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Küste ohne Schutz. Dieses Foto einer vom Taifun verwüsteten Insel in der zentralphilippinischen Provinz Samar zeigt beispielhaft den fehlenden Schutz. Die Mangrovenwälder sind verschwunden, die hellen Flecken im Meer zeigen, dass viele Sedimente in die Seegraswiesen geschwemmt worden sind, und selbst die Korallenriffe etwas weiter draußen sind teilweise mit Sand bedeckt.
© REUTERS

Nach dem Taifun Haiyan: Die hausgemachte Katastrophe

Mangroven und Korallen schützen die Küste vor Stürmen – was die Philippinen falsch gemacht haben. Der Inselstaat hat 70 Prozent seiner Wälder verloren - an die Holzindustrie, an den Bergbau, die Bauern und als Brennholz.

Fast 4000 Tote, hunderttausende Obdachlose, und noch immer hat die Hilfe nicht alle Opfer des verheerenden Taifuns Haiyan erreicht, der am Freitag vor einer Woche über den Inselstaat gefegt war. Die Ungeduld der Sturmopfer ist inzwischen so groß, dass sich Präsident Benigno Aquino persönlich angegriffen sah. Er übernahm deshalb am Montag das Kommando über den Hilfseinsatz. Er beschloss nach einem Besuch im Katastrophengebiet, so lange selbst vor Ort zu bleiben, bis die Opfer der Naturkatastrophe angemessen versorgt sind. Er übernachtete in der verwüsteten Stadt Tacloban. Aquinos Entscheidung, vor Ort zu bleiben, sei spontan gefallen, hieß es.

Mehrere tausend Kilometer von Aquino entfernt in Warschau ging derweil der Chef der philippinischen Verhandlungsdelegation beim Weltklimagipfel, Yeb Sano, in die zweite Woche seines Hungerstreiks, den er bei der Eröffnung der Konferenz am 11. November angekündigt hatte. Im Interview mit dem Evangelischen Pressedienst sagte Sano am Montag: „Es gibt sehr deutliche Hinweise, dass Tropenstürme infolge der Erderwärmung heftiger werden. Allein dass es diese sehr gut begründete Vermutung gibt, zwingt uns zum Handeln.“ Zu warten, „bis die Zusammenhänge hundertprozentig wissenschaftlich erforscht sind“, könne viele weitere Menschen das Leben kosten, argumentiert er. „Der Klimawandel ist ganz offensichtlich eine tödliche Gefahr für die Menschen in meiner Heimat.“

Es gibt allerdings neben den globalen Umweltveränderungen auch lokale Ursachen für die Verwundbarkeit der Philippinen für Wetterkatastrophen wie Taifune, Überschwemmungen und Erdrutsche. Bevor die 7000 Inseln, die heute den Staat Philippinen bilden, kolonisiert worden sind, waren 90 Prozent der Flächen von Wald bedeckt. Damals hatten die Philippinen 1,5 Millionen Einwohner. 2012 waren es 96 Millionen Einwohner, und die Waldfläche ist auf etwa 20 Prozent geschrumpft, vom Regenwald sind keine fünf Prozent mehr erhalten.

Vor der Kolonialisierung waren die Inseln zu 90 Prozent von Wald bedeckt

Nach Einschätzung des philippinischen Netzwerks mehrerer Umweltorganisationen, Kalikasan (Netzwerk der Völker für die Umwelt) ist die bereits drastische Entwaldung der Philippinen bis 1940 das Werk der Kolonialmächte gewesen. In der Zeit der Diktatur von Ferdinand Marcos, der von 1965 bis 1986 regierte, war die Entwaldungsrate besonders hoch. Marcos hatte internationalen Holzfirmen viel zu viele Einschlaglizenzen ausgestellt, weitere Konzessionen wurden von seinen politischen Verbündeten großzügig verteilt. Von 1969 bis 2003 verloren die Philippinen nach Informationen des Entwicklungsministeriums jedes Jahr 100 000 Hektar Wald. Abgesehen von den Holzfällern, die das Holz vor allem in die USA und nach Japan exportierten, sind die Wälder der Brandrodung zum Opfer gefallen, um Platz für landwirtschaftliche Flächen zu machen. Die Regierungen haben zudem Bergbaulizenzen in den verbliebenen Waldgebieten vergeben.

Die Entwaldung hat dramatische Auswirkungen für die Inseln. Die Böden können bei Starkregen das Wasser nicht speichern, die Böden werden einfach mitgeschwemmt und ins Meer gespült. Dort tragen sie zur Versandung der Seegraswiesen bei, eine wichtige Kinderstube der Fische. Die Sedimente werden bis in die Korallenriffe gespült, die schon wegen der höheren Meerestemperaturen und der Versauerung der Meere geschwächt sind. Weil die Meere einen Großteil des in die Atmosphäre geblasenen Kohlendioxids aufnehmen, hat sich der Säuregehalt der Meere verändert. Für Lebensformen, die Kalkstein bilden, wie Korallen oder Muscheln, ist das ein Problem, an das sie sich so schnell, wie die Veränderung stattfindet, kaum anpassen können. 60 Prozent der Korallenriffe sind stark geschädigt, allerdings auch weil die Dynamitfischerei bis vor kurzem noch gang und gäbe war.

Korallenriffe und Mangroven schützen die Küsten - ganz natürlich

Die Korallenriffe und die Mangrovenwälder entlang der rund 36 000 Kilometer Küsten sind jedoch ein wirksamer natürlicher Küstenschutz. In der sogenannten Teeb-Studie, die den wirtschaftlichen Wert von Naturlandschaften bewertet hat, werden die Mangroven als Schutz vor Sturmfluten auf 12 392 Dollar pro Hektar taxiert. Die Mangroven sind ein einzigartiges Ökosystem, das die Überflutung mit Salzwasser verträgt, die Küsten stabilisiert und die Auswirkungen von Stürmen bremsen kann. In diesen Gebieten sind in den vergangenen 20 Jahren tausende Shrimps-Farmen entstanden, die die Bäume geschädigt haben. Viele Mangrovenbäume sind auch gefällt worden, weil die Menschen in den Küstenregionen das Holz als Baumaterial oder Brennstoff gebraucht haben.

2011 hat Präsident Benigno Aquino ein Moratorium erlassen, seither ist das Fällen von Bäumen zumindest vorläufig verboten. Schon zwei Jahre früher haben die Philippinen ein Klimaschutzgesetz erlassen, das auch zum Ziel hat, die Wälder wieder aufzubauen. Deutschland steckte bisher aus Mitteln des Umweltministeriums rund 30 Millionen Euro aus der „Internationalen Klimainitiative“ in diese Waldprojekte auf den Philippinen.

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