Schöne Bescherung: Der Weihnachtsmänner-Mangel in Deutschland
Für viele gehört ein Auftritt des Weihnachtsmannes zum Festprogramm. Doch kaum jemand möchte den Job mehr machen.
Dieter Will ist nicht gerade das, was man sich landläufig unter einem Weihnachtsmann vorstellt. „Ich war 34 Jahre im Knast“, erzählt der 69-jährige Neumünsteraner. Tagsüber betreute er als Justiz-Vollzugsbeamter jahrzehntelang Schwerverbrecher, nach Feierabend und am Wochenende brachte er als „Clown Charly“ Kinder zum Lachen. Er habe zu seinem oft harten, trostlosen Berufsalltag einfach einen Ausgleich gebraucht, sagt er. Deshalb sei er Zauberer geworden. Doch jedes Jahr zur Weihnachtszeit macht Will noch eine weitere Verwandlung durch: Der Pensionär ist einer von wenigen Weihnachtsmann-Darstellern, die an den Festtagen Familien besuchen und Kinder bescheren.
Doch Wills Metier ist offenbar nicht mehr sehr beliebt. „Wir leiden unter Weihnachtsmannschwund“, sagt Petra Henkert vom Weihnachtsmannbüro Berlin, einer Agentur, die die Weißbärte an Familien, Firmen und andere Kunden vermittelt. Ähnliche Erfahrungen hat das Studentenwerk gemacht, das seit 1949 das Personal für den Heiligabend vermittelt.
Die Zahl von früher 500 Darstellern sei auf nun rund 200 zurückgegangen. Dabei bleibe die Nachfrage etwa auf gleichem Niveau – erwartet werden in diesem Jahr rund 2500 Aufträge. Jedes Jahr würden es weniger Darsteller, beklagt auch Petra Henkert. Denn der Aufwand sei hoch: Auf jeden Auftritt müsse sich ein Weihnachtsmann individuell vorbereiten, außerdem brauche es ein Kostüm, möglicherweise gar noch weiteres Equipment.
Dieter Will hat all das nie abgeschreckt. Seit vierzig Jahren ist er im „Weihnachtsmann-Business“. Damals, erzählt er, habe ihn ein Nachbar gefragt, ob er für seinen Nachwuchs die Bescherung übernehmen würde. Für den Norddeutschen war das keine Frage. „Es gibt einfach nichts Schöneres für mich als lachende Kinder.“
Dennoch gibt er zu, dass die Arbeit als Weihnachtsmann dem Darsteller einiges abverlangt. „Das Allerwichtigste ist mit Sicherheit, dass man gut mit Kindern umgehen kann“, sagt er. Ein immer gleiches Programm abspulen, das sei nicht möglich. Unterschiedliche Altersgruppen und Charaktere verlangten vom Schauspieler immer auch unterschiedliche Herangehensweisen. Das bedeutet: Jeder Auftritt will sorgfältig und individuell vorbereitet sein.
Neben Empathie und Geduld braucht es aber auch noch einige materielle Dinge: Will besucht Familien stets in seinem eigenen Kostüm, bringt außerdem eine Glocke und ein goldenes Buch mit. „Da stehen dann sowohl die guten Seiten als auch die ‚Schandtaten’ der Kinder drin.“ Wirklich Schlimmes sei das aber nie. „Meistens geht es darum, dass Kinder Plätzchen und Schokolade genascht haben und sich danach nicht die Zähne putzen wollten“, sagt er. „Geschenke gibt es danach trotzdem – und eine Rute wird auch nicht benutzt.“
Viele Familien suchen noch
Dass er den eigenen Feiertag für seinen Nebenjob opfern muss, macht Dieter Will nichts aus. „Meine Kinder sind mittlerweile sowieso schon groß.“ Seinen drei kleinen Enkeln könne er auch nach Feierabend noch als Weihnachtsmann die Geschenke bringen. „Meine Familie sieht das ganz locker.“
Doch offenbar ist Will eher ein Einzelfall. In Dienstleistungs-Portalen wie Ebay- Kleinanzeigen sind nur wenige Anzeigen zu finden, in denen Weihnachtsmänner ihre Dienste anbieten. Umgekehrt fällt aber auf: Zahlreiche Eltern in ganz Deutschland sind auf der Suche nach einem Weihnachtsmann für ihre Kinder. Eine von ihnen ist Sarah Morgenstern aus Göttingen, die im Netz inserierte. In ihrer Familie gehöre es einfach zum Ritual, vor dem Abendessen einen Weihnachtsmann zu empfangen, der die Bescherung der Kinder übernimmt. „Bei uns stehen die Geschenke nicht einfach unter dem Tannenbaum“, sagt sie. „Wir gehen mit unseren vier Kindern am Heiligen Abend nicht in die Kirche – bei uns ist der Höhepunkt des Festes immer der Auftritt des Weihnachtsmanns.“
Aber warum extra einen Fremden engagieren, wenn man sich doch auch selbst verkleiden könnte? Sarah Morgenstern lacht. „Bisher hat sich immer ein Freund meines Mannes verkleidet – mittlerweile habe ich aber Angst, dass meine Kinder ihn erkennen würden.“ Hohe Ansprüche, sagt sie, hat sie nicht an ihren Weihnachtsmann. „Geschenke besorgen mein Mann und ich natürlich selbst. Außerdem drucken wir vorher immer eine kurze Geschichte aus und kleben sie in ein großes Buch. Das bekommt der ‚Weihnachtsmann’ dann in die Hand und liest den Kleinen vor.“
Insgesamt halte sich Santa ungefähr zwanzig Minuten in ihrer Familie auf. Zahlen würde Morgenstern dafür 25 bis 30 Euro. „Ein guter Stundenlohn, würde ich meinen.“ Doch trotzdem hat sich in diesem Jahr noch niemand auf ihr Gesuch gemeldet. „Wir sind mittlerweile sehr pessimistisch, dass das noch klappt“, sagt die junge Mutter. Zur Abendessenszeit am Heiligen Abend, glaubt sie, möchte doch lieber jeder bei seiner eigenen Familie sein.
Julia Beil
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