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Mexiko sucht "El Chapo" und mögliche Komplizen.
© dpa

Mexiko: "El Chapo", der Drogenboss und Volksliebling

Spätestens seit seinem Ausbruch aus einem Hochsicherheitsgefängnis in Mexiko ist „El Chapo“ für viele Lateinamerikaner ein Held.

Nun haben sie auch T-Shirts mit seinem Gesicht gedruckt: „Boss“ steht darauf. Auf einem anderen Hemd ist ein fliegender „El Chapo“ zu sehen, der als Papagei einen Käfig verlässt. Zumindest den Humor haben sie in Mexiko nach dem wohl größten Justizskandal der Landesgeschichte nicht verloren. Seit einer Woche ist der Chef eines der mächtigsten Drogenkartelle der Welt auf der Flucht. Sein spektakulärer Ausbruch aus dem Hochsicherheitsgefängnis Altiplano beherrscht die Schlagzeilen in ganz Lateinamerika und den USA. Viele Mexikaner sympathisieren heimlich mit dem Schwerverbrecher, der seinen Aufstieg an die Spitze des Sinaloa-Kartells nicht nur seiner innovativen Schmuggel-Technik mit unterirdischen Tunneln verdankt, sondern eben auch seiner skrupellosen Politik, die die Mexikaner „Plomo o Plata“ nennen: Blei oder Geld. „El Chapo“ steht für ein brutales Regime, das seine Opfer erst noch quälend lange foltert, ehe sie zerstückelt oder in Säurebädern aufgelöst werden.

Alle anderen hat er einfach gekauft. Umso erstaunlicher ist, was sich in Mexiko tut. Aus einem Schwerverbrecher, der den Rechtsstaat bekämpft oder unterläuft, ist ein Sympathieträger geworden. Einer, dessen Kopf nun auf T-Shirts zu sehen ist, den sich Anhänger auf die Haut tätowieren lassen, der in den sozialen Netzwerken zum Helden stilisiert wird. Auch in der lateinamerikanischen Kulturszene wächst inzwischen der Rückhalt für „Chapo“. Sängerin und Schauspielerin Susana Zabaleta aus Mexiko bejubelt dessen Flucht öffentlich: „Es ist gut, dass er abgehauen ist“, wird sie in den Medien ihres Heimatlandes zitiert. Ihre Zuneigung begründet sie damit, dass „El Chapo“ immerhin auch viel Gutes für das Land getan habe. Vor gut einem Jahr, als Guzman in Mazatlán festgenommen wurde, habe sie weinende Menschen auf der Straße gesehen, erzählt Zabaleta.

Guzman hat aus seinen Milliardengewinnen ganze Industrien finanziert, vor allem das Baugewerbe diente als idealer Partner für die Geldwäsche. Ob sie bei ihrem Jubel über die Flucht auch an die Kinder oder Frauen gedacht haben, deren Väter oder Ehemänner grausam aus dem Weg geräumt wurden, weil sie im Gegensatz zu Politikern als Polizisten, Richter oder Staatsanwälte der Verführung widerstanden, sich kaufen zu lassen, ist nicht überliefert. Für diese Hinterbliebenen des Drogenkrieges mögen sich Zabaletas Worte vom Wohltäter Guzman wie eine zweite Hinrichtung anfühlen.

Hass und offene Wunden

Denn Zabaleta sagt nichts anderes, als dass deren Opfer vergebens war. Und noch etwas sorgt für eine bizarre Heldenverehrung in Mexiko: Die jüngsten Hasstiraden von US-Präsidentschaftsbewerber Donald Trump gegen mexikanische Einwanderer sowie die mexikanische Justiz im Vorwahlkampf trifft die Lateinamerikaner mitten ins Herz.

Natürlich hat Trump recht, wenn er von einem durch und durch korrupten Mexiko spricht, wenn er von illegalen Banden berichtet, die über die Grenze kommen, um in den USA ihre schmutzigen Geschäfte zu betreiben. Aber das ist eben nur die halbe Wahrheit: Denn es sind auch Waffen aus den USA, die den Drogenkrieg in Lateinamerika befeuern. Und es sind US-amerikanische Stars wie Aerosmith-Sänger Steven Tyler, die in Talkshows unter dem Gejohle des Publikums ungestraft ausplaudern dürfen, dass sie „halb Peru leer gekokst“ haben. Diese Doppelmoral der US-Amerikaner führt zu einem kulturellen Schulterschluss zwischen Guzman und den Latinos – in den USA und auch außerhalb.

Welch offene Wunde Trump da getroffen hat, machte Armando Christian Pérez alias „Pitbull“ deutlich. Der in Miami geborene Rapper kubanischer Herkunft stellte klar, dass er sich zunächst einmal als Latino und nicht als US-Amerikaner fühle. Und Pitbull, der sich gerne mit der vermeintlichen Nähe zu zwielichtigen lateinamerikanischen Kreisen schmückt, schickte gleich noch eine Warnung an Trump hinterher: „Leg dich nicht mit El Chapo an.“

Tobias Käufer

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