Die Seuche in Spanien: Ebola greift Europa an
Nach der ersten Infektion in Spanien schließen die Behörden weitere Fälle nicht aus. Das Pflegepersonal sieht die "Spar-Axt" der Regierung als Ursache für mangelnde Behandlungsmöglichkeiten.
Hinter den Fensterscheiben sieht man Gestalten in gelben Schutzanzügen vorbeihuschen. Dort oben im sechsten Stockwerk des Madrider Krankenhauses Carlos III. kämpft auf der Isolierstation eine spanische Krankenschwester um ihr Leben, die sich in diesem Hospital bei der Pflege von zwei Ebola-Kranken mit dem tödlichen Virus angesteckt hat. In der Nacht zum Dienstag war sie per Rettungswagen und begleitet von einer Polizeieskorte eingeliefert worden.
Schon vom frühen Morgen an ist die Stimmung vor dem Haupteingang des rotbraunen Backsteinbaus, der zwischen einem großen Einkaufszentrum und Madrids Prachtallee Paseo de la Castellana liegt, äußerst gespannt. Vor dem Eingang warten Dutzende Kamerateams. Hinter dem offenen Gittertor stehen Wachleute und kontrollieren den Zugang.
Dieses schon etwas in die Jahre gekommene Krankenhaus erlangte über Nacht traurige Berühmtheit als die „Eingangstür des Ebola-Virus in Europa“, wie es ein TV-Kommentator nennt. In diesem Hospital steckte sich die 44-jährige Hilfskrankenschwester an, von der man nur den Vornamen Teresa kennt. Sie gilt als das erste Opfer, das sich außerhalb Afrikas infizierte. Ihr Zustand wurde am Dienstag als stabil bezeichnet.
Teresa gehörte zu jenen 30 Ärzten und Pflegern, die hier im August und September zwei spanische Missionare pflegten, die sich um Ebola-Kranke gekümmert und dadurch angesteckt hatten. Die beiden Ordensbrüder, welche von der spanischen Regierung mit Rettungsflügen aus Sierra Leone und Liberia evakuiert worden waren, überlebten nicht. Der 75-jährige Geistliche Miguel Pajares starb am 12. August in diesem Krankenhaus, sein 69-jähriger Glaubensbruder Manuel García Viejo am 25. September.
Teresa wurde zunächst mit einem Bettlacken "isoliert"
Auch sie rangen im sechsten Stockwerk dieses Stadtkrankenhauses, das auf Infektionskrankheiten spezialisiert ist, um ihr Leben. Und Teresa zwängte sich damals für ihre Versorgung in jenen unbequemen und als wenig sicher geltenden gelben Schutzanzug mit weißer Haube, den nun auch ihre Pfleger tragen. Diese berichten schon während der Behandlung der Missionare von „Improvisation“, „Unregelmäßigkeiten“ und „Verstößen gegen die Sicherheitsvorschriften“ auf der Krankenstation. So sollen Sicherheitshandschuhe mit Klebeband an den Anzügen befestigt worden sein.
Draußen, neben dem Eingangstor, hängt am Zaun ein Protestschild der Belegschaft mit der Aufschrift „Rettet das Krankenhaus Carlos III.“. Das öffentliche Hospital leidet wie Spaniens gesamtes staatliches Gesundheitssystem unter dem harten Sparkurs der konservativen Regierung. Belegschaft, medizinische Materialien und Betten wurden gnadenlos zusammengestrichen.
Regelmäßig berichten die spanischen Medien über „haarsträubende Zustände“. Ein Foto von der provisorischen Abschottung der Ebola-Kranken Teresa, die zunächst in einem anderen Krankenhaus in Madrid untersucht und mit einem zwischen zwei Wänden aufgehängten Bettlaken von anderen Patienten „isoliert“ worden war, spricht für sich. Inzwischen wurden drei weitere Personen, bei denen ein Verdacht auf Ebola-Ansteckung vorliegt, ins Carlos III. verlegt.
Die vorgeschriebene engmaschige Gesundheitskontrolle jenes Pflegepersonals, das mit Ebola-Patienten in Berührung kommt, scheint in Spanien lax gehandhabt zu werden. Krankenschwester Teresa hatte nach dem Tod des Ebola- Kranken Viejo einige Tage Urlaub genommen. Am 30. September meldete sie sich mit leichtem Fieber beim Hospital und wurde – ohne einen Ebola-Test – wieder nach Hause geschickt. Erst sechs Tage später wurde eine entsprechende Blutuntersuchung gemacht. Inzwischen stehen 52 Angehörige, Freunde und Kollegen von Teresa unter Beobachtung.
Unterdessen gerät Spaniens konservative Gesundheitsministerin Ana Mato immer mehr unter Beschuss: In einer spontanen Demonstration vor dem Eingang der Klink Carlos III. forderten am Dienstagmittag Pfleger und Ärzte den Rücktritt der Ministerin. Sie sei dafür verantwortlich, dass das Krankenhaus mit der Spar-Axt „zerschlagen“ worden sei. Ein Gewerkschaftssprecher bezeichnete die Klinik als „provisorisches Feldlazarett“.