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Dominique Strauss-Kahn.
© AFP

Komplottverdacht: Dominique Strauss-Kahn: Der Tag, der alles veränderte

Der Journalist Edward Jay Epstein hat in der „New York Review of Books“ und der „Financial Times“ irritierende Details über die vermeintliche Vergewaltigung eines Zimmermädchens durch Dominique Strauss-Kahn veröffentlicht.

Es ist unwahrscheinlich, dass sich für Dominique Strauss-Kahn das Blatt wendet. Zahlreiche Vorwürfe und Affären haben ihn vollends diskreditiert. Aber was der Journalist Edward Jay Epstein für die „New York Review of Books“ und die „Financial Times“ recherchiert hat, könnte einer Verschwörungstheorie Vorschub leisten. Edward Jay Epstein, geboren 1935, ist ein investigativer Journalist in New York, der regelmäßig für das bedeutende Nachrichtenportal „The Daily Beast“ recherchiert. Er hat zahlreiche Bücher über die Ermordung John F. Kennedys geschrieben und geht vor allem Themen nach, bei denen es Ungereimtheiten gibt.

Am 14. Mai 2011, dem Tag, der alles veränderte, hat Strauss-Kahn, damals Chef des Internationalen Währungsfonds, laut Epstein am Morgen eine SMS von einer Freundin bekommen, die vorübergehend im Pariser Büro von Präsident Nicolas Sarkozys Partei UMP arbeitete. Sie habe ihn gewarnt, dass mindestens eine Mail, die er von seinem Smartphone gesendet hat, vom Büro der UMP gelesen worden sei. Strauss-Kahn, der befürchtet habe, elektronisch überwacht zu werden, habe daraufhin seine Frau angerufen mit der Bitte, einen Freund zu beauftragen, dass dieser einen Experten sein Smartphone untersuchen lässt.

Bisher bekannt war, dass Dominique Strauss-Kahn in der Präsidentensuite des Hotels Sofitel in New York gegen 12 Uhr unter die Dusche geht, dass zwischen 12 Uhr 6 und 12 Uhr 7 das Zimmermädchen Nafissatou Diallo die Suite betritt und es in den kommenden sechs bis sieben Minuten laut Staatsanwaltschaft zu einer "hastigen sexuellen Begegnung" kommt, deren Einvernehmlichkeit strittig ist. Um 12 Uhr 13 ruft er seine Tochter an, um ihr zu sagen, dass er sich ein wenig verspäte. Fünf Minuten später verlässt er das Hotel.

Nach den Recherchen Epsteins, der sich auf die Schlüsselkartendaten und die Videoaufnahmen der Überwachungskameras stützt, kehrt Diallo zwei Minuten später in die Suite zurück, geht wieder auf den Flur, trifft ihre Vorgesetzte. Eine halbe Stunde nach dem Vorfall benachrichtigen beide das Sicherheitspersonal. Diallo fährt ins Erdgeschoss. An ihrer Seite ist ein unidentifizierter Mann. Es kommt zu Besprechungen mit Sicherheitschef Adrian Branch sowie dem Cheftechniker Brian Yearwood. Epsteins Recherche legt nahe, dass um 13 Uhr 3 der Sicherheitsexperte des Sofitel-Mutterkonzerns Accor, John Sheehan, seinen Vorgesetzten René Querry anruft. Querry ist zu diesem Zeitpunkt in Paris auf dem Weg zu einem Fußballspiel, bei dem er in Sarkozys VIP-Lounge sitzen wird. Was Epstein stutzig macht: Sheehan hätte eigentlich den für Notfälle an diesem Wochenende zuständigen Xavier Graff kontaktieren können.

Um 13 Uhr 31 – eine Stunde, nachdem Diallo erstmals der Vorgesetzten von den Vorgängen mit Strauss-Kahn berichtet hatte – ruft der Sicherheitschef des Hotels die Polizei. Weniger als zwei Minuten nach dem Anruf bei der Polizei gehen Cheftechniker Yearwood sowie der unidentifizierte Mann vom Beginn der ersten Besprechung in einen Nebenbereich. Dort klatschen sie sich ab und vollführen drei Minuten lang einen Jubeltanz.

Um 14 Uhr 4 treffen laut Epstein Polizisten ein. Diallo erzählt, dass Strauss-Kahn sie ins Schlafzimmer gezerrt habe, und weiter über den Flur bis zur Badezimmertür – eine Entfernung von zwölf Metern. Er habe dort versucht, sie anal und vaginal zu vergewaltigen und sie danach zwei Mal zur Fellatio gezwungen. Danach sei sie aus der Suite geflohen. Während sie das erzählt, sucht Strauss-Kahn auf dem Flughafen seinen Blackberry. Laut Epstein geht aus den Unterlagen des Blackberry-Dienstes hervor, dass bereits um 12 Uhr 51 jemand das Gerät abgeschaltet hat. Dominique Strauss-Kahn ruft im Hotel an, um zu fragen, ob dort jemand sein Gerät gefunden hat. Er weiß offenkundig nicht, was sich die ganze Zeit im Hotel abgespielt hat. Dem Angestellten im Hotel sagt er, dass er sich auf dem Kennedy-Flughafen befindet. Um 16 Uhr 45 lässt die Polizei Strauss-Kahn auf dem Flughafen ausrufen und nimmt ihn fest.

Epstein verweist auf eine zusätzliche Unregelmäßigkeit: Das Protokoll der Zimmerschlüssel belegt, dass zwischen 12 Uhr 5 und 12 Uhr 6 nicht eine Person die Suite betrat, sondern zwei. Um 12 Uhr 5 betritt der Service-Mitarbeiter Syed Haque den Raum, eine Minute später das Zimmermädchen. Er sei ins Esszimmer der Suite gegangen, sagte Haque. Er weigerte sich, von Strauss-Kahns Anwälten befragt zu werden. Da die Schlüsselkarten nur das Betreten, nicht aber das Verlassen der Suite protokollieren, kann nicht gesagt werden, wie lange nach 12 Uhr 5 dieser Mann noch im Raum war. Seinen Angaben zufolge wollte er das Frühstücksgeschirr abräumen. Zwischen 12 Uhr 6 und 12 Uhr 13 kam es zu der Begegnung von Strauss-Kahn und Diallo.

Um 15 Uhr 57 – mehr als drei Stunden, nachdem das Sicherheitspersonal verständigt wurde – trifft Diallo im Krankenhaus ein, wo sie auf die mutmaßliche Vergewaltigung untersucht wird.

Ein wichtiges Indiz wäre das verschwundene Blackberry von Strauss-Kahn. Er selber hätte ein Interesse daran, dass es untersucht wird. Es ist bis heute verschwunden. Wer hat es gefunden? Oder genommen? Es war offenbar bei DSK in der Suite. Die Person, die es genommen und abgeschaltet hat, hat damit nicht telefoniert. Sie hat nur mit dem Abschalten dafür gesorgt, dass es nicht geortet und untersucht wird.

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