Sanierung beendet: Frankfurts Altstadt ist wieder wie neu
Mit einem Festakt eröffnete die Main-Metropole am Freitag ihre Altstadt neu, am Sonnabend feiert die Öffentlichkeit dort mit einem großen Fest.
Seit Jahren wird über sie geredet und gestritten, nun gibt es sie endlich: Am Freitag hat Oberbürgermeister Peter Feldmann die neue Altstadt von Frankfurt am Main eröffnet. Mit einem morgendlichen Festakt in der Paulskirche, der erst 1833 vollendeten protestantischen Hauptkirche und seit dem Wiederaufbau nach 1945 Festhaus der Stadt, nimmt Frankfurt Besitz von seinem neuen Juwel, der wiederhergestellten Altstadt. „Wir geben der Stadt Herz und Seele zurück“, sagt der OB morgens beim Durchschneiden des Bandes in der noch schattigen Altstadt, dann ein weiteres Mal in seiner Ansprache in der Paulskirche, durch deren Milchglasfenster sich das Licht der nun hell strahlenden Sonne auf die Festversammlung ergießt. „Die Menschen gehen zurück in der Geschichte, bis auf die Römerzeit, und das macht sie stolz“, so Feldmann, der die Altstadt als „Ausgangspunkt unserer über 800-jährigen Messegeschichte“ sogleich mit der wirtschaftlichen Gegenwart der Handelsstadt Frankfurt verbindet.
Sorgfältig gebaut und mit allem Komfort
Zwischen dem Römer, dem Rathaus der Mainmetropole – und über Jahrhunderte Ort der Feier der Kaiserkrönung –, und dem gotischen Dom erstreckt sich das Viertel, das die mittelalterlichen Gässchen mit ihren dicht an dicht stehenden Giebelhäusern mehr nachahmt als historisch getreu wiederherstellt. Ganz getreu, das konnte niemand wollen – denn die Altstadt, die in drei verheerenden Bombenangriffen im März 1944 in Schutt und Asche sank, war nach heutigen Maßstäben übervölkert und unhygienisch.
Die neue Frankfurter Altstadt hingegen ist sorgfältig gebaut und mit allem Komfort ausgestattet. Freilich hinter altfränkischen Fassaden und Schindeldächern verborgen. Was vor etlichen Jahren mit der Häuserzeile am Ostrand des Römerbergs, des Platzes vor dem seinerzeit aus Kriegstrümmern wiederhergestellten Römer, als Rekonstruktion begann, setzt sich nun nach dem Abriss des Betonmonsters namens „Technisches Rathaus“ auf der gesamten Fläche bis hin zum Dom fort. Dabei ist diese Fläche lediglich 7000 Quadratmeter groß – nicht mehr als ein Fußballfeld. Dass der 70er-Jahre- Bau der Stadtverwaltung darauf den Großteil einnimmt, erwies sich als notwendige Voraussetzung der Altstadtbebauung: Nur so war die zusammenhängende Fläche gegeben, auf der die Stadt nach einem einheitlichen Konzept bauen konnte. Für weit mehr als 200 Millionen Euro entstanden in einem detailliert konzipierten Mix 15 denkmalgetreu rekonstruierte Altbauten sowie 20 historisch anmutende Neubauten.
Um die Rekonstruktion wurde auch politisch gestritten
Der Wiederaufbau auf historischem Stadtgrundriss und in historischen Formen war umstritten und ist es jüngst nochmals geworden: Der Rekonstruktion wurde geistige Nähe zu Rechtspopulisten unterstellt, die angeblich in Gestalt der Ein-Mann-Fraktion „Bürgerbündnis für Frankfurt“ den Wiederaufbau 2005 mit einem Stadtratsantrag überhaupt erst ins Rollen gebracht hätten.
Tatsache ist, dass das erst 1974 fertiggestellte – und nun abgerissene – Technische Rathaus als Inbegriff aller Bausünden schon lange als Schandfleck galt und inzwischen selbst zum Sanierungsfall geworden war. Und dass umgekehrt die Beliebtheit der Römerbergzeile mit ihren – bereits in Würde alternden – Fachwerkhäusern den Wunsch nach Wiederkehr Altfrankfurter Heimeligkeit hatte wachsen und parteiübergreifend wirksam werden lassen. Dass sich die Initiatoren bei den von der Stadt aufzubringenden Kosten gründlich verschätzten und mehr als das Doppelte der geplanten 100 Millionen Euro in der Endabrechnung stehen werden, nimmt man in Frankfurt gelassen. Obwohl der Stadtkämmerer allenfalls ein gutes Drittel der Summe durch den Verkauf der (lediglich) 70 geschaffenen Eigentumswohnungen wiedersieht. „So viel Altstadt für vergleichsweise wenig Geld“, sagen die Befürworter; „so viel Geld für so wenig Gebautes“, sagen die Kritiker. Tatsächlich sind nur 35 Häuser entstanden.
Beim Altstadtfest steigen 110 Drohnen auf
Doch jetzt ist für die Frankfurter erst einmal Feiern angesagt. Für das Altstadtfest an diesem Wochenende hat die Stadt stolze anderthalb Millionen Euro eingeplant. So sollen unter anderem am heutigen Samstagabend 110 Drohnen über dem Main aufsteigen und „Sternbilder“ aus elektrischem Licht in den Himmel zeichnen. Aber es wird auch Vorträge und Podiumsdiskussionen geben, um die Bürger mit ihrem neuen Stadtquartier vertraut zu machen. „Ein Viertel Rummel, drei Viertel bildungsbürgerliche Feier“, meint begütigend die führende Zeitung der Main-Stadt. Die Verächter des Wiederaufbaus werben derweil um Mitunterzeichnung eines offenen Briefes unter der Überschrift „Wider den modernefeindlichen Architekturpopulismus“.
Für einen ideologisch aufgeladenen Kampf zwischen Moderne und Historie ist nun gerade Frankfurt am Main nicht der geeignete Schauplatz: Umfragen zeigen, dass die Bürger beides mögen, die Hochhaus-Skyline der Banken wie auch die kleinteilige Altstadt mit ihrem wohldosierten Geschichtsappeal. Als Oberbürgermeister Feldmann am Freitagmorgen die symbolische Absperrung zu den schmalen Gässchen durchschnitt, standen die Frankfurter bereits dicht gedrängt – bereit, die neu-alte Altstadt in Besitz zu nehmen und vermutlich auch nicht mehr zu verlassen.
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