Panorama: Ein kanadischer Held
Superman ein Amerikaner? Von wegen. Der Muskelmann soll jetzt zurück zu seinen Wurzeln
Unter den kostümierten US-Superhelden gilt er als der amerikanischste, obwohl er der Legende zufolge vom fernen Planeten Krypton stammt. Aber wenn Superman alias Clark Kent in Comics, Zeichentrick- und Kinofilmen Bösewichte durch seine Heimatstadt Metropolis jagt, dann zweifelt kaum jemand daran, dass hier ein amerikanischer Kämpfer für das Gute die USA vor dem Untergang rettet: „Superman ist ein uramerikanisches Vorbild“, heißt es auf einer der zahllosen Fanseiten im Internet.
US-patriotisch geprägte Huldigungen wie diese ärgern den Zeichner und Autoren James Waley: „Superman hat kanadische Wurzeln!“, sagt er. „Es ist höchste Zeit, das endlich anzuerkennen.“ Waley lebt in Toronto, jener kanadischen Großstadt, aus der auch der Superman-Schöpfer Joe Shuster stammte – und die ihm Inspiration für seine Fantasiestadt Metropolis war. Dieser Hintergrund ist allerdings nach den ersten Superman-Comics in den 30er Jahren weitgehend in Vergessenheit geraten, nicht zuletzt dank der Hollywoodfilme der 70er und 80er, in denen Metropolis optisch mehr an New York als an Toronto erinnerte.
Deswegen werben der 54-jährige Waley und eine Gruppe von Comic-Fans aus Toronto jetzt dafür, die kanadischen Wurzeln des kostümierten Muskelmannes wieder in die Öffentlichkeit zu bringen. Sie haben einen „Shuster-Award“ ins Leben gerufen, mit dem jährlich kanadische Comiczeichner und -autoren geehrt werden. Die erste Preisverleihung fand vor kurzem in Toronto statt.
„Joe Shusters Jugend in Toronto war die Inspirationsquelle für sein ganzes späteres Werk“, sagt der Kanadier Waley über den Superman-Zeichner, der 1914 in Toronto geboren wurde und hier die ersten zehn Jahre seines Lebens verbrachte. Zwar zog er dann mit seiner Familie in die US-Stadt Cleveland; als er mit Anfang 20 gemeinsam mit dem Texter Jerry Siegel die Superman-Figur erfand, stand jedoch nicht Cleveland Pate für Metropolis, sondern eben Toronto, sagt Zeichner Waley.
Zum Beweis zitiert er aus einem Interview, das ein Freund von ihm vor 13 Jahren kurz vor Joe Shusters Tod mit dem Zeichner geführt hat: „Cleveland war lange nicht so großstädtisch wie Toronto; die Gebäude Torontos waren in meiner Erinnerung und wurden in meiner Arbeit zu Metropolis“, sagte Shuster damals. Die Wolkenkratzer, die Superman mit einem Satz überspringt, seien direkt der Skyline der kanadischen Metropole nachempfunden. Die Zeitung, bei der Supermans Alter Ego Clark Kent als Reporter arbeitet, war anfangs nach der Torontoer Zeitung „Daily Star“ benannt, bei der Shuster als Zeitungsjunge arbeitete. Erst später verlangte der US-Herausgeber die Umbenennung in „Daily Planet“. Und wer sich die ersten Superman-Hefte genau anschaut, sieht auf Shusters Zeichnungen sogar die Straßenbahn von Toronto zwischen den Häusern hindurchfahren.
„Das Problem von uns Kanadiern ist, dass wir oft zu bescheiden sind“, sagt Zeichner James Waley als Erklärung dafür, wieso die kanadischen Wurzeln des vermeintlich amerikanischen Helden so lange ungewürdigt blieben. Erst in den vergangenen Jahren habe sich die Stimmung gewandelt. So würdigte die kanadische Regierung Shusters Werk kürzlich erstmals in kleinen Werbespots, gemeinsam mit den Errungenschaften anderer kanadischer Berühmtheiten, die in der Öffentlichkeit lange für US-Amerikaner gehalten wurden.
„Dieser Zeichner aus Toronto legte die Grundlagen für die moderne amerikanische Comicindustrie, deren Folgen bis ins heutige Hollywood reichen“, sagt James Waley mit Anspielung auf aktuelle Verfilmungen diverser Comics. Deswegen solle Joe Shuster demnächst auch auf dem Torontoer „Walk of Fame“ geehrt werden, einem Fußgängerweg in Torontos Zentrum, auf dem signierte Sterne an kanadische Größen der nordamerikanischen Unterhaltungsindustrie erinnern.
Zu den Fans des kostümierten Superhelden gehört auch der kanadische Autor Mordecai Richler. Für ihn ist Superman nicht nur von der Herkunft seines Schöpfers her Kanadier, sondern auch von der Anlage seiner ambivalenten Persönlichkeit, wie sie Shuster und Siegel erdacht haben: Als Zivilist Clark Kent bescheiden und unscheinbar, aber als Superman ein universaler Held voller Stärke, Tempo und Durchhaltevermögen – eine Beschreibung, die Richler zufolge genau auf Kanada als Land zutrifft.
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