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Der klassische Sonntagsbraten.
© fotex

Konsum und Klima: Ein Lob dem Sonntagsbraten

Einmal in der Woche Fleisch essen, wie früher. Aus artgerechter Haltung, ohne Giftfutter. Das hilft der Gesundheit und der Umwelt. Würden alle Menschen auf der Welt so leben wie wir, bräuchte es allein für die Ernährung mindestens zwei Planeten.

Ein guter Braten braucht Liebe und viel Zeit. Damit sich der Aufwand lohnt, sollte das Fleisch gut sein. Er darf also auch etwas kosten. Noch vor 30 Jahren ist Fleisch vielerorts nur sonntags auf den Tisch gekommen. So ein Sonntagsbraten war ein Fest für die Augen, die Nase, den Gaumen und ein soziales Ereignis. Denn zum Braten hat sich die ganze Familie um den Mittagstisch versammelt, genossen, geredet und gelacht.

1980 hat der durchschnittliche Deutsche noch 30 Kilogramm Fleisch und Wurst pro Jahr gegessen. 2009 waren es rund 88 Kilogramm. Dazwischen war es auch schon mal mehr. Doch die BSE-Krise um die Jahrtausendwende und diverse Fleischskandale haben den stetigen Aufwärtstrend beim Fleischverzehr gebrochen. Aber selbst direkt nach der BSE-Krise waren es im Durchschnitt um die 80 Kilogramm pro Jahr.

Der massenhafte Konsum von Fleisch, Eiern und Milch bringt eine Vielzahl von Umweltproblemen, aber auch ethische Probleme mit sich. Und wie der Dioxin-Skandal – zum wievielten Mal eigentlich? – zeigt, bringt die billige Massenproduktion von Nutztieren auch noch Gesundheitsprobleme mit sich.

Würden alle Menschen auf der Welt, demnächst sieben Milliarden, so leben wie wir, bräuchte es allein für die Ernährung mindestens zwei Planeten. Etwa ein Drittel der weltweiten Treibhausgasemissionen stammen aus der Landwirtschaft. Das größte Problem für das Klima, die Artenvielfalt und die regionalen Wasserkreisläufe ist die Umwandlung von Urwäldern oder Mooren in landwirtschaftliche Nutzfläche. Solche Landnutzungsänderungen haben mit einem Anteil von sechs bis 17 Prozent den größten Anteil am Klimawandel. Die eigentliche landwirtschaftliche Produktion schlägt dann noch einmal mit 15 bis 16 Prozent zu Buche. Auch dort spielt die Tierhaltung eine wichtige Rolle. Nicht nur, dass Rinder, Schafe und Ziegen bei ihrer Verdauung Methan produzieren, ein gefährliches Klimagas. Viel schlimmer für das Klima ist der Anbau von Futtermitteln, für die Kunstdünger genutzt werden. Denn Kunstdünger produziert auf den Feldern Lachgas, dessen Klimawirksamkeit noch um ein Vielfaches höher liegt als die von Methan. Lachgas entsteht aber auch, wenn Moore entwässert werden. Deshalb spielt die Landnutzungsänderung in der Klimabilanz eine so große Rolle.

Die Tierhaltung ist aber nicht nur unter Klimagesichtspunkten ein Problem. Für die Futtermittelproduktion werden zudem riesige Mengen Wasser verbraucht. Und landwirtschaftlich genutzte Böden können Wasser viel schlechter speichern als Waldböden. Moralische Probleme bringt die Viehhaltung mit sich, weil viele Haltungsformen einfach Tierquälerei sind.

Schweine, die in winzigen Boxen allein gehalten werden, verbringen ein elendes Leben, bis sie schließlich ein Bolzenschuss erlöst. Hühner haben inzwischen zwar etwas mehr Platz als zu Zeiten der alten Legebatterien. Aber mit Lebensqualität hat eine Kleingruppenhaltung im Käfig noch immer nicht allzu viel zu tun.

Der Zwang billig zu produzieren wiederum ist für manche Futtermittelhersteller eine willkommene Einladung, jeden Dreck in die Tiertröge zu mischen. Es ist ja kein Zufall, dass fast alle Lebensmittelskandale der vergangenen 20 Jahre ihren Ausgangspunkt im Futter hatten.

Dabei ist gegen ein Rindersteak oder einen Sonntagsbraten überhaupt nichts einzuwenden. Das sagt zumindest die Berliner Tierärztin Anita Idel, eine der Autorinnen des Weltagrarberichts. Sie argumentiert, dass Kühe sogar einen Klimanutzen bringen könnten, wenn man sie denn Kühe sein ließe. Also Kühe, Schafe und Ziegen nur Gras fressen würden, wofür sie optimal geeignet wären. Etwa 40 Prozent der weltweiten Landflächen sind Grünland. Grasland, das nicht überweidet wird, kann beträchtliche Mengen Kohlendioxid (CO2) im Boden speichern. Nach Einschätzung von Hartmut Graßl, einem der Pioniere der deutschen Klimaforschung, können die Wälder und Grasländer der Welt etwa 2,5 bis 2,8 Gigatonnen CO2 pro Jahr aufnehmen.

Mit einer Rückkehr zum Modell Sonntagsbraten – es darf auch ein anderer Tag sein – und einem geringeren Verbrauch von Milchprodukten könnten die Deutschen gesünder sein und der Atmosphäre einen Dienst erweisen, argumentieren Alexander Popp, Hermann Lotze-Campen und Benjamin Bodirsky vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Denn ändert sich der Lebensstil in den Industrienationen nicht, und holen die Schwellenländer weiter in dem rasanten Tempo auf wie in den vergangenen 15 Jahren, würden die Emissionen von Methan und Lachgas bis 2050 um 75 Prozent im Vergleich zu 1995 steigen, haben die drei Wissenschaftler errechnet. Hartmut Graßl plädiert für den Sonntagsbraten, weil drei wichtige Faktoren bereits „jenseits des für die Erde Erträglichen“ angekommen seien. Der „Stickstoffkreislauf ist außer Rand und Band“, sagt er. Die Erdatmosphäre ist als Deponie für Treibhausgase überbeansprucht worden, und das Tempo, in dem Tier- und Pflanzenarten sowie ganze Lebensräume verloren gehen, übersteigt das Tempo der Evolution gewaltig.

Nun ist der Sonntagsbraten nicht die Lösung für all diese Probleme. Aber die Rückkehr zu einem Ritual, das – bei aller Angst vor Spießigkeit – für viele auch noch eine schöne Kindheitserinnerung ist, könnte diese Probleme etwas entschärfen. Denn es gehe auch darum, „eine Vorbildfunktion zu erfüllen“, sagt Popp. Es ist nicht zuletzt eine Frage der Gesundheit. Seltener Fleisch essen, dafür besseres, aus artgerechter Haltung, ohne Giftfutter. Sich etwas Besonderes leisten, etwas Teureres.

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