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Dieter Bohlen als DSDS-Juror.
© picture alliance / dpa

60. Geburtstag: Dieter Bohlen schlägt alles

Dieter Bohlen sagt, was er denkt. Und tut, was er sagt. Früher war er sogar einmal in der DKP, der Deutschen Kommunistischen Partei. Aber das ist lange her. Heute wird der Musikkapitalist 60 Jahre alt.

Für seine Feinde ist Dieter Bohlen ein ganz schlimmer Sünder. Feinde hat er viele, von seinen vielen Sünden, angeblich oder wahr, hat er nur eine öffentlich bekannt, eine Jugendsünde. „Dass man als Teenie gegen den allmächtigen Papa in seinem Mercedes rebelliert und eine rote Fahne mit Hammer und Sichel hisst, ist normal in der Pubertät“, sagte er einmal. Für den Sohn eines Hydraulik-Ingenieurs und Bauunternehmers in Berne bei Oldenburg war es auch normal, dass er in die Deutsche Kommunistische Partei eintrat. Dort war er nur sehr kurz Mitglied, sehr allmählich und dann sehr radikal änderte sich sein Sinnen und Trachten: Dieter Bohlen wollte Musikkapitalist werden. Heute steht fest, dass er es geschafft hat.

Dieter Bohlen hatte einmal eine Arschloch-Phase. Die ist aber vorbei.

Sehr grob lässt sich sein Leben in drei Phasen unterteilen: singender Vokuhila, Arschloch-Phase, Godfather des Pop-Entertainments. Bohlen ist Akademiker, nicht nur eigentlich. Nach einer glänzenden Schullaufbahn machte er bereits mit 17 Abitur, um anschließend Betriebswirtschaft an der Universität Göttingen zu studieren. 1978 schloss er als Diplom-Kaufmann ab. Der Mann beherrscht sehr viel mehr als die Grundrechenarten. Noch während des Studiums stieg er ins Musikgeschäft ein. Mit seinem Freund Holger bildete er das Duo „Monza“, er schrieb Songs wie andere Fast Food verschlingen. Er versorgte Katja Ebstein, Roland Kaiser und Bernd Clüver mit Singbarem, 1982 bekam er für die Ricky-King-Produktion „Happy Guitar Dancing“ seine erste goldene Schallplatte.

Modern Talking brachten für Dieter Bohlen den Durchbruch

Alles Peanuts, mit Thomas Anders ging’s Richtung Welterfolg. Als erfolgreichste deutsche Popgruppe haute „Modern Talking“ einen Megahit nach dem anderen raus. „You’re my heart, you’re my soul“, „Cheri, Cheri Lady“ oder „Brother Louie“ hießen die Stücke, die jeder kannte und nur wenige wirklich kennen wollten. Lieder wie Luftblasen, die der blonde Vokuhila-Bohlen komponierte und der dunkelhaarige Vokuhila-Anders (eigentlich Bernd Weidung) sang. Beide wurden reich, miteinander glücklich blieben sie nicht. Es folgte eine sehr hässliche Trennung, mit seiner neuen Band „Blue System“ tourte Bohlen 1989 und 1990 durch die UdSSR, Bohlen wurde als Megastar gefeiert und als „Held der russischen Jugend“ dekoriert. Dann war auch dieser Kommunismus erledigt.

Diesen Song von Modern Talking muss man sich einfach nochmal antun

So radikal, wie Chefmensch Bohlen mit seinen Partnern umsprang, so ging er mit den Frauen um. Nadja Abdel Farrag verabschiedete er für eine Blitzhochzeit mit Verona Feldbusch in Las Vegas. Vier Wochen später kam das Ehe-Aus, eine Schlammschlacht in den (Boulevard-)Medien schloss sich an. Dieter Bohlen, der sich für unbesiegbar hielt, kam als schlüpfriger Ostfriesenwitz raus.

Modern Talking feierten das größte Comeback der Musikgeschichte

Irgendwann wurde eine Art Frieden geschlossen, auch mit Thomas Anders. „Modern Talking“ feierte das größte Comeback der Musikgeschichte, bis Ende 2002 erhielt das Duo über 400 Gold-, Platin- und Doppelplatinauszeichnungen. Da war Bohlens Arschlochphase noch nicht abgeschlossen. Der ersten Autobiografie „Nichts als die Wahrheit“, geschrieben mit der „Bild“-Kolumnistin Katja Kessler, folgte eine zweite, „Hinter den Kulissen“, in der er – wieder unter der Federführung von Katja Kessler – über zahlreiche Prominente ablästerte und mit seinem Ex-Partner Anders abrechnete. Streit, Prozess, eine 60 000-Euro-Zahlung für karitative Zwecke. Bohlen meinte da noch, dass einer, der sich das Maul nicht verbieten lässt, automatisch clevere bis kluge Sachen sagt.

Mit Thomas Anders 1985.
Mit Thomas Anders 1985.
© picture-alliance / dpa

So ein Spaltpilz gehört ins Fernsehen, ins Boulevardfernsehen, zu RTL. Dieter Bohlen wurde Juror von „Deutschland sucht den Superstar“. Nur ein Beispiel aus seinen Scharfrichter-Sprüchen: „1 ist supergut, 10 ist superscheiße, du bist 7895.“ Er polarisierte im Superlativ. Kirchenvertreter, Jugendschützer, Bohlen brachte alle Pädagogen dieser Welt auf die Barrikaden. Aber die Kids, die respektierten ihn. Klar, aus Schadenfreude, aber eben auch, weil da einer nicht säuselte, sondern klare Kante sprach, zugleich nicht wenige Sieger der Castingshow „vergoldete“. Vordergründig war und ist „DSDS“ auch in der elften Staffel grobkörnige Unterhaltung, hintergründig ist die Castingshow eine Leistungsschau in einer Leistungsgesellschaft. Bohlen streichelt nicht, er sagt, was er selbst erlebt und erlitten hat: Ohne den absoluten Willen zur Leistung geht gar nichts. In seinen eigenen Worten: „Das Musikgeschäft ist härter geworden, ich auch. Aber meine Sprüche sind nicht menschenverachtend. Ich sage den Kandidaten, dass sie nicht gut genug sind,“ sagte er der „Bunten“. Er blamiert sie, vielleicht in der Hoffnung, dass sie sich nicht weiter zum Affen machen wollen.

Mit Nadja Abdel Farrag 1996.
Mit Nadja Abdel Farrag 1996.
© picture-alliance / dpa

Dieter Bohlen wurde zum „Godfather“ des Entertainments. Der Komponist und Produzent hat den Schlagerstars Andrea Berg und Helene Fischer Millionenseller von provozierender Einfachheit beschert, da mögen die Liedgut-Schaffenden vor Zorn aufschreien, so laut sie können. „Money is the real thing“, lautet eines der unumstößlichen Dieter-Prinzipien. Konsum kommt vor Kunst, könnte ein weiteres sein. Bohlen steht für Schlager-Pop, der künstlerisch nicht wertvoll und kommerziell ungemein erfolgreich ist.

2008 war der Zeitpunkt für ein neues Bekenntnisbuch gekommen: Bohlen legte – ohne Koautorin – das Buch „Der Bohlenweg. Planieren statt Sanieren“ in die Regale. Bei Gott keine Anleitung für Kuschelmenschen, Helicopter-Eltern, Warmduscher, es ist das unverblümte Werk eines pragmatischen Egoisten. Im Heer der Allen-gefallen-Woller ist Bohlen eine Ausnahme. Als Virtuose der Selbstvermarktung warb der Mann mit der eingeschweißten Mallorca-Bräune und den dauerweißen Zähnen für MakroMarkt, O2, s.Oliver, Müller Milch, seine eigene Parfümkreation hieß natürlich „Provocation“. Eine Tapeten- und eine Modelinie hat er auf den Markt gebracht. „Ich bin so erfolgreich, weil ich Dinge mache, die der breiten Masse gefallen“, hat er der „Bunten“ gesagt. Er habe einen ziemlich guten Mainstream-Geschmack. „Das ist bei der Musik so, das ist im Fernsehen so, das ist bei meinen Klamotten so.“ Er gibt den durchschnittlichen Konsumenten, was sie wollen.

Das ist es, was Bohlen so sympathisch und gleichzeitig so unsympathisch erscheinen lässt: Er sagt, was er meint. Er meint tatsächlich das, was er sagt. Er tut, was er meint und was er sagt. Bohlen ist eine Marke, Person und Image sind zur inneren Einheit gebracht worden.

Seine mittlerweile fünf Kinder und seine Oma liebt er. Frauen liebt er auch, mal diese, mal jene. Aktuell ist er mit Fatma Carina Walz, Jahrgang 1984, verheiratet. Dieter Bohlen wird heute 60.

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