Niederländische Satudarah MC verboten: Deutsche Rocker expandieren europaweit
Der Bundesinnenminister Thomas de Maizière verbietet die einst niederländischen Satudarah MC. Die Szene ist schon lange international, auch deutsche Rocker expandieren: Der Gremium MC steckt in Schweden neue Reviere ab.
Was macht der Feind? Wo verläuft die Front? Und gehorchen die eigenen Truppen noch? Alles Fragen, die sich bis Dienstag auch die Männer der Satudarah MC stellten. Nun ist der Rockerclub von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) verboten worden. Rund 1000 Polizisten waren dabei rund um die Satudarah-Treffs im Westen Deutschlands im Einsatz, sie beschlagnahmten Drogen, Schutzwesten, Munition und Macheten. Der Club, teilte de Maizière mit, sei von Anführern aus den Niederlanden gesteuert worden.
Das ist nicht unüblich. Ob Deutschland, Spanien, vor allem aber Schweden: Im Milieu kündigen sich über Staatsgrenzen hinweg Machtproben an. Im Blick haben Kenner dabei aber nicht nur die Niederlande, sondern zunehmend die idyllischen Wälder im schwedischen Värmland. Die Orte zwischen den Seen nahe Norwegen werden nicht nur gern von deutschen Urlaubern besucht. Bald könnten deutsche Rocker in die Idylle strömen – nicht zum Angeln, sondern um ihre Reviere zu sichern.
Hells Angels haben es übertrieben
Bislang haben die 1948 in den USA als Motorcycle Club (MC) gegründeten Hells Angels in Europa das Sagen im Milieu. Nummer zwei sind die ebenfalls aus den USA stammenden Bandidos. In Deutschland, mit fast 8000 militanten Rockern eine Szenehochburg, verloren zuerst die Bandidos viele Mitglieder an die Hells Angels. Dann wechselten auch Männer des 1972 in Mannheim gegründeten Gremium MC zu den „Höllenengeln“. Deutsche Hells Angels gewannen europaweit an Macht. Inzwischen werden, wie berichtet, Rocker aus Hannover in Spanien wegen Geldwäsche angeklagt. Zugleich läuft in Berlin ein Mordprozess gegen die berüchtigtste Angels-Crew.
Man kann sagen, die Bruderschaft hat es übertrieben. Die Egos waren größer als die Harleys. Nun meldet sich der schon fast verdrängte Gremium MC zurück. Und der deutsche Club expandiert in traditionelle Hells-Angels-Hochburgen: Durch Norwegen, Schweden und Dänemark fahren Biker, auf deren Lederkutten das schwarz-weiße Gremium-Patch, also das Logo des MC, prangt.
Skandinavien einst Schlachtfeld im Rockerkrieg
Schon 2014 haben sich kleine MCs in Norwegen lieber dem Gremium-Club angeschlossen als den einflussreicheren Hells Angels. Vor allem rund um Göteborg beobachten die Angels Straßen, Garagen und Kneipen – die Hafenstadt gilt als Zentrum der mobilen Subkultur der Region. Sollten die Platzhirsche dabei Gremium-Biker erspähen, ist mit Angriffen zu rechnen. Im Oktober ist der Treff einer Gremium-Dependance in Torsby an der norwegischen Grenze attackiert worden. Schwedische Medien befürchten weitere Taten. Skandinavien ist als Schlachtfeld bekannt. In den Neunzigern tobte dort ein Rockerkrieg, zwölf Männer starben, 96 wurden verletzt.
Die Lage in Schweden interessiert auch Beamte und Biker in Berlin. Denn in der Szene gilt ein Vergeltungsgebot. Und zwar unabhängig von den auslösenden Individuen einer Fehde. Ein deutscher Angel ist im Notfall angehalten, deutsche Gremium-Männer zu attackieren, weil sich die Clubs in Schweden streiten. Ein dänischer Gremium-Biker könnte auch einen belgischen Angel angreifen, selbst wenn sich beide zufällig in – sagen wir – Kroatien begegnen. Auf Mallorca prügelten sich 2010 Angels aus Brandenburg mit angereisten Gremium- Anhängern.
Schweden kamen 2012 mit Sprengstoff nach Berlin
Rocker schließen sich den Bruderschaften auch deshalb an, weil sie als Beutegemeinschaft von der Loyalität aller Mitglieder profitieren. Beim Streit im Milieu genießen Rocker so quasi Versicherungsschutz. Kämpfe in Göteborg können also blutige Vergeltung in Berlin zur Folge haben – und umgekehrt: Drei Anhänger des Bandidos MC reisten 2012 aus Schweden und Dänemark nach Berlin. Schon in Rostock nahm die deutsche Polizei sie fest. Die Rocker hatten Sprengstoff dabei, mit dem offenbar ein ranghoher Ex-Kamerad in Berlin bestraft werden sollte. Jener Berliner Bandido war kurz zuvor zu den Hells Angels übergelaufen.
Rocker brauchen Ruf als Unantastbare
Warum sind friedliche Arrangements unter Rockern eigentlich so selten? Weil die Männer von ihrem aggressiven Ruf zehren, den sie aus strategischen Gründen verteidigen müssen. Typisch etwa wäre folgende Lage: Rocker werden in einer Stadt als Türsteher engagiert – weil sich ohnehin kein Gast an ihnen vergreifen würde, womöglich aber auch, weil man ihre Dienste als Gastronom nicht ungestraft ablehnen kann. Die Rocker nutzen ihren Ruf zudem, um unter Bodybuildern mit Anabolika zu handeln und Schulden einzutreiben. Droht ihnen Konkurrenz durch eine andere Gang, müssen die Platzhirsche ihren Ruf als Unantastbare um den Preis ihrer Jobs verteidigen.
In kleineren schwedischen Orten wie Torsby ist ohnehin nur Platz für eine Crew. Doch auch in Berlin, Kopenhagen oder Montreal töteten Rocker einander. Kürzlich wurden vier deutsche Gremium-Männer zu Haftstrafen zwischen acht und zehn Jahren wegen versuchten Totschlags verurteilt. In Königs Wusterhausen bei Berlin hatten sie einen Teenager niedergestochen. Die Rocker hatten den Jungen verwechselt. Eigentlich wollten sie sich an den Hells Angels rächen. Die hatten kurz zuvor einen Gremium-Mann verletzt.