Was hilft gegen Kunststoff im Meer?: Ein Seeungeheuer aus Plastik
Plastik landet inzwischen aus dem Meer zurück auf dem Teller. Die Strategie dagegen ist jedoch äußerst komplex. Eine Kolumne.
So haben wir uns den Kreislauf der Natur nicht vorgestellt. Dass er den Menschen einfach das wiederbringt, was sie doch so gerne loswerden wollten. In Proben des Edelsalzes Fleur de Sel wurde kürzlich Plastik nachgewiesen, manche Teile waren sogar mit bloßem Auge zu erkennen. Auch wer sich eine Portion Muscheln bestellt, muss mit einer Plastikeinlage rechnen.
Ein Grund zur Aufregung? Beim Essen hört doch sonst für viele der Spaß auf. Aber Fleur de Sel gehört genauso wenig zu den Grundnahrungsmitteln wie Muscheln. Man könnte Plastik im Meer ein echtes Luxusproblem nennen und sich noch diese Beruhigungspillen einwerfen: dass Plastik auch zum Umweltschutz beiträgt, weil es so schön leicht ist, Lebensmittel länger frisch hält, der ökologische Fußabdruck deutlich kleiner ausfällt als bei anderen Materialien, weshalb eine Papiertüte zum Einpacken von Obst und Gemüse im Supermarkt auch keine Rettung ist. Und an Plastik im Meer sterben im Gegensatz zu verpesteter Luft nicht regelmäßig Menschen.
Plastik ist allerdings nicht nur ein ästhetisches Problem, das einen Bilderbuchstrand nach dem nächsten in eine Müllhalde verwandelt, zumal jede Menge Tiere daran verenden. Wenn weiter in diesem Tempo Plastik produziert und in die Weltmeere gekippt wird, gibt es bis 2050 darin genauso viel Kunststoff wie Fische. Und während Fische einfach ins Netz gehen, haben sich die meisten Plastikteile aufgelöst, zersetzt in kleinste Einzelteile.
Das Mikroplastik stammt nicht nur aus Verpackungsmüll, sondern auch aus gewaschenen Kunststofffaser-Klamotten und Kosmetika. Plastik bleibt ein Synonym für Unnatürlichkeit. Ob und was das Plastik mit dem menschlichen Organismus anstellt, ist noch nicht ausreichend erforscht. Doch die Vorstellung, Mikromüll in sich herumzuschleppen, dürfte keine große Begeisterung auslösen.
Millionen Tonnen jedes Jahr ins Meer
Von der Ozeanografin Sylvia Earle stammt der Satz, dass die nächsten zehn Jahre für die Rettung der Ozeane wichtiger sein könnten als die nächsten 10.000. Dabei ging es ihr nicht nur um die Vermüllung der Meere, sondern auch um Überfischung, Übersäuerung, Artensterben.
Der Müll dürfte das sichtbarste Problem sein, gerade im Alltag. Der Trend zur Plastikverpackung ist noch nicht gebrochen. Je mehr Singlehaushalte, desto mehr kleinere Verpackungen. Überhaupt sind in Einzelportionen verpackte Lebensmittel schwer in Mode gekommen. Was ist also der Weg?
Panikmache schon mal nicht, denn was getan werden muss, verlangt eine Menge Verstand. Überhaupt sind es drei große Wege, die gleichzeitig beschritten werden müssten: Beseitigung von Plastik, Recycling und Vermeidung.
Zur Beseitigung gibt es jede Menge Projekte. Mit Zersetzungslösungen für bestehenden Müll. Mit Geräten, die Plastik aus dem Meer holen. Die Forschung dazu darf ruhig von Staaten millionenschwer gefördert werden. Aber bei dem, was noch alles nachkommt an Müll, kann das nur ein Weg sein. Jedes Jahr werden 380 Millionen Tonnen Plastik produziert, davon landen je nach Berechnung 6 bis 15 Millionen im Meer. Obwohl nach einer Studie der Helmholtz-Gemeinschaft 90 Prozent davon über acht Flüsse in Asien und zwei in Afrika ins Meer gespült werden, bleibt das Problem angesichts der weltweiten Müllexporte ein globales.
Die Wiederverwertung funktioniert immer besser, ist aber erst am Anfang. Und nicht so einfach, weil manche chemische Zusätze in Kunststoffen beim Recyceln hinderlich sind. Recyclinganlagen wären dennoch schöne Geschenke, die die Welt Entwicklungsländern zum Beispiel an deren Nationalfeiertag machen könnte – auch im eigenen Interesse.
Auch die EU greift ein
Also zur Vermeidung: Ein Supermarkt in den Niederlanden bietet jetzt eine Abteilung ohne Plastik an, auch Fleisch und Milchprodukte sind in biologisch abbaubaren Verpackungen erhältlich. In Berlin gibt es schon länger einen Unverpackt-Laden. Doch die Vermeidung liegt nur zu einem Teil in der Hand der Verbraucher, weil es auch um jede Menge Umverpackungen geht. Eine größere Lösung könnten da Ersatzstoffe sein.
So ist Plastik im Meer ein weiteres Beispiel für die Komplexität der globalen Probleme. Dass die EU eine Plastikstrategie entwickelt, ist daher ein gutes Zeichen, auch wenn die Pläne einer Plastiksteuer erst einmal die üblichen Abwehrbollwerke aktiviert haben.
Vielleicht muss man es erst mal pragmatisch sehen. Sich Taschen, Mehrwegbecher oder Gemüsenetze zum Einkauf mitzunehmen, hat einen Nebeneffekt: Man muss nicht so oft den Müll rausbringen.