zum Hauptinhalt
Trügerische Idylle am Strand von Mogadischu - in dessen Stadtzentrum am vergangenen Wochenende eine Bombe explodierte.
© robertharding/imago

Tourismus in Somalia: Einschusslöcher im Art déco

Zum Urlaub in ein Bürgerkriegsland? Wenn es nach dem Tourismusminister Somalias geht, spricht einiges für einen Urlaub an Mogadischus Stränden.

In den Fluren hängt der Geruch von Blut und verbranntem Fleisch. Ärzte schieben Sonderschichten. Die Krankenhäuser in Somalias Hauptstadt Mogadischu sind mit der schieren Zahl der Opfer überfordert. Genauso wie die Friedhöfe, auf denen es in den letzten Tagen zu Massenbestattungen kam. Willkommen in Somalia – Ihrem nächsten Urlaubsziel?

Mehr als 300 Tote forderte der verheerende Anschlag vom Wochenende, bei dem sich ein Selbstmordattentäter an einer belebten Kreuzung Mogadischus in die Luft sprengte. Der tödlichste Anschlag in der Geschichte des ostafrikanischen Landes war der jüngste in einer Serie landesweiter Selbstmordattentate – allem Anschein nach erneut durch die islamistische Terrormiliz Al Schabaab. Doch Somalia hat genug von seinem Ruf als gesetzloses Bürgerkriegsland: Das Land will sich neu für Touristen vermarkten.

Im September wurde der ostafrikanische Staat, gemeinsam mit dem Inselstaat der Komoren, als 157. Mitglied in die Welttourismusorganisation (UNWTO) aufgenommen. Bereits im Juli hatte Somalias Tourismusminister Abdulrahman Osman Aufsehen erregt, als er verkündete: „Ich hatte ein erfolgreiches Treffen mit der UNWTO in Madrid. Wir haben übereingestimmt, Somalias Tourismus wiederzubeleben.“

Turkish Airlines fliegen täglich nach Mogadischu

Somalia liege strategisch günstig, so die Meinung des zuständigen Ministers, und besitze einige der schönsten Touristenorte der Welt. Die Tourismus-Pläne sind groß und die Möglichkeiten vorhanden. So fliegt Turkish Airlines täglich die Hauptstadt Mogadischu an und verbindet Somalia über Istanbul mit Europa – auch mit Deutschland. Im Jahr 2012 war die Fluglinie Turkish Airlines die erste, die nach dem Zusammenbruch der Zentralregierung in den Neunzigern wieder den regulären Flugbetrieb aufnahm. Doch wen zieht es in ein Land, in dem Regierung und Terroristen immer noch um die Vorherrschaft etlicher Städte kämpfen?

Zumindest Mogadischu konnten die Friedenstruppen der Afrikanischen Union (AU) 2011 von den Dschihadisten befreien. Seitdem fand die Hauptstadt zu brüchiger Stabilität zurück. Auch die Diaspora aus Ärzten, Anwälten und Ingenieuren wagt sich langsam wieder in ihre Heimat. In die Straßen und die Cafés kehrte zuletzt wieder Alltag ein – oder zumindest die Abwesenheit von Bürgerkrieg. Auf Mogadischu ruht deshalb nicht nur die Hoffnung der zuständigen Behörden, auch Touristiker wollen internationale Gäste in die zerbombte Meeresmetropole locken.

Eine familienfreundliche Feriendestination sieht anders aus

„Dieses Jahr allein brachten wir mehr als 20 Gäste aus Europa, Nordamerika und Asien nach Somalia“, zitiert der lokale Radiosender Dalsan den britischen Reiseveranstalter Hassan Nur. Mit seinem britischen Reisebüro „Untamed Borders“ (Ungezähmte Grenzen) organisiert er Trips an Orte, die bislang ganz unten auf der Urlaubsliste standen: darunter Afghanistan, Iran und Somalia. „Erstmalig hatten wir im April 2017 eine Gruppe europäischer Touristen in Mogadischu zu Gast. Sie stammten aus Deutschland, Finnland, der Schweiz, Großbritannien und Italien“, erzählt Hassan. Ein britischer Tourist, Andrew Dury, habe sich so sehr in Somalia verliebt, dass er dieses Jahr bereits zum dritten Mal seinen Urlaub dort verbrachte.

Trotzdem: Eine familienfreundliche Feriendestination sieht anders aus. Zu Jahresbeginn stürmten Kämpfer der Al Schabaab das Hotel Dayah im Zentrum Mogadischus und töteten 28 Menschen. Drei Monate später sprengten sie bei einer Straßensperre der Polizei acht Menschen in die Luft. Kurz darauf ließen Unbekannte einen mit Sprengstoff beladenen Milchwagen vor einem lokalen Regierungsgebäude explodieren. 15 Menschen starben. Ende September: sieben Tote durch eine Autobombe bei einem beliebten Markt. Ganz zu schweigen von dem jüngsten Anschlag vor einem Hotel und in der Nähe vieler Regierungsgebäude am vergangenen Sonnabend, bei dem hunderte Somalier unter eingestürzten Gebäuden begraben wurden. Rund 300 Menschen starben, viele weitere wurden verletzt.

Es locken weiße Sandstrände, Palmen und einzigartige Kultur

Wer es bei der Urlaubsplanung schafft, über die instabile Sicherheitslage hinwegzusehen, dem haben die Touranbieter nicht zu viel versprochen: Mogadischu besticht mit weißen Sandstränden, Palmen und einer einzigartigen Kultur. Cafés im Art-déco-Stil und italienische Architektur erinnern an die reiche Vergangenheit – als Somalia unter italienischer Herrschaft stand und seine Hauptstadt später der angesagteste Ort in der Region für Musik-, Kino- und Theaterliebhaber wurde. Bloß die Einschusslöcher in den weißen Fassaden – sie stören das Urlaubsidyll.

Zur Startseite