. Vor der Sondersteuer von 75 Prozent für Einkommensmillionäre, die die Regierung des sozialistischen Präsidenten Francois Hollande ab 2013 erhebt, sind Steuerexilanten dort ebenfalls sicher. Voraussetzung ist, dass sie ihren Lebensmittelpunkt in Belgien einrichten und die Hälfte des Jahres dort verbringen. Wie Depardieu diese Bedingung erfüllen wird, bleibt abzuwarten. Außer Schauspieler, der auch als Regisseur und Produzent Millionen verdient, ist der gefeierte Star schon längst auch ein erfolgreicher Geschäftsmann. In kubanische Ölquellen, Weingüter in Burgund und im Médoc sowie in Italien, Spanien, Marokko und Argentinien hat er investiert. Er besitzt ein Schloss im Anjou und betreibt neben einem Hotel in Paris zwei Luxusrestaurants, ein Fischgeschäft, einen japanischen Gewürzhandel und Europas größte Vertretung für Yamaha-Motorräder. Ständig ist der Rastlose auf der Suche nach lohnenden Investitionen. Dass er daneben noch Zeit für Dreharbeiten hat, ist ein Wunder. Aber nach dem jüngsten Asterix-Film, in dem er wieder die Rolle des Obelix spielt, kommt demnächst sein neuer Streifen, ein Krimi („La Marque des Anges“), heraus.
Vom Komödianten, der auch als Charakterdarsteller in Rollen wie „Danton“ oder „Balzac“ Triumphe feierte, zum Steueremigranten: Es ist ein langer Weg, den der 63-jährige Depardieu zurückgelegt hat, mit vielen Höhepunkten, steilen Kurven und manchen Karambolagen. In jüngster Zeit machte er durch seltsame Freundschaften, etwa zum russischen Präsidenten Wladimir Putin, und wiederholte Rüpeleien von sich reden. Als ihm vergangenes Jahr beim Start eines Air- France-Fluges die Stewardess den Gang zur Toilette verweigerte, pinkelte er zum Entsetzen der Mitreisenden in die Kabine. Einem Autofahrer, von dem er sich behindert glaubte, versetzte er im Streit eine Ohrfeige. Anfang Januar muss er sich wegen eines schweren Verkehrsdelikts verantworten. Er war im November mit 1,8 Promille von seinem Motorroller gefallen und vor der Polizei vorübergehend festgenommen worden.
Solche Skandale haben die Fans „Gégé“, wie sie ihn nennen, stets nachgesehen. Sie lieben ihn und lächeln über seine Manieren. Mit seiner Genusssucht und seinen cholerischen Ausbrüchen, die ebenso schnell in sensible und einfühlsame Tonarten umschlagen können, gilt er ihnen als das, was die Franzosen als ein „sacré monstre“ bezeichnen, frei übersetzt ein „verdammt faszinierendes Monstrum“. Doch mit seiner Steuerflucht dürfte er viele Anhänger vor den Kopf stoßen. Auch sie stöhnen unter der Abgabenlast, haben aber nicht wie er die Möglichkeit, vor dem Fiskus Reißaus zu nehmen. Als „wenig solidarisch“ bezeichnete Premierminister Jean-Marc Ayrault die Entscheidung Depardieus. Selbst aus dem rechten Lager, das nun eine willkommene Vorlage hätte, die Steuerpolitik der Linken anzuprangern, wurde Empörung laut. Den Star kümmert das nicht. Sein Image sei ihm egal, hat er einmal gesagt.