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138 Meter lang ist der Tunnel, der 18 Meter unter der Erde liegt. In ihm wurden mehr als 50 000 Objekte gefunden.
© Reuters

Sensationsfund in Mexiko: Der Tunnel zur Unterwelt

Niemand weiß, warum das Volk der Teotihuacan im 7. Jahrhundert in Mexiko verschwand. Ein Sensationsfund in der Pyramidenstadt könnte nun mehr Aufschluss über ihre Kultur bringen.

Liegt unter der Pyramidenstadt von Teotihuacan vielleicht ein ebenso sagenhaftes Königsgrab wie das der ägyptischen Pharaonen? Neue Funde in Zentralmexiko deuten darauf hin. Wie der Archäologe Sergio Gomez vom Institut für Anthropologie und Geschichte (INAH) jetzt mitteilte, entlockten die Forscher einem 138 Meter langen Tunnel zwischen der Sonnenpyramide und dem Tempel der gefiederten Schlange (Quetzalcoatl) ein erstes Geheimnis: Der Tunnel, der 1800 Jahre alt ist und seit elf Jahren erforscht wird, symbolisiert offenbar den Weg zur Unterwelt und mündet in drei kathedralenartige Gewölbe, die eine Art künstlichen Himmel darstellen. Glitzernde Steine an der Decke ahmen Sterne nach.

In den Gewölben wurden mehr als 50 000 wertvolle Opfergaben gefunden, darunter Edelsteine, verzierte Muscheln, Statuen, Gummibälle, Tierfelle, Samen, Knochen und Keramikbehälter. Sie zeugen vom regen Austausch, den die Bewohner mit weit entfernten Kulturen pflegten. Die Muscheln beispielsweise stammen von der Karibikküste, die Jade aus dem heutigen Guatemala, der Kautschuk für die Gummibälle aus tropischen Gefilden wie der Halbinsel Yucatan. Teotihuacan tauschte diese Objekte gegen Obsidian; der schwarze Stein war in der Vorzeit extrem wertvoll, da er zur Herstellung von Waffen genutzt wurde.

Dem Zufall zu verdanken

Eines der größten, archäologischen Forschungsprojekte Mexikos ist einem Zufall zu verdanken – oder dem Regengott Tlaloc: Im Oktober 2003 legten heftige Regenfälle ein Loch mit einem Durchmesser von 83 Zentimetern in der Nähe des Tempels frei. Es war eine Art Belüftungsschacht, der in den jetzt erforschten Tunnel mündete. „Der Tunnel symbolisierte in der prähispanischen Welt den Eingang ins Reich des Todes“, sagte Ausgrabungsleiter Gomez. Dort hätten in der Vorzeit die wichtigsten Riten wie die Machtübergabe stattgefunden. Möglicherweise würden bei weiteren Ausgrabungen auch Herrschergräber gefunden. Der „heilige Tunnel“ liegt 18 Meter unter der Erdoberfläche.

Mexiko war ähnlich wie Ägypten schon vor der Zeitenwende Heimat verschiedener Hochkulturen – Teotihuacan gehört ebenso dazu wie die Olmeken und Azteken – die mit dem Untergang der Maya im 15. Jahrhundert und der Eroberung der Aztekenstadt Tenotichtlän (heute Mexiko-Stadt) durch die Spanier ein Ende fanden. Teotihuacan, das übersetzt bedeutet „Die Stadt, in der die Menschen zu Göttern werden“, liegt 50 Kilometer nördlich der Hauptstadt und ist Weltkulturerbe der Unesco. In seiner Blütephase im 5. und 6. Jahrhundert lebten dort mehr als 100 000 Menschen. Zu diesem Zeitpunkt war Teotihuacan eine wichtige Metropole Mesoamerikas und eine der größten Städte der Welt. Die Stätte mit der berühmten Sonnen- und Mondpyramide gehört zu den meistbesuchten Touristenattraktionen Mexikos.

Die Stadt existierte offenbar 800 Jahre lang

Über die Bedeutung des Tempels von Quetzalcoatl rätselten die Forscher schon lange. „Nun haben wir Beweise, die untermauern, dass er ein heiliger Ort war, in dem vor rund 2000 Jahren die Gründungsmythen nachgestellt wurden“, sagte die Generaldirektorin des INAH, Maria Teresa Franco. Zu den damals gängigen Riten gehörten vor allem Opfergaben. Die wichtigsten Götter in der trockenen Hochebene waren der Regengott Tlaloc und der Gründergott Quetzalcoatl. Die Blütephase von Teotihuacan war zwischen 250 bis 650 nach Christus.

Der jetzt erforschte Tunnel führt allerdings zu weitaus älteren Pyramidenresten aus der Zeit vor Christus bis circa 250 nach Christus. Möglicherweise handelt es sich also um eine Vorläuferkultur. Franco geht davon aus, dass der Fund die Forscher dazu zwingt, die gesamte Geschichte von Teotihuacan zu überarbeiten: „Die Stadt hat offenbar acht Jahrhunderte Bestand gehabt, vom Jahr 100 vor Christus bis zu seiner Blüte und dem Niedergang im 7. Jahrhundert nach Christus.“100 Meter vom Eingang des Tunnels entfernt entdeckten die Forscher außerdem ein 137 Meter langes Pelota-Spiel, eine Art prähispanisches Basketballspiel.

Beteiligt an der Erforschung des unterirdischen Tunnels waren 25 Archäologen – darunter ein Nachfahr eines der ersten indigenen Chronisten der Region, Fernando de Alva Ixtlilxochitl. Eingesetzt wurden modernste Geräte, darunter zwei eigens dafür in Mexiko entwickelte Miniroboter, ein Georadar und ein Laser-Scanner. Um den Tunnel begehbar zu machen, mussten 970 Tonnen Gestein weggeschafft werden. Das Projekt kostete umgerechnet eine Million Euro.

Als die Azteken aus Nordmexiko auswanderten und in die zentrale Hochebene kamen, fanden sie im 14. Jahrhundert Teotihuacan verlassen vor. Was zu dem Untergang der Stadt führte, ist bis heute unklar. Im Gegensatz zu den Stelen der Mayas hinterließ die Kultur keine schriftlichen, in Stein gemeißelten Zeitzeugnisse.

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