Heilmittel: Die Zulu sollen nicht mehr leer ausgehen
Wenn sie Heilmittel aus fernen Ländern nutzen, sollen Firmen künftig dafür zahlen – das beschloss der Bundestag und setzte damit ein internationales Vertragswerk in deutsches Recht um.
Mit der Gründung einer gemeinnützigen Stiftung, die Kinder in Südafrika unterstützt, wird das Pharmaunternehmen Dr. Willmar Schwabe in Zukunft womöglich nicht mehr davonkommen, wenn es einen Bestseller wie Umckaloabo auf den Markt bringt. Der Karlsruher Phytopharmakonzern hat 2005 für den Hustensaft aus der südafrikanischen Kapland Perlargonie (Pelargonium sidoides) eine Zulassung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte bekommen. Die Zulu, von denen ein heilkundiger Mann das Wissen über die heilende Wirkung der Pflanze bei Lungenkrankheiten schon im 19. Jahrhundert einem britischen Arzt verraten hatte, sind allerdings leer ausgegangen. Das soll das Nagoya-Protokoll in Zukunft verhindern. Am Donnerstag hat der Bundestag die deutsche Umsetzung des internationalen Vertragswerks beschlossen.
Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) freute sich: „Das Nagoya-Protokoll hilft, die illegale Nutzung genetischer Ressourcen von Tieren und Pflanzen zu bekämpfen. Das ist wichtig für den Naturschutz, insbesondere in Entwicklungsländern.“ Dagegen kritisiert die Opposition schon länger, dass „weder die vorliegende EU-Verordnung noch das deutsche Umsetzungsgesetz dem Geist des Nagoya-Protokolls“ entspreche, argumentiert die grüne Bundestagsfraktion. Denn nur genetische Ressourcen, die nach dem Inkrafttreten des Nagoya-Protokolls am 12. Oktober 2014 gefunden werden, fallen unter das neue Gesetz. Wenn also eine neue Anwendung für den südafrikanischen Rotbusch (Roibusch) gefunden wird, müsste die Firma, die sie vermarktet, auch weiterhin nichts an Südafrika bezahlen.
Richtig zufrieden ist mit der Umsetzung eigentlich niemand. Die Industrie klagt über Einschränkungen und Bürokratie, die Forschung über Rechtsunsicherheit und die Entwicklungsländer über Schlupflöcher. Das zeigte sich bei der Anhörung über den Regierungsgesetzentwurf im Umweltausschuss. Da gab Hartmut Meyer von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) zu bedenken, dass es die deutsche Rechtslage erlaube, „deutsche Patente zu vergeben, die auf illegalem Zugang oder unrechtmäßiger Nutzung von genetischen Ressourcen und damit verbundenem traditionellem Wissen beruhen“. Weiter warnte er: „Diese Möglichkeit ist im entwicklungspolitischen Kontext nur schwer vermittelbar.“ Das dürfte grob untertrieben sein.
In Ländern mit einem großen Schatz genetischer Ressourcen wie Brasilien wächst die Wut auf die „Biopiraterie“ der Industriestaaten. Dabei hatte das ganze beim Erdgipfel in Rio 1992 vielversprechend angefangen. Mit der Konvention zum Schutz der biologischen Vielfalt (CBD) sollte der Naturschutz gestärkt und Entwicklungsländern ein „gerechter Vorteilsausgleich“ (Access and Benefit Sharing) angeboten werden. Nachdem sich lange wenig bewegt hatte, begannen die Verhandlungen über das Nagoya-Protokoll, die erst 2010 endeten. Seither haben Entwicklungs- und Schwellenländer Gesetze vorbereitet, unter welchen Bedingungen Forscher oder Unternehmen Zugang zu genetischen Ressourcen bekommen. Die Industrieländer haben Gesetze vorbereitet, die diese Regeln garantieren sollen.
In Deutschland ist für die Umsetzung das Bundesamt für Naturschutz (BfN) zuständig. Doch das leidet nicht nur darunter, dass die EU-Verordnung noch nicht konkretisiert worden ist. Die Industrie, bei der Anhörung durch die Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie vertreten, kritisiert, dass nicht klar sei, wann eine biologische Ressource als genetische Ressource zu werten sei. Das ist deshalb relevant, weil ein Heilmittel zwar womöglich aus einer Pflanze entwickelt, später aber synthetisch hergestellt wird.
BfN-Abteilungsleiter Dietrich Jelden hat aber nicht nur mit schwammigen Rechtsbegriffen ein Problem. Mit den zweieinhalb Stellen, die das BfN bekommen hat, um die Umsetzung des Nagoya-Protokolls zu gewährleisten und vor allem die Forscher bei der Einhaltung der Regeln zu beraten, sei ein „völker- und europarechtskonformer Vollzug“ nicht zu schaffen, kritisierte er.
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