Westafrika: "Ebola ist nicht unter Kontrolle"
Das Ebola-Virus schien in Teilen Westafrikas besiegt. Doch dann stirbt ein Baby - ein Rückschlag. Vor allem das Misstrauen der Bevölkerung erschwert die Arbeit der Helfer.
An Ostern starb in Sierra Leone ein neun Monate altes Baby. Es hatte sich mit dem tödlichen Ebola-Virus angesteckt - die erste Infektion seit hundert Tagen in der östlichen Region Kailahun. Selbst Experten wurden von der Nachricht überrascht, galt das Virus doch in Teilen Sierra Leones als besiegt. Der Kampf gegen die Ebola-Epidemie in Westafrika ist und bleibt ein ständiges Auf und Ab. „Die Epidemie war und ist nicht unter Kontrolle“, sagt Brice de le Vingne, der Leiter der für die Ebola-Gebiete zuständigen Projektabteilung von „Ärzte ohne Grenzen“ (MSF).
Warum ist es auch nach über einem Jahr so schwer, die Seuche in den Griff zu bekommen? Und warum hat etwa Liberia so große Fortschritte gemacht, während die Nachbarländer Guinea und Sierra Leone häufig Rückschläge zu verzeichnen haben? Nach Meinung von De le Vingne liegt das vor allem an der unterschiedlichen Herangehensweise und der Reaktion der betroffenen Länder. „In Liberia hat sich die Regierung sehr transparent verhalten - es wurde sehr diszipliniert gehandelt und ein Überwachungssystem eingerichtet, um die Übertragung des Virus nachvollziehen zu können“, sagt er.
Hermann Gröhe und Gerd Müller in Ebola-Gebieten
In Sierra Leone habe es zu Beginn des Ausbruchs hingegen viel mehr politischen Widerstand gegeben. „Jetzt versucht die Regierung endlich das Richtige zu tun, aber das braucht Zeit, um Wirkung zu zeigen.“ Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sagte am Dienstag auf einer Reise nach Ghana und Liberia, bei der Ebola-Hilfe sei einiges schief gelaufen. Mit Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) ist Gröhe zurzeit in Westafrika, um sich ein Bild von der Lage zu machen.
Um schneller auf ähnliche Epidemien reagieren zu können, plant die Bundesregierung nach Angaben von Müller eine Weißhelm-Truppe aus Ärzten, Technikern und Spezialisten. Die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) soll das Team zusammenstellen. Die Bundesregierung will außerdem für 2015 und 2016 insgesamt gut 200 Millionen Euro für ein Soforthilfeprogramm im Gesundheitswesen für ganz Afrika zur Verfügung stellen.
Entwicklungsminister Müller erzählt von Hexerei und Voodoo
Die Sprecherin des Roten Kreuzes in Afrika, Katherine Mueller, sagt, eines der derzeit am schwersten betroffenen Gebiete sei der Westen von Sierra Leone, inklusive der dicht besiedelten Hauptstadt Freetown. „Wenn die Menschen in so stark bevölkerten Regionen unsere Botschaften nicht beachten - wie etwa Leichen nicht zu berühren - dann bleibt die Ansteckungsgefahr natürlich hoch.“ Liberia, Sierra Leone und Guinea seien sehr verschieden bezüglich ihrer Geschichte und ihrer Kultur. Viele Menschen seien misstrauisch gegenüber den Behörden. „Etwa in Teilen von Guinea haben die Leute ihre ganz eigene Art, mit Krankheiten umzugehen, darunter auch die Befragung traditioneller Heiler sowie der Einsatz von Hexerei und Voodoo“, sagt Müller.
Erst nachdem Mitarbeiter des Roten Kreuzes die Heiler und religiösen Führer in langen Gesprächen über die Gefahren von Ebola aufgeklärt hätten, habe auch die Bevölkerung damit begonnen, die so dringend angeratenen Präventionsmaßnahmen zu befolgen, und den Ernst der Lage zu erkennen.
Höhepunkt der Epidemie überschritten
Die bisherige Bilanz ist mehr als erschreckend: Weltweit sind nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in den vergangenen 16 Monaten über 10 400 Menschen durch das Virus ums Leben gekommen. Dennoch: Der Höhepunkt der Epidemie scheint überschritten.
Um den Ausbruch gänzlich zu beenden, bedarf es Experten zufolge mehrerer Aspekte. Mueller ist überzeugt: „Was letztlich zum Sieg über das Virus führen wird, ist Erziehung.“ Besonders wichtig sei dabei, auch in abgelegenen Regionen weiter Aufklärung zu betreiben. Vor allem der Umgang mit Toten sei wichtig. Es gelte, sichere und menschenwürdige Beerdigungen zu organisieren. Gleichzeitig müssten die Helfer all jene aufspüren und überwachen, die mit einem Ebola-Patienten in Kontakt gekommen seien. Allein das Rote Kreuz sei zu diesem Zweck mit 4000 freiwilligen Mitarbeitern im Einsatz.
„Das Wichtigste ist jetzt epidemiologische Überwachung“, sagt auch De le Vingne. „Aber das ist keine einfache Aufgabe. Es ist ein bisschen wie Detektivarbeit.“ Es gelte dabei, eine vollständige Liste von Kontaktpersonen zu erstellen, mit denen jeder infizierte Patient in Berührung gekommen ist. Aber auch hier komme Ärzten und Helfern wieder das Misstrauen der Menschen in die Quere, sagt der MSF-Experte: „In Guinea kommt es oft vor, dass die Kranken ihre Kontakte nicht preisgeben wollen. Es ist ihnen suspekt, weil sie nicht wissen, was wir mit den betreffenden Personen machen werden.“ (dpa)