Neue Galerie in New York: Eine deutsche Melange für Manhattan
Ronald S. Lauder zeigt seine Privatsammlung mit österreichischen und deutschen Malern seit zehn Jahren in der „Neuen Galerie“ in der Metropole New York.
Geduld muss mitbringen, wer in New York das Café Sabarsky aufsuchen will. Beinahe täglich ist Anstehen angesagt – „Wait to be seated!“ Es ist kein allzu großes, aber ein furchtbar gemütliches Café, eher ein Wohnzimmer. Die Speisekarte ist in Deutsch mit englischen Unterzeilen abgefasst, und so kann der Besucher en passant lernen, was ein „Einspänner“ oder eine „Melange“ ist. Chef Kurt Gutenbrunner offeriert jedoch eher eine Mixtur aus österreichisch-verfeinerter und bayerisch-bodenständiger Küche, und das passt irgendwie besser zu dem Haus, in dem sich das Café befindet, der „Neuen Galerie“ – auf deutsch – mit dem englischen Untertitel „Museum for German and Austrian Art“. Gerade ist das Museum zehn Jahre alt geworden.
Die Adresse ist vornehm, Fifth Avenue, Ecke 86. Straße, und das Haus ist ein ehemaliges Privathaus aus der Zeit, als sich Industrie- und Finanzmagnaten noch Villen direkt am Central Park leisten konnten, in diesem Fall aus dem Jahr 1914. Dass die Neue Galerie nicht nur in der Kunstwelt zum Begriff geworden ist, sondern auch bei den New Yorkern zumindest der Upper East Side, dafür sorgt nicht zuletzt das Café. Es trägt seinen Namen nach dem 1996 verstorbenen Galeristen Serge Sabarsky, der den Milliardenerben Ronald S. Lauder für deutsche, vor allem aber österreichische Kunst der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts begeisterte.
Lauder und Sabarsky, so will es die offizielle Darstellung, wurden enge Freunde und tauschten sich stundenlang über die Kunst aus, die Sabarsky handelte und sammelte, und Lauder wurde sein bester Kunde. So sehr, dass Lauder 2001, ausgerechnet kurz nach dem Anschlag von 9/11, seine „Neue Galerie“ eröffnen konnte. Sie wurde, was man in den USA einen „instant success“ nennt. Nicht, dass es in den großen Museen der Stadt keine Kunst aus deutschsprachigen Ländern zu sehen gäbe. Doch die Neue Galerie mit ihrer „eng begrenzten Ausrichtung“, wie die „New York Times“ schon mal mäkelte, zeigt diese Kunst nicht, wie das Museum of Modern Art, als Anhängsel oder Seitenlinie „der“ Moderne, sondern als Kunst von eigenem Rang, zwischen dem Wiener Jugendstil eines Gustav Klimt, dem Expressionismus eines Ernst Ludwig Kirchner und der figurativen Malerei eines Max Beckmann. Der österreichische Akzent ist der stärkere, was auch an den reichen Beständen kunsthandwerklicher Arbeiten liegt, die zumeist von den Möbeldesignern und Silberschmieden der „Wiener Werkstätte“ stammen.
Seinen zehnten Geburtstag feiert das Haus mit einer Ausstellung von Schätzen aus der Privatsammlung des Eigentümers, Ronald S. Lauder, so dass diesmal auch die Franzosen vor allem in Gestalt von gleich sechs Cézannes Einzug gehalten haben, aber ebenso Picasso und Brancusi. „Lauder ist ein Sammler, der top-top angesiedelt ist“, schwärmt Renée Price, die das Museum von Anbeginn leitet, in wienerischem Tonfall, „es ist das einzige Mal, dass diese Sammlung öffentlich gezeigt wird“. Lauder, der auf ein Vermögen von gut drei Milliarden Dollar (rund 2,4 Milliarden Euro) taxierte Miterbe des Kosmetikkonzerns Estée Lauder und vom Magazin „Forbes“ zuletzt auf exakt Platz 362 der Reichsten dieser Erde gesetzt, spricht selbst von der Kategorie der „Oh, mein Gott!“-Kunstwerke, auf die allein er es abgesehen hat. Zu welchen Ausgaben er dabei fähig ist, hat er vor fünf Jahren der Öffentlichkeit demonstriert, als er Klimts „Bildnis der Adele Bloch-Bauer“ von 1907 für 135 Millionen Dollar erwarb, ein Preis, der bislang auf Auktionen noch nicht überboten wurde. In Berlin ist er als Käufer des den Erben des jüdischen Eigentümers zurückgegebenen Gemäldes „Berliner Straßenszene“ (1913) von Ernst Ludwig Kirchner geläufig, das dem Sammler auf einer New Yorker Auktion für 38 Millionen Dollar zugeschlagen wurde – und das einzige Straßenbild Kirchners in Privatbesitz darstellt. In Berlin war das Bild im Brücke-Museum zu sehen.
So feinsinnig das Kunstsammeln erscheinen mag, so knallhart ist der 1944 geborene Lauder als Anleger und Investor. Seine Steuerspartricks sind in den USA legendär – so sehr, dass seinetwegen einmal ein Gesetz geändert wurde. Wie auch immer, die Einsparungen ermöglichen Lauder eine reiche Tätigkeit als Kunstsammler und Philanthrop, der jüdische Gemeinden in Mittelosteuropa unterstützt, über seine Familienstiftung jedoch auch Krankenhäuser in den USA und sogar die Renovierung von US-Botschaftsgebäuden. Seit 2007 ist Lauder, der in Berlin das Jüdische Lehrhaus in der Rykestraße fördert und auch als Immobilieninvestor hervortrat, Präsident des Jüdischen Weltkongresses.
Die Neue Galerie ist als öffentlich gemachte Privatsammlung gleichfalls von Steuerabzügen begünstigt. Den laufenden Betrieb jedoch muss Direktorin Price selbst erwirtschaften, sie hofft jedenfalls, in naher Zukunft die schwarze Null zu schreiben. In den Vereinigten Staaten können Kunstwerke, die Museen gestiftet werden, mit ihrem Marktwert und nicht etwa nur ihrem Ankaufspreis steuerlich geltend gemacht werden – eine beliebte Möglichkeit, aus dem Wertzuwachs von Kunstwerken die eigene Sammlung zu refinanzieren.
Lauder hat insbesondere dem Museum of Modern Art, dessen Ehrenvorsitzender er ist, zahlreiche Kunstwerke geschenkt. Sich selbst behält er Spitzenstücke wie diejenigen vor, die jetzt in seiner Neuen Galerie gezeigt werden.
Eine Sensation ist Wassili Kandinskys „Komposition V“ von 1911, die einzige der großen Kompositionen Kandinskys in Privatbesitz, zuvor in der Schweiz. Doch woher die Schätze stammen und wann Lauder sie erworben hat, verschweigt selbst der voluminöse Katalog der Jubiläumsausstellung.
Dass Lauder jedoch ein Museum geschaffen hat, das täglich um die 1200 Gäste – „die Besucher haben wir nie zusammengezählt“, kokettiert die Direktorin – mit einer in den USA als eher zweitrangig betrachteten Kunstrichtung bekannt macht, ist ein Glücksfall für die deutsche und österreichische Kunst. In diesem Haus hat sie eine noble Heimstatt gefunden, handelt es sich doch um die einstige Stadtvilla von Grace Vanderbilt, der Witwe eines Erben aus dieser verzweigten Familie. Schon die Reichen von damals liebten es, ihre Häuser mit Kunst auszustaffieren – mit der „Oh, mein Gott!“-Preisklasse.
Die Ausstellung ist bis 2. April zu sehen.
New York, Fifth Avenue / Ecke 86. Straße.
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