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Überlebende des Fährunglücks kommen im Hafen von Brindisi an.
© Reuters
Update

Deutsche beschreibt Situation auf der "Norman Atlantic": "Es war wie in der Hölle"

Überall Rauch, Panik und Angst - eine deutsche Überlebende des Fährunglücks in der Adria schildert die Zustände an Bord nach dem Ausbruch des Feuers. Die italienische Marine musste unterdessen schon wieder einen Noteinsatz an einem Frachter leisten, der hunderte Migranten an Bord hatte.

Eine deutsche Überlebende des Fährunglücks in der Adria hat chaotische Zustände an Bord der „Norman Atlantic“ geschildert. „Es war wie in der Hölle, die ganze Zeit Rauch, Rauch, Rauch“, sagte Ute Kilger aus München der Deutschen Presse-Agentur. „Die Crew war nicht anwesend, es gab keinen Ansprechpartner, niemanden, der Informationen hatte, niemanden, der einen beschützt hat.“

Auf der „Norman Atlantic“ war am frühen Sonntagmorgen nordwestlich der griechischen Insel Korfu ein Feuer ausgebrochen. 427 Menschen wurden gerettet, mindestens 13 Menschen starben, darunter zwei Einsatzkräfte. Die Behörden befürchten weitere Opfer. Die Suche nach ihnen dauert an.

Der Kapitän Argilio Giacomazzi wurde nach der Ankunft in Brindisi in der Nacht mehr als fünf Stunden befragt. Gegen ihn und die italienische Reederei Visemar, die das Schiff verchartert hatte, ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Tötung, Körperverletzung und Herbeiführens einer Havarie. Laut Nachrichtenagentur Ansa erklärte der Kapitän, zunächst wie vorgesehen die Besatzung alarmiert und dann - um keine Panik auszulösen - den Alarm im ganzen Schiff ausgelöst zu haben. Passagiere hatten kritisiert, dass es keinen Alarm auf der Fähre gegeben habe.

Spekuliert wird weiter über die Ursache des Feuers, das im Fahrzeugdeck ausbrach. Dort waren laut Zeugen viele Laster mit Olivenöl geparkt. Spekulationen, wonach blinde Passagiere sich mit einem Feuer wärmen wollten und so den Brand auslösten, bestätigten die Behörden bisher nicht. Ute Kilger sagte, sie sei mit einem Bekannten aus München in Griechenland zur Olivenernte und auf der Rückreise nach Deutschland gewesen. Beim Betreten des Schiffes habe sie bereits ein schlechtes Gefühl gehabt, sagte die 54-Jährige. „Das Schiff war alt und klein, nicht wie eine richtige Fähre.“ Eigentlich hätten sie ein anderes Schiff gebucht.

In der Nacht sei sie dann von Schlägen geweckt worden. „Auf den Gängen liefen Leute rum, es wurde lauter. Ich habe Rauch gerochen. Es war Rauch im Treppenhaus, das Licht ging aus.“ Als sie sich auf Deck geflüchtet habe, habe es panikartige Szenen und Rangeleien gegeben. „Es gab Angst, sehr viel Angst. Alle wollten auf Rettungsboote. Familien schrien.“

Auf einer Seite des Schiffs seien Rettungsboote verbrannt. Das Wetter sei immer schlechter geworden. „Die Wellen wurden immer höher, furchtbar hoch. Es kam ein Gewitter.“ Erst nach Stunden wurde Kilger von einem Hubschrauber nach Brindisi in Italien ausgeflogen. „Im Großen und Ganzen muss man glücklich sein, dass so viele Menschen gerettet wurden“, sagte die Frau aus München. Die italienische Marine leitete derweil in der Adria einen Frachter mit Hunderten Migranten an Bord zu einem Hafen im Süden des Landes. Es sei verhindert worden, dass das Schiff auf die Küste prallt, wie die Nachrichtenagentur Ansa meldete. Trotz eines Motorschadens hätten Männer der Küstenwache drei Meilen vor dem süditalienischen Ort Santa Maria di Leuca den Kurs des Frachters ändern können. Per Hubschrauber waren mehrere Männer zu einer Kontrolle auf das Schiff gegangen. Zuvor hatte ein Notsignal des Schiffes „Blue Sky M“, das 900 Menschen an Bord hat - deutlich mehr als zunächst vermutet -, einen umfangreichen Einsatz der griechischen Kriegsmarine ausgelöst. Der Kapitän hatte jedoch angegeben, das unter der Flagge Moldaus fahrende Schiff sei nicht in Seenot.

Das Schiff soll griechischen Medienberichten zufolge seit Tagen in der Region des Ionischen Meeres im Westen Griechenland unterwegs gewesen sein. Es wird vermutet, dass Menschenschlepper Migranten aus Westgriechenland abgeholt haben, um sie nach Italien zu bringen. Internationale Schleuserbanden versuchen immer wieder, Migranten durch das Mittelmeer nach Europa zu schaffen. Tausende waren dabei in den vergangenen Monaten ums Leben gekommen.

Am Mittwoch brachte die italienische Marine den Frachter dann in den Hafen Gallipoli im Süden des Landes. Eine Tragödie sei verhindert worden, weil sich die „Blue Sky M“ mit einem Motorschaden in Richtung Küste bewegt habe, sagte ein Sprecher der Küstenwache der Nachrichtenagentur ADN Kronos. An Bord waren nach Medienangaben vor allem Syrer. Auch eine Schwangere, die kurz vor der Geburt stand, war dabei. (dpa)

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