Garden Bridge: Die hängenden Gärten von London
Mit der „Garden Bridge“ will die britische Hauptstadt die 36. Brücke über die Themse bauen Darauf soll kein Verkehr fließen, sondern ein Park entstehen – ein „schwebendes Paradies“.
Stadtplanung als Rührstück? Ein Denkmal der Eitelkeit für Bürgermeister Boris Johnson? Eine Schnapsidee, die 175 Millionen Pfund (230 Millionen Euro) kostet? Oder ein weiteres Juwel in London? Der Streit tobt und wird wohl noch lange nicht entschieden. 2018 soll Londons 36. Themsebrücke fertig sein – eine Gartenbrücke mit 270 Bäumen und Hunderten von Büschen und Sträuchern, die es als neues Weltwunder mit den hängenden Gärten Babylons aufnehmen will. „Ein schwebendes Paradies“, sagt ihre Erfinderin, die Schauspielerin Joanna Lumley. Dabei soll die Brücke Fußgängern erlauben, fast ohne Autoverkehr von Covent Garden zur Kulturmeile am Südufer der Themse, von der U-Bahn-Station Temple zum Nationaltheater zu spazieren.
In Jahren des Werbens und Planens nahm die Brücke zwischen Waterloo und Blackfriars Gestalt an. Lumley hatte die Idee 1997, als Großbritannien infolge des Unfalltods von Prinzessin Diana nach einem geeigneten Denkmal für sie suchte. „Etwas Nützliches und Schönes mitten in der schönsten Stadt der Welt, das noch da ist, wenn wir alle vergessen sind“, wollte Lumley errichten. Liebespaare, so die Vorstellung, würden unter Bäumen über dem Wasser wandeln und im Gezweig der Bäume die Kuppel der St.-Paul’s-Kathedrale erspähen.
2002 blitzte Lumley mit ihrem Vorschlag noch ab
Das Komitee für das Diana-Denkmal verwarf ihren Vorschlag. 2002 blitzte sie bei dem damaligen Bürgermeister Ken Livingston und dann bei Labour-Premier Gordon Brown ab. Aber Lumley, 69 Jahre alt, die in „The Wolf of Wall Street“ Leonardo DiCaprio auf einer Londoner Parkbank zum Kuss verführt, weiß, wie man Menschen herumkriegt. Fast im Alleingang hat sie Bürgerrechte für die nepalesischen Söldner in der britischen Armee, die „Gurkhas“, erkämpft.
Die Idee wurde konkreter, als der Brückendesigner Thomas Heatherwick mit Olympia 2012 weltberühmt wurde. Aus seinem Londoner Designstudio stammten die blütenartigen Schwungarme des Olympiafeuers. Heatherwick wurde 2010 durch den britischen Pavillon bei der Expo 2010 in Schanghai berühmt. Er will, dass Design emotionale Qualitäten hat. „Niemand würde sich auf der Waterloo Bridge mit jemandem treffen“, sagte er und nimmt Bezug auf den Mangel an schönen Brücken über die Themse.
Bei den Plänen zur Brücke half aber besonders Londons Aufschwung zur Weltmetropole: Mit 8,6 Millionen Einwohnern ist die Stadt größer denn je, kreative Menschen aus aller Welt drängen in die Stadt, da kann es nicht genug neue Belustigungen geben. Gartenfreund Prinz Charles entdeckte sein Interesse an der Brücke, und letzten Sommer verkündete Lumleys Stiftung Garden Bridge Trust, man habe Spendenzusagen von 120 Millionen Pfund zusammen. Boris Johnson bewilligte 30 Millionen Pfund aus der Stadtkasse, Schatzkanzler Osborne 30 Millionen Pfund aus der Staatskasse, die angrenzenden Stadtgemeinden Lambeth und Westminster erteilten Baugenehmigungen.
Doch die Kritiker geben keine Ruhe. Ihr Sprachrohr ist die Zeitung „Guardian“, die auch Londons Hochhausbauten verdammt, die Stararchitekt Daniel Libeskind gerade im Tagesspiegel lobte. Kritiker verdammen die Brücke als „private Touristenattraktion“, die Themse werde zum „Spielfeld privater Fantasien“ gemacht. Kritisiert werden der Standort, die Unterhaltungskosten von jährlich 3,5 Millionen Pfund und überhaupt die privat-öffentliche Finanzierung. Man kritisiert, dass Radler ihr Rad auf der Brücke schieben sollen , und ganz Skeptische prophezeien Sex in den Büschen oder gar eine zweite „Hillsborough-Katastrophe“ – 1989 wurden in dem englischen Stadion 96 Menschen zu Tode gequetscht.
Einen ähnlichen Streit gab es einst um das Riesenrad bei der Westminster-Brücke. Als „absolut ungeeignet“ und „vulgär“ wurde es von der Royal Fine Art Commission bekämpft. Nun hat das Privatprojekt den Sponsornamen „Coca-Cola London Eye“, schimmert nachts bräunlich und ist als Wahrzeichen Londons nicht mehr wegzudenken.