Konsumkultur: Friss und stirb
Der private Konsum steigt immer weiter. Es werden mehr Ressourcen verbraucht, als wieder gebildet werden können. Einer neuen Studie zufolge verträgt die Welt nur 1,4 Milliarden Menschen – wenn sie so leben wie die Amerikaner heute.
Nach dem Scheitern des Klimagipfels in Kopenhagen steuert die Welt auf eine globale Erwärmung um etwa 3,5 Grad im Vergleich zum Beginn der Industrialisierung zu. Und das auch nur, wenn alle Staaten bis Ende Januar ihre ambitioniertesten Ankündigungen an das Klimasekretariat der Vereinten Nationen in Bonn schicken sollten, und diese Ziele dann auch erreichen. Das hat der Chef des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung, Hans-Joachim Schellnhuber, ausgerechnet. Daraus folgert Erik Assadourian: „Politik wird nicht genug sein, um das Problem zu lösen.“ Auch Konsummuster und Verhalten eines jeden Einzelnen müssten sich ändern. Er ist Hauptautor der Studie zur „Lage der Welt“ des Worldwatch Institute in Washington. In diesem Jahr hat es sich den Konsum vorgenommen.
Schon etwa 1987 hat der ökologische Fußabdruck der Menschheit die Regenerationsfähigkeit der Erde zum ersten Mal überschritten. Es werden also mehr Ressourcen verbraucht, als wieder gebildet werden können. Assadourian schreibt, dass die Weltbevölkerung lediglich bei 1,4 Milliarden Menschen liegen dürfte, wenn alle einen amerikanischen Lebensstil pflegen würden. Auf europäischem Konsumniveau könnte die Erde 2,1 Milliarden Menschen tragen. Doch selbst mittlere Einkommen, wie in Thailand oder Ägypten, bringen Konsummuster hervor, die lediglich für etwa 6,4 Milliarden Menschen Platz ließen – derzeit leben etwa 6,8 Milliarden Menschen auf der Welt, bis 2050 werden es nach UN-Schätzungen neun Milliarden sein.
Der private Konsum ist seit 1996 um 28 Prozent auf 23,9 Billionen US-Dollar gestiegen. Ein durchschnittlicher Europäer verbraucht täglich 43 Kilogramm Materialien wie Metalle, Lebensmittel oder Energie; ein Amerikaner bringt es gar auf 88 Kilogramm täglich. Zwei Schäferhunde verbrauchen in den USA mehr Ressourcen als ein durchschnittlicher Mensch in Bangladesch. Derzeit liegt der Ressourcenverbrauch um ein Drittel über den Kapazitäten der Erde. Christopher Flavin, Präsident des Worldwatch Institute, kommentiert diesen Trend mit den Worten: „Am Ende muss der menschliche Überlebenswillen über den Drang nach einem Konsum um jeden Preis siegen.“
Im Bericht schreiben 50 Autoren über alles, was die derzeitige Konsumkultur in Richtung Nachhaltigkeit ändern könnte: von der Religion über Bildung bis hin zur Werbung. Erik Assadourian beschreibt die Folgen unseres Lebensstils zum Beispiel anhand einer britischen Studie, die ermittelt hat, dass Kinder in Großbritannien mehr Pokemon-Figuren benennen konnten als häufig vorkommende Tier- oder Pflanzenarten. Amerikanische Firmen geben derzeit jährlich rund 17 Milliarden Dollar aus, um Kinder zu umwerben, 1983 waren es noch 100 Millionen. 19 Prozent der amerikanischen Babys unter einem Jahr haben bereits einen eigenen Fernseher in ihrem Zimmer stehen.
Es gibt aber auch Hinweise, dass die Konsumkultur in ihrem Stammland USA ihren Höhepunkt in einigen Bereichen überschritten haben könnte. Lester Brown, Gründer des Worldwatch Institute, der heute das Earth Policy Institut leitet, hat ermittelt, dass im Jahr 2009 zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg mehr Autos in den USA verschrottet als neu gekauft wurden. Die US-Autoflotte ist um vier Millionen Fahrzeuge, etwa zwei Prozent, kleiner geworden als im Jahr zuvor. Allerdings kommen in den USA trotzdem noch fünf Autos auf vier Autofahrer, schreibt Brown. Schon 1970 gab es mehr Autos als Fahrer.
State of the World 2010. Transforming Cultures: From Consumerism to Sustainability, herausgegeben vom Worldwatch Institute, Washington, 2010.
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