zum Hauptinhalt
Seltenes Bild. Kaiser Akihito am Mittwoch bei seiner kurzen Ansprache. Japans Fernsehsender unterbrachen dafür ihre Programme.
© AFP

Seltenes Ereignis: Der Tenno spricht

Kaiser Akihito ruft in einer seiner ganz seltenen Ansprachen die Japaner auf, sich nicht aufzugeben. Erst fünf Tage nach der Katastrophe wandte er sich an sein Volk.

Inmitten der nationalen Katastrophe haben viele Japaner auf seine Worte gewartet. Doch erst jetzt, am Tag fünf seit Erdbeben und Tsunami mit tausenden Toten, Vermissten, Hunderttausenden ohne Obdach, Strom, Nahrung und Trinkwasser und dem außer Kontrolle geratenen Atomkraftwerk, hat sich der japanische Kaiser Akihito an die Bevölkerung gewandt. In einer Videobotschaft. Er sei zutiefst besorgt über die Folgen des schweren Erdbebens, das von „noch nie gesehenem Ausmaß“ gewesen sei, sagte der Kaiser am Mittwoch. „Meine Hoffnung ist, dass so viele Menschen wie möglich lebend gerettet werden.“

Die Überlebenden forderte Akihito auf, die Hoffnung nicht aufzugeben. Er rief die Menschen dazu auf, einander zu helfen. „Ich hoffe aufrichtig, dass die Menschen diese schreckliche Zeit überstehen werden, indem sie sich gegenseitig helfen“, sagte der 77-Jährige.

Die Probleme in den Atomreaktoren seien nicht vorhersehbar gewesen, sagte Akihito außerdem. „Ich hoffe aufrichtig, dass wir verhindern können, dass sich die Situation verschlimmert.“ Die Fernsehsender unterbrachen für die Ansprache die Berichterstattung über die aktuellen Ereignisse rund um die Atomkatastrophe.

Der Tenno äußert sich sehr selten in der Öffentlichkeit. Während Premierminister Naoto Kan die Bevölkerung seit Tagen zur Geschlossenheit aufruft und sein Kabinettssekretär Yukio Edano die Menschen fast rund um die Uhr mit Informationen versorgt, hatte sich Kaiser Akihito bisher lediglich über das Kaiserliche Hofamt zu Wort gemeldet und den Opfern sein Beileid ausgesprochen. Zudem hatte das Amt verkündet, dass man sich an den Stromsparmaßnahmen beteilige. Zwei Stunden täglich werde der kaiserliche Hof den Strom abschalten. Und die jedes Jahr zum Kirschblütenfest geplante große Gartenparty habe man abgesagt.

Aber „der Tenno wird in die Katastrophengebiete reisen“, ist sich der Japan-Historiker Peter Pantzer von der Universität Bonn sicher. Wie beim Erdbeben in Kobe 1995 jedoch nicht sofort. Sondern „dann, wenn er sich sicher sein kann, dass er den Aufräumarbeiten nicht im Weg steht. Die Hilfe von Soldaten und Hilfsorganisationen ist effektiver, wenn nicht ein Tenno über die Trümmer steigt.“ Zudem würde das strenge Protokoll eines Besuches nur stören statt die Leute aufzubauen.

Diese Zurückhaltung mag im Ausland für Verwunderung sorgen, in Japan jedoch nicht. Man ist daran gewohnt, den Kaiser und seine (ehemals bürgerliche) Gattin Michiko selten zu Gesicht zu bekommen. Sich in den Vordergrund zu drängen, ist nicht des Kaisers Art, „auch wenn es ihn wahrscheinlich drängt, zu den notleidenden Menschen zu fahren“, sagt Peter Pantzer. Gleichgültig sei ihm die Situation nicht. „Natürlich leidet er mit seinen Landsleuten, er ist mit Leib und Seele Japaner.“

Grundsätzlich nimmt der Kaiser, dessen Hauptfunktion heute nur noch zeremonieller Natur ist, zu innenpolitischen Themen nie Stellung. Lediglich zu öffentlichen Anlässen wie Staatsbesuchen äußert er sich. Und dann auch nie frei, sondern immer vom Papier ablesend. „Davon weicht er nie auch nur ein Wort ab“, sagt Peter Pantzer, der den Kaiser vor mehr als zehn Jahren in Bonn und Düsseldorf schon einmal persönlich kennengelernt hat. Der genaue Wortlaut werde in Zusammenarbeit von Kaiserlichem Hofamt und dem Auswärtigen Amt festgelegt und vom Premierminister abgesegnet. Umso mehr Bedeutung haben seine Ansprachen, wie etwa die in China vor rund 20 Jahren, in der er sich für Japans Taten im Zweiten Weltkrieg entschuldigte. In besonderer Erinnerung ist auch die Bekanntgabe der Kapitulation Japans durch Akihitos Vater im Jahr 1945. Damals hörten die Japaner im Radio zum ersten Mal die Stimme ihres Kaisers.

Auch die Möglichkeit, den Palast des Kaisers im Herzen Tokios zu bestaunen, bekommt die Bevölkerung nur zwei Mal im Jahr. Am Neujahrstag und am kaiserlichen Geburtstag, dem 23. Dezember, öffnet er seine Pforten. Akihito wurde 1933 als der älteste Sohn von Kaiser Hirohito und Kaiserin Nagako geboren. Seit 1989 sitzt er auf dem Chrysanthementhron, als der erste Kaiser mit Studienabschluss. Akihito ist bei den Japanern äußerst beliebt. Bei seinen wohlplatzierten Auftritten im ganzen Land gibt er sich bescheiden, volksnah. Nicht gottgleich, wie es seine überlieferte direkte Abstammung von der Sonnengottheit Amaterasu erlauben würde. Des Kaisers Auftritt hat folglich immer große Bedeutung.

Britta Krauß

Zur Startseite