Auf ein Pint in den Pub: England lockert Corona-Beschränkungen
England lockert die Corona-Beschränkungen weiter. Jetzt dürfen Bierlokale und Geschäfte öffnen.
London - Die Temperaturen sind eisig, Graupelschauer gehen nieder. Trotzdem lassen sich die Engländer am Montag ihre Laune nicht verderben. Sie feiern die Wiedereröffnung von Pubs und Geschäften. Auch Fitnessstudios, Friseursalons, Zoos und Vergnügungsparks durften erstmals nach gut dreimonatigem strengen Winter-Lockdown wieder öffnen. Der dritte Öffnungsschritt entspricht der Ende Februar verkündeten Regierungsstrategie des vorsichtigen Aufweichens der Covid-Vorschriften. „Ich bitte alle dringend, sich verantwortungsvoll zu benehmen“, lautete Premier Boris Johnsons Appell an die Bevölkerung.
Im Frühstücksfernsehen wurden um 8.15 Uhr Ortszeit bleiche, frierende junge Frauen in Huddersfield (Grafschaft Yorkshire) vor ihrem ersten Pint Bier gezeigt. In der Gastronomie bleibt die Öffnung auf den Außenbereich beschränkt, was angesichts des Aprilwetters Probleme mit sich bringt. So haben sich viele Kaffeehaus- und Gaststättenbetreiber mit Decken und elektrischen Heizgeräten eingedeckt.
Matt Snell konnte am Montag lediglich drei seiner zwölf Zweigstellen der Restaurantkette öffnen. „Bei den anderen sind die Außenbereiche nicht groß genug, dass sich der Aufwand finanziell lohnt“, erläuterte der Geschäftsführer der BBC. So geht es nach Angaben der Lobbygruppe BBPA beinahe der Hälfte der 48 000 Pubs auf der Insel.
Vor überdachten Einkaufszentren bildeten sich schon früh am Morgen lange Schlangen. Es gehe schon ziemlich rund, berichtete die Managerin des Highcross-Zentrums in Leicester. Erkennbar hätten viele Kunden in den langen Monaten der Konsumenthaltung ein wenig Geld gespart. „Das wird jetzt in großem Umfang ausgegeben.“
Der Premierminister hatte vor Wochenfrist angekündigt, er werde den Tag mit einem Pint im Biergarten feiern. Die offizielle einwöchige Staatstrauer um den am Freitag verstorbenen Prinzgemahl Philip machte den schönen Plan zunichte. Zum Trost ließ sich der konservative Regierungschef wenigstens die stets widerspenstigen Haare schneiden. Damit hatte Johnson Glück: Vor Friseursalons in London herrschte heftiger Andrang, Termine sind auf Wochen hinaus ausgebucht.
Die Öffnung von Einzelhandel, Gastronomie und Dienstleistern kommt planmäßig zwei Wochen, nachdem Engländern erstmals wieder ein Treffen zu sechst erlaubt worden war. Dies ist sowohl in öffentlichen Parks wie Privatgärten möglich, Besuche in den Wohnungen bleiben noch bis Mitte Mai verboten. Die Vorschriften in den kleineren Regionen Schottland, Wales und Nordirland weichen nur unwesentlich vom weitaus größten Landesteil ab.
Schulen und Kindergärten sind bereits seit Anfang März wieder geöffnet. Mit Argusaugen haben die Wissenschaftler seither die Entwicklung der Pandemie-Kennziffern verfolgt, der befürchtete Rückschlag bis hin zu einer dritten Welle blieb aus. Das ist dem höchst erfolgreichen Impfprogramm zu verdanken. In vier Monaten haben 32,1 Millionen Menschen auf der Insel mindestens eine Impfdosis gegen Sars-CoV-2 erhalten, mehr als 47 Prozent der gesamten Bevölkerung. Der Anteil der zweifach Geimpften lag am Sonntag bei elf Prozent. Starben im Januar täglich bis zu 1250 Menschen an Sars-CoV-2, werden mittlerweile täglich durchschnittlich noch 36 Covid-Todesfälle gemeldet. Die Inzidenzrate ist stetig auf zuletzt 23 gefallen.
Den Briten ist auch wieder nach Scherzen zumute. Zur Mittagszeit öffnete im westenglischen Bristol der Cornubia-Pub. Nach seinem besten Bier-Angebot gefragt, antwortete Betreiber Phil Bennett: „Wie wäre es mit den ‚Vier Reitern der Apokalypse‘? Die haben nur 5,2 Prozent Alkohol.“ Sebastian Borger