Germanwings und die Ermittlungen gegen die Lufthansa: „Er war nicht mehr in der Lage, ein Flugzeug zu fliegen“
Andreas Lubitz hat Tage vor dem absichtlich herbeigeführten Absturz der Germanwings-Maschine nach Gift gesucht, um sich umzubringen. Die Ermittlungen in Frankreich richten sich jetzt auch gegen die Lufthansa.
Andreas Lubitz, der Copilot der abgestürzten Germanwings-Maschine, hat im Internet nach Zyankali, Valium und tödlichen Medikamenten-Cocktails gesucht - offenbar um sich allein das Leben zu nehmen. Ein Sprecher der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft bestätigte am Freitag Informationen diverser Medien. Offiziell war bislang nur bekannt, dass sich Andreas Lubitz über „Möglichkeiten der Selbsttötung“ informiert hatte. Den Ermittlern zufolge hatte der 27-Jährige seine Suizidgedanken niemandem offenbart: Weder Angehörige, Ärzte noch Arbeitgeber hätten davon etwas gewusst, hieß es am Freitag.
Lufthansa und Germanwings sind nach dem Absturz der Germanwings-Maschine in Frankreich im Visier der Ermittler. Staatsanwalt Brice Robin kündigte Ermittlungen gegen Unbekannt wegen fahrlässiger Tötung an. Drei Ermittler sollen dafür eingesetzt werden. Dabei soll offenbar auch eine mögliche Verantwortung von Germanwings und der Konzernmutter Lufthansa geklärt werden.
Laut der Opfervereinigung Fenvac soll es vor allem darum gehen, ob die Lufthansa Fehler bei der medizinischen Überprüfung von Copilot Andreas Lubitz (27) gemacht hat, der das Flugzeug zum Absturz gebracht hat. Lufthansa betont allerdings es „liegen derzeit keine Kenntnisse über Ermittlungen der französischen Staatsanwaltschaft konkret gegen Germanwings oder Lufthansa vor.“ Die Ermittlungen richteten sich gegen Unbekannt, hieß es.
Immer neue Details über Andreas Lubitz werden bekannt
Die Staatsanwaltschaft stellte den Copiloten als fluguntauglich dar und enthüllte neue Details. Innerhalb von fünf Jahren hat Lubitz 41 Ärzte konsultiert, allein im Monat vor dem Absturz sieben Ärzte. Seine Arztbesuche hat er versucht zu verheimlichen und nichts an seinen Arbeitgeber weitergeleitet.
„Er war nicht mehr in der Lage, ein Flugzeug zu fliegen“, sagte Robin bei einer Pressekonferenz in Paris. Er sei psychisch krank gewesen und bildete sich Sehstörungen ein, wegen derer er fürchtete, den Job zu verlieren. Das sei im Laufe von Ermittlungen bei Ärzten in Deutschland herausgekommen. Wegen der ärztlichen Schweigepflicht blieben die Informationen aber geheim.
Schon nach dem Unglück war Lufthansa vorgehalten worden, Lubitz nicht genug gesundheitlich überprüft zu haben. So wurde er während seine Ausbildung 2009 für flugtauglich erklärt, obwohl er psychische Probleme hatte. Nur indirekt kündigte der Staatsanwalt aber die Ermittlungen gegen Lufthansa und Germanwings an. Bisher gebe es noch keine Beweise, dass die beiden Fluggesellschaften über den aktuellen Zustand ihres Piloten informiert waren. Die Ermittler sollen auch untersuchen, wie das Arztgeheimnis und die Sicherheit von Flügen gewährleistet werden kann, wenn man einen labilen Piloten hat, betonte Robin.
Der Präsident der Opfervereinigung Fenvac, Stéphane Gicquel, erklärte dagegen explizit, die Untersuchung solle „die Frage nach Fehlern und Versäumnissen bei der Feststellung des Gesundheitszustands“ von Lubitz durch die Fluggesellschaft Lufthansa stellen. Es müsse herausgefunden werden, ob es Fehler bei der medizinischen Betreuung gegeben habe.
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Lubitz den Airbus am 24. März auf dem Flug von Barcelona nach Düsseldorf absichtlich in den französischen Alpen gegen einen Berg gelenkt hat. Dabei kamen alle 150 Menschen an Bord ums Leben, darunter 72 Deutsche, aber auch viele Spanier.
Die ersten 44 Särge wurden den Angehörigen übergeben
Der Copilot war an zehn Tagen im März kurz vor dem Absturz krankgeschrieben. Informiert darüber waren seine Mutter und seine Freundin, die ihn manchmal begleiteten. Kollegen wussten aber offenbar nichts von den gesundheitlichen Problemen. Die Ärzte stellten kein körperliches Problem fest, aber ein Arzt sprach von Psychose. Der Copilot hatte Angst zu erblinden, erklärte der Staatsanwalt. Nachts konnte er kaum noch schlafen.
Aus den Ermittlungen ging weiter hervor, dass er 2009 nach einer Depression seinen Dienst wieder aufnahm und bis Ende 2014 offenbar nicht ernsthaft krank war. Erst im Dezember 2014 gibt es in den Ärzteakten Hinweise auf psychische Probleme. Nach Informationen aus deutschen Medien soll Lubitz in den Monaten vor dem Absturz sogar versucht haben, sich Valium und Zyankali übers Internet zu besorgen.
Bevor er die Pressekonferenz gab, hatte Robin Angehörige der Opfer im Außenministerium in Paris über die Ermittlungen informiert. Die Bergungsarbeiten und die Identifizierung erwiesen sich als schwierig, weil Flugzeug - und Leichenteile bei dem Aufprall weit verstreut wurden. Aber die ersten 44 Särge wurden diese Woche mit dem Flugzeug nach Düsseldorf geflogen und am Mittwoch den Opfern ihrer Familien übergeben. Da bei dem Unfall aber viele Menschen gar nicht mehr identifizierbar sind, wurde entschieden, dass ihre Überreste in einem Sammelgrab in der Nähe des Unglücksortes beigesetzt werden sollen. Vermutlich im Juli werden dazu auch die Angehörigen der Opfer erwartet.