Peggys Überreste sind gefunden: Ein bisschen Gewissheit
Die Staatsanwaltschaft Gera bestätigt: Die Überreste der 2001 verschwundenen Peggy sind gefunden. Nun beginnt die zuvor von zahlreichen Pannen geprägte Suche nach den möglichen Tätern von Neuem.
Nun ist es sicher, und die oberfränkische Stadt Lichtenberg hat immerhin etwas Klarheit nach dem Verschwinden der neunjährigen Peggy vor eineinhalb Jahrzehnten: Die Teile der Leiche, die am Samstag von einem Pilzsammler im thüringischen Rodacherbrunn gefunden wurden, sind die sterblichen Überreste von Peggy Knobloch. Das hat die Staatsanwaltschaft Gera gestern Nachmittag mitgeteilt. Die gefundenen Knochen des Kindes wurden bei der Gerichtsmedizin Jena auf ihre DNA hin untersucht, diese stammt von Peggy. Der Fundort liegt 15 Kilometer von Peggys damaligem Wohnhaus entfernt.
Das Mädchen war am 7. Mai 2001 auf dem kurzen Heimweg von der Schule verschwunden und nie wieder aufgetaucht. Seit 15 Jahren kommen Peggys getrennt lebende Eltern und die Stadt nicht mehr zur Ruhe. Es kam zur Verurteilung eines verdächtigen Angeklagten, die aber Jahre später in einem Wiederaufnahmeverfahren aufgehoben wurde. Über andere mögliche Täter gab es ebenso Spekulationen wie darüber, dass Peggy möglicherweise zur Prostitution verschleppt worden ist und noch lebt. Die Mutter hatte das Kind bisher nicht für tot erklären lassen.
„Das hat mich jetzt alles total überrascht, das ist ja ein urplötzlicher Zufallsfund“, sagt der Autor Christoph Lemmer gegenüber dem Tagesspiegel. Lemmer hat über Jahre akribisch an dem Fall recherchiert und zusammen mit der Filmautorin Ina Jung ein Buch darüber geschrieben. „Der Fund widerspricht den bisherigen verschiedenen Spuren der Polizei nicht“, sagt er.
Staatsanwaltschaft und Polizei machten gestern aus ermittlungstaktischen Gründen keinerlei weitere Angaben. So ist lediglich bekannt, dass in dem Waldstück in Rodacherbrunn auch Gegenstände von Peggy gefunden wurden. Ob es sich dabei etwa um den Schulranzen oder ihre Uhr handelt, dazu äußern sich die Ermittler nicht. „Die möglichen Täter lesen auch Zeitung und schauen Fernsehen“, sagte der Bayreuther Oberstaatsanwalt Herbert Potzel. Am Vortag hatten die Behörden gesagt, dass der Fundort der Leiche nicht der Tatort ist.
Experte Christoph Lemmer hält den 2014 freigesprochenen Ulvi K. nicht für den Täter
Experte Christoph Lemmer hält zumindest den 2004 verurteilten und 2014 freigesprochenen Ulvi K. mit großer Sicherheit nicht für den Täter. Ulvi K. ist ein heute 38 Jahre alter geistig behinderter Mann aus Lichtenberg. Er hatte vor dem Verschwinden Peggys einen Jungen sexuell missbraucht. K. hatte ein Geständnis abgelegt und später widerrufen. Ebenso hatte ein Hauptbelastungszeuge aus dem Gefängnis seine Schilderung widerrufen, dass K. ihm gegenüber von dem Mord erzählt habe. Wegen der vielen Ungereimtheiten hatten sich Teile der Bevölkerung mit K. solidarisiert und eine Bürgerinitiative gegründet. Nach dem Gefängnis und einem Psychiatrieaufenthalt lebt er heute in einem Behindertenwohnheim.
„Ulvi K. scheidet meiner Ansicht nach aus“, sagt Lemmer. Denn im Wideraufnahmeverfahren habe sich gezeigt, dass er am Tag des Verschwindens von Peggy lediglich für eine halbe Stunde kein Alibi hatte. „Es ist fast ausgeschlossen“, schätzt Lemmer, „dass er in dieser Zeit den Mord begeht und die Leiche 15 Kilometer entfernt im Wald beseitigt.“
Nun geraten wiederum die anderen Verdächtigen ins Visier der jetzt auf 30 Personen aufgestockten Sonderkommission „Peggy – wenngleich laut Staatsanwaltschaft derzeit gegen niemanden ermittelt wird. Ein Nachbar von Peggy und ihrer Mutter war wegen einer Sexualstraftat vorbestraft. 2013 grub die Polizei in seinem Garten auf der Suche nach Knochen von Peggy – ohne Ergebnis. Auch war gegen einen Bekannten von Peggys Familie aus Halle ermittelt worden, der wegen sexuellen Missbrauchs seiner Tochter zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Auch dessen Adoptivbruder war im Visier.
Andere bekannte Fälle von verschwundenen Kindern sind „Maddie“ aus Großbritannien, die 2007 im Urlaub in Portugal verschwand. Und auch von der fünf Jahre alten Inga, die in Sachsen-Anhalt im Wald Holz sammeln wollte, fehlt weiterhin jede Spur. Bei Peggy hoffen die Ermittler, durch das Entdecken der Leiche und der Gegenstände den Täter zu finden. Nach zahlreichen Pannen bei den ersten Ermittlungen ist sich Christoph Lemmer sicher: „Die Polizei steht unter Beobachtung und weiß das auch, sie wird sich keine weiteren Blößen geben.“
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