zum Hauptinhalt
Die neue Brücke und ein Tunnel verbinden die Sonderverwaltungszone Hongkong mit Zhuhai und Macau.
© imago/VCG

Hongkong-Zhuhai-Macao-Brücke: Ein Rekordbau, der Rätsel aufgibt

China eröffnet zwischen Hongkong und Zhuhai sowie Macau die längste Meeresbrücke der Welt – doch es dürfen nicht alle darüber fahren.

Eigentlich könnte die Eröffnung der längsten Meeresbrücke der Welt ein ausnahmslos freudiges Ereignis sein. Nicht so in der autoritär regierten Volksrepublik China, in der die Eröffnung der 55Kilometer langen Verbindung zwischen Hongkong, Zhuhai und Macau auch mit einigen rätselhaften Umständen verbunden ist. So hat zum Beispiel der hochrangigste chinesische Politiker Macaus eine Woche vor der Eröffnung Selbstmord begangen, nach offiziellen Angaben soll er an Depressionen gelitten haben. Auch sind Ort und Zeit der Eröffnungszeremonie mit dem chinesischen Staatschef Xi Jinping selbst den eingeladenen Abgeordneten aus Hongkong bis zuletzt vorenthalten geblieben, wie der Sender RTHK berichtete. Und schließlich ist da die Tatsache, dass die breite Öffentlichkeit die neue Brücke gar nicht befahren darf.

All dies erwähnte Xi Jinping am Dienstag in Zhuhai natürlich nicht. „Ich erkläre die Hongkong-Zhuhai-Macau-Brücke offiziell für eröffnet“, sagte Chinas allmächtiger Staatschef, anschließend brannte hinter ihm auf einem Videoscreen virtuell ein Feuerwerk ab. Wie der staatlich kontrollierte chinesische Sender CCTV berichtete, durfte danach als erstes Fahrzeug ein einsamer roter Doppeldeckerbus mit Journalisten an Bord die spektakuläre und prestigeträchtige Strecke befahren. Ab Mittwoch darf auch der reguläre Verkehr das Bauwerk benutzen.

Die Brücke hat vor allem eine politische Bedeutung

Die neue Brücke hat für China vor allem eine große politische Bedeutung, wie Chinas Vizepremier Han Zheng deutlich machte. Die 1997 an China zurückgegebene frühere britische Kolonie Hongkong und die 1999 zurückgegebene ehemalige portugiesische Enklave Macau werden durch diese Verbindung noch besser in die Volksrepublik integriert. „Das erleichtert den Menschen in allen drei Orten einen größeren Austausch und Handel“, sagte Han Zheng. Gegenwärtig sind Hongkong und Macau chinesische Sonderverwaltungszonen mit besonderen politischen Freiheiten.

Die Hongkong-Zhuhai-Macau-Brücke ist mit der vor einem Monat eröffneten Hochgeschwindigkeitsbahn von Hongkong nach Guangzhou ein wichtiges Element in Xi Jinpings Plan, das Perlflussdelta zu einer riesigen Wachstumsregion zusammenzuschließen. Die Region soll sich zu einem Hightech-Zentrum entwickeln, das dem Silicon Valley in den USA Konkurrenz machen soll.

Schon jetzt ist seine Wirtschaftskraft enorm. Wären die elf Städte im Mündungsgebiet des Perlflusses, darunter Shenzhen, Guangzhou, Hongkong und Macau, eine einzige Nation, dann zählte sie 108,5 Millionen Einwohner und erwirtschaftete ein Bruttoinlandsprodukt, das ungefähr in der Größenordnung Südkoreas liegt, der zwölftgrößten Volkswirtschaft der Welt. Die neue Brücke soll auch helfen, die etwas weniger gut entwickelte westliche Seite des Perlflussdeltas zu fördern.

Die Verbindung demonstriert auch die Fortschritte chinesischer Ingenieurskunst. Kurz hinter der Insel Lantau, auf der sich auch der Hongkonger Flughafen befindet, verschwindet die Brücke in einem rund 6,7 Kilometer langen Tunnel. Das unterirdische Bauwerk ermöglicht großen Lastschiffen die Querung. Auch durften die Brückenträger an dieser Stelle nicht zu weit in die Höhe ragen, weil sie sich noch in der An- und Abflugschneise des Hongkonger Flughafens befinden. An beiden Enden des Tunnels ließen die Konstrukteure künstliche Inseln aufschütten. In Hongkong und Zhuhai befinden sich jeweils Kontrollpunkte zur Aus- und Einreise. Das Bauwerk kostete laut chinesischer Regierung umgerechnet 15 Milliarden Euro, Kritiker sprechen von deutlich höheren Kosten. Auch zogen sich die 2009 begonnenen Bauarbeiten zwei Jahre länger hin als geplant.

China Staatspräsident Xi Jinping eröffnete am Dienstag die Brücke.
China Staatspräsident Xi Jinping eröffnete am Dienstag die Brücke.
© AFP

Die Brücke verkürzt die Fahrtzeit von Hongkong nach Zhuhai von mehreren Stunden auf rund 30 Minuten. Allerdings dürfen nicht viele Fahrzeuge die neue Strecke nutzen. Private Nutzer müssen für eine Sondergenehmigung schwierige Bedingungen erfüllen, zum Beispiel Fahrerlaubnisse für alle drei Städte besitzen. Was gar nicht so einfach ist, weil in Hongkong Linksverkehr herrscht. Eine der chinesischen Sondergenehmigungen soll im Sommer auf dem Schwarzmarkt für umgerechnet 62000 Euro verkauft worden sein. Das berichtete die Webseite Hong Kong Free Press. Die Brücke dient offenbar vor allem der Wirtschaftselite der Region. Die übrigen Reisenden sollen die Strecke in den öffentlichen Shuttlebussen befahren.

Vor allem auf Hongkonger Seite, wo Presse- und Meinungsfreiheit garantiert ist, wird auch Kritik an dem Bauwerk laut. „Das ganze Ding ist überflüssig“, sagte die oppositionelle Abgeordnete Claudia Mo. „Wir haben Verbindungen zu Lande, zur See und in der Luft, in jeder Weise, wie wir wollen – warum brauchen wir zusätzlich eine Brücke?“ Auch sind in Hongkong mehrere Anbindungsstraßen noch nicht fertig, weshalb die Anwohner nun ein Verkehrschaos beim Brückenende auf Lantau in der Nähe des Flughafens befürchten.

Zehn Bauarbeiter sind während der Arbeiten ums Leben gekommen, rund 400 wurden verletzt. Auch Umweltschützer kritisieren das Projekt, es habe die Population des bedrohten weißen Delfins um 40 Prozent auf nur noch einige Dutzend zurückgehen lassen.

Als das am Dienstag ein CNN-Reporter in seinem Fernsehbericht aus Zhuhai erwähnte, schwärzten sich in Peking plötzlich die Fernsehbildschirme. Die Zensur hatte zugeschlagen – es war eben eine Brückeneröffnung in China.

Zur Startseite