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Freuen sich auf vier Tage in Deutschland, vom 5. bis 8. Oktober: König Carl XVI. Gustaf und Königin Silvia in ihrem Palast in Stockholm.
© M. Schmidt

Gespräch mit Carl XVI. Gustav und Silvia: "Die Berliner sind schnell im Denken"

Zwei Wochen vor dem Staatsbesuch in Deutschland, der heute beginnt, traf unser Autor das schwedische Königspaar zum Gespräch. Lesen Sie hier alle Höhen und Tiefen des Termins bei Königs nach.

20 Minuten. Vielleicht ein paar mehr. Keine Politik! Nichts Privates! Die Pressesprecherin des schwedischen Königshauses weiß, dass sie bei Journalisten, wenn überhaupt, nur dann etwas erreicht, wenn sie sich besonders streng gibt. Die sind auch angemessen beeindruckt.

Stehen da, in einem der reichverzierten Räume des Königspalasts auf Stockholms Altstadtinsel, treten von einem Fuß auf den anderen und warten, nervös wie Sechstklässler vorm Mathetest, dass die Tür sich öffnet und das Königspaar eintritt. Vielleicht deshalb der sicher lieb gemeinte Rat der Sprecherin: „Wenn Sie einen Eisbrecher brauchen, um ins Gespräch zu kommen, fragen Sie Seine königliche Hoheit nach dem grünen Sofa.“

Wir wollen eigentlich lieber schnell zum Punkt kommen. Der ist durchaus politischer Natur. Deutschland und Schweden sind die beiden Länder, die die Hauptlast der Flüchtlingskrise tragen. Niemand personifiziert die enge Verbindung der beiden so wie das schwedische Königspaar, Carl XVI. Gustaf, Sprössling der Bernadotte-Linie, und die deutsche Silvia, geborene Sommerlath, einst Chef-Hostess bei den Olympischen Spielen 1972 in München.

Da kommen sie. Der König lässt sich in die Ecke des grünen Sofas fallen, auf dem die beiden vor vier Jahrzehnten ihre Verlobung ankündigten. Er macht es sich, die Arme auf der Lehne ausgestreckt, bequem, ergreift das Wort – und lässt es so bald nicht wieder los. Er betont die Bedeutung der schwedisch-deutschen Beziehungen. Die engen Bande. Politisch. Wirtschaftlich. Kulturell auch. Die Sekunden vergehen. Die Minuten verrinnen. Noch haben wir keine unserer Fragen gestellt.

Königliche Hoheit, was hat es mit dem grünen Sofa auf sich – man hört, es habe eine besondere Bedeutung für Sie beide?

Carl XVI. Gustaf: Ist das Ihr Ernst? Die Geschichte ist nun wirklich so oft erzählt worden ...

Das berühmte grüne Sofa: Vor 40 Jahren kündigten die Beiden, auf diesem Sofa sitzend, ihre Verlobung an.
Das berühmte grüne Sofa: Vor 40 Jahren kündigten die Beiden, auf diesem Sofa sitzend, ihre Verlobung an.
© Michael Schmidt

Der König schon nach der ersten Frage genervt. Ein Eisbrecher sieht anders aus. Und wie kommt man da nun wieder raus, aus dieser peinlichen Situation?

Am Anfang von alldem steht die andere Frage: Wie kommt man da überhaupt rein, in den Palast? Der anstehende Staatsbesuch in Deutschland ist es, der es einer Handvoll deutscher Journalisten ermöglicht, worum sie viele beneiden: einen Termin bei Königs. Ein lockerer Plausch über ihre Pläne soll es werden, die Reisestationen Berlin, Hamburg, Wittenberg, Leipzig, die Gespräche mit dem Präsidenten und der Kanzlerin.

Aber was heißt schon „locker“? Und wie „plauscht“ es sich mit einem König, einer Königin? Überhaupt: Gibt es nicht Kleidungsvorschriften am Hof? Benimmregeln, die zu beachten sind? Geheimnisvolle Codes, unverständliche Rituale, mysteriöse Zeichen? Mit jedem Tag, den die Begegnung näherrückt, wuchsen zuletzt Anspannung, Aufregung, Unsicherheit bei den Politik-Journalisten aus einem Land, das seit Jahrzehnten ohne „seine Majestät“ auskommt.

Nachfrage bei ARD-Adelsexperte Rolf Seelmann-Eggebert, der stets so formvollendet gekleidet ist und spricht, dass man glauben könnte, in seinen Adern flösse gleichfalls blaues Blut: Schlips muss sein, auch bei schlechtem Wetter („Man muss Majestät die Gelegenheit geben zu sehen: Der nimmt das mindestens so ernst wie einen Opernbesuch“); nicht die erste Frage stellen, sondern warten, dass Majestät das Wort an einen richtet; nicht die Hand der Majestät sich holen, sondern warten, bis sie einem hingestreckt wird; eine knappe Verbeugung, nicht zu tief, und, bei Frauen, die Andeutung eines Hofknicks werden gern gesehen („Das internationale Protokoll verlangt übrigens, dass er zuerst gegrüßt wird, was ich immer als einen Fauxpas betrachtet und deshalb die Damen zuerst begrüßt habe: Hat mir aber manche Standpauke von manchen Protokollchefs eingebracht“); schließlich: Fragen nach der Nazi-Vergangenheit ihres Vaters verbieten sich genauso wie die nach seinen Sexaffären („Wer spricht schon gern über seine Seitensprünge?“).

Majestät – König Harald V. von Norwegen hat gerade eine auch in Deutschland vielbeachtete Rede gehalten hat. Sie dürfen sich nicht politisch äußern: Was denken Sie, wenn Sie die begeisterten Reaktionen sehen?

Carl XVI. Gustaf: Ich kenne die Rede nicht.

Der König hat sich hinter Muslime und Homosexuelle gestellt. Es war eine Rede über Toleranz, Offenheit und Zusammenhalt.

Carl XVI. Gustaf: Gut, dass er das gesagt hat. Wie Sie wissen, ist die Zahl der Flüchtlinge und Asylsuchenden in Schweden sehr hoch. Mir ist ein Herzensanliegen, dass wir Menschen helfen, die in Not sind, die ihr Leben aufs Spiel setzen und übers Wasser zu uns kommen. Danach dann kommt die Integration. Wir sind da nah bei Angela Merkel: Erst müssen wir uns um die unmittelbar Hilfsbedürftigen kümmern, dann mit anderen Staaten und Organisationen dafür sorgen, dass die Menschen in ihren Heimatländern bleiben können und nicht mehr fliehen müssen.

Und er persönlich? Carl XVI. Gustaf sagt, er treffe sich mit Migranten, um so die Aufmerksamkeit auf ihr Schicksal zu lenken. Gerüchten, er habe angeregt, Flüchtlinge in leerstehenden Schlössern des Landes unterzubringen, tritt der Hof entschieden entgegen. Als König steht er seit 43 Jahren an der Spitze des Landes – muss aber sehr zurückhaltend sein mit dem, was er sagt. So wird er schon dann heftig angegriffen, wenn er sich, wie jüngst geschehen, abfällig über eine Baustelle in Sichtweite des Palasts äußert.

Königin Silvia sitzt unterdessen, damenhaft, die Hände in den Schoß gelegt, an seiner Seite, hört geduldig zu und nickt verständnisvoll.

Königin Silvia begrüßt Tagesspiegel-Redakteur Michael Schmidt.
Königin Silvia begrüßt Tagesspiegel-Redakteur Michael Schmidt.
© promo

Königliche Hoheit, Sie mussten sich selbst einst als Zugezogene in Schweden zurecht finden. Ist die Lage für Fremde heute schwieriger als damals?

Silvia: Für mich persönlich war es natürlich ein bisschen anders – ich kam ja auf Einladung des Königs ... Das Problem heute ist die Dimension, die große Zahl derer, die aus der Not fliehen. Selbst wenn man helfen möchte, ist es schwierig. Im vergangenen Jahr sind 40 000 unbegleitete Flüchtlingskinder zu uns gekommen. Wir brauchen Unterkünfte, Lehrer, Schulen. Es geht nicht nur um Geld, es geht auch um menschliche Zuwendung.

1999 haben Sie die World Childhood Foundation mitgegründet, die sich für Kinder engagiert, die Opfer von Gewalt wurden.

Silvia: Wir kümmern uns jetzt natürlich verstärkt auch sehr viel um Flüchtlingskinder.

Sie werden die Kanzlerin treffen. Für ihren Satz „Wir schaffen das“ hat sie viel Kritik, aber auch viel Zustimmung erhalten. Finden Sie, ihr gebührte der Nobelpreis?

Silvia: Ich finde wirklich fantastisch, wie Deutschland und Schweden die Flüchtlinge empfangen haben. Das ist die christliche Botschaft: dass man dem Nächsten hilft. Ich finde, das sitzt in uns allen.

Königin Silvia sagt, sie sei vom Verstand her eine Deutsche, vom Temperament her eine Brasilianerin und von der Seele her eine Schwedin. Typisch schwedisch findet sie es, „zu sehen, wenn Menschen Hilfe brauchen“.

Sie kennen Berlin: Welche Erinnerungen haben Sie an früher?

Silvia: Ich war 13 Jahre alt, als ich mit meinen Eltern aus Brasilien nach Deutschland zurückkam, das erste Weihnachten. Danach, als ich wieder nach Heidelberg ins Internat fahren sollte, wurde unser Taxi von Volkspolizisten an der DDR-Grenze gestoppt. Es gab Probleme, weil mein Pass in Brasilien ausgestellt worden war. Das war für mich eine entsetzliche Situation. Daran denke ich jetzt immer, wenn ich die Flüchtlinge sehe: Es erinnert mich daran, dass man plötzlich in eine Situation geraten kann, in der man keine Kontrolle hat und nicht versteht, was vor sich geht. Deshalb bin ich so voller Verständnis für diese Leute, für die Kinder vor allem.

Wenn Sie an das Berlin von heute denken, woran denken Sie dann?

Silvia: Ich habe keinen Koffer mehr in Berlin, aber ... es stimmt, die Berliner Luft ist etwas besonderes, auch die Menschen, die sind schnell im Denken, sie sind neugierig, auf das Leben, auf die Kunst. Die Kunst blüht ja auf in Berlin, hat eine große Bedeutung. Wir wollen uns auch das Stadtschloss ansehen.

Werden die Berliner Gelegenheit haben, auf Tuchfühlung mit Ihnen zu kommen?

Carl XVI. Gustaf: Das ist schwierig. Die Reise ist nicht darauf ausgelegt. Aber vielleicht sollte man das bei der nächsten Gelegenheit ruhig mal so organisieren: dass man sich in kleinen Gruppen trifft, dass man sich Zeit nimmt, zusammensitzt, redet und einen Kaffee trinkt.

Ja, die Zeit. Unsere ist abgelaufen. „Das Interview ist jetzt zu Ende“, sagt die Sprecherin. Widerspruch sinnlos.

Das schwedische Königspaar hat sich in München kennengelernt. Nun kommen Carl XVI. Gustaf von Schweden und seine Königin das dritte Mal nach Deutschland. Lesen Sie hier mehr.

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Michael Schmidt

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