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"Toto" Riina kurz nach seiner Festnahme im März 1993 im Hochsicherheitsgefängnis bei Palermo.
© Alessandro Fucarini/AFP

Mafiaboss Toto Riina im Gefängnis gestorben: Der Pate, der Italien den Krieg erklärte

Er wurde „die Bestie“ genannt und bereute seine Taten nie: Nun ist Toto Riina mit 87 Jahren im Hochsicherheitsgefängnis von Parma gestorben.

Am Donnerstag durften Riinas Ehefrau Ninetta und drei der vier Kinder den inhaftierten Super-Paten noch einmal besuchen, um von ihm Abschied nehmen. Es war sein 87. Geburtstag; der schwerkranke Salvatore „Toto“ Riina befand sich nach zwei Operationen im künstlichen Koma. Wenige Stunden nach dem Besuch der Angehörigen ist der brutalste und jahrzehntelang gefürchtetste Mafiaboss Italiens in der Nacht auf Freitag verstorben.

Seinen ersten Mord verübte er mit 18 Jahren

Toto Riina war 1930 als Sohn einer Bauernfamilie in Corleone geboren worden, einer Kleinstadt im Hinterland von Palermo. Er wurde schon als Jugendlicher kriminell, seinen ersten Mord verübte er mit 18 Jahren, als er einen Gleichaltrigen im Streit tötete. Nach einer relativ kurzen Gefängnisstrafe stieg er Ende der Fünfzigerjahre innerhalb der Mafia-Familien der „Corleonesi“ (benannt nach der Heimatstadt) rasch in die höchsten Führungspositionen auf – nicht zuletzt dank seiner selbst für Mafiaverhältnisse ungewöhnlichen Brutalität. Toto „u curtu“ („der Kurze“), wie Riina wegen seiner Körpergröße von nur 1,58 Metern in Corleone genannt wurde, schoss rücksichtslos alle nieder, die sich ihm in den Weg stellten.

Bontade war ein Pate wie aus einem Hollywood-Film

In Palermo musste sich Riina die Macht freilich zunächst mit den städtischen Cosa-Nostra-Größen Stefano Bontade und Gaetano Badalamenti teilen. Stefano Bontade, ein Pate wie aus einem Hollywood-Film, trug Zweireiher, rauchte teure Havanna-Zigarren und verkehrte in den feinen Kreisen Palermos. Um zum alleinigen König der Cosa Nostra aufzusteigen, entfachte Riina Anfang der Achtzigerjahre einen Mafia-Krieg, bei dem er seine Konkurrenten gnadenlos ausmerzte. Insgesamt kamen bei diesem Gemetzel 600 Menschen ums Leben, davon allein im Jahr1982 mehr als 200. Spätestens jetzt war Riina im Volksmund nicht mehr „u curtu“, sondern „la belva“, die Bestie.

Elf Angehörige des Verräters mussten sterben

Riina war nach diesem Krieg der unbestrittene Boss der Bosse der sizilianischen Cosa Nostra – aber in der Zwischenzeit hatte der italienische Staat zum Gegenangriff geblasen. 1986 begann in einem eigens gebauten Bunker neben dem alten Gefängnis von Palermo der „Maxiprozess“ gegen die Mafia. In diesem größten Strafprozess der Geschichte Italiens saßen 475 Mafiosi auf der Anklagebank; es wurden 19 lebenslängliche Strafen und 2665 Jahre Haft verhängt. Möglich wurde der Prozess durch die Aussage des hochrangigen Mafia-Aussteigers Tommaso Buscetta, der als erster Top-Mafioso die Mauer der „omertà“ (mafiöse Verschwiegenheit) durchbrochen und den Ermittlern Einblick in die Strukturen der Cosa Nostra geboten hatte. Riina, der inzwischen meistgesuchte Verbrecher Italiens, revanchierte sich auf seine Weise: Er ließ elf Angehörige Buscettas umbringen, darunter auch Frauen und Kinder.

1992 wurde die Mafiajäger Falcone und Borsellino mit Bomben getötet

Vor allem aber erklärte Riina aus Rache dem italienischen Staat den Krieg. 1992 wurden in kurzen Abständen die Mafiajäger Giovanni Falcone und Paolo Borsellino mit ferngezündeten Bomben getötet; sie hatten zu den wichtigsten Anklägern im „Maxiprozess“ gezählt. Später folgten auch Bombenanschläge auf dem italienischen Festland: In Rom, Mailand und Florenz wurden 1993 zehn Menschen getötet. Mit dieser „Strategie der Blutbäder“ wollte Riina den Staat an den Verhandlungstisch bomben – und zu einem Waffenstillstand bewegen. Die Strategie scheiterte – weil Riina am 15. Januar 1993 nach jahrelanger Flucht endlich verhaftet werden konnte. Er wurde zu 13 Mal lebenslänglich verurteilt.

Bis zu 150 Morde gehen auf sein Konto

Riina, dem die Beteiligung an 100 bis 150 Morden angelastet wurde, machte nicht nur mit seiner Brutalität von sich reden, sondern auch mit seinen politischen Kontakten. Die Cosa Nostra hatte in Sizilien immer ihre „Referenten“ in den Behörden. Ein „pentito“ (Mafia-Mitglied, das sich nicht an das Schweigegebot hält) hatte zu Protokoll gegeben, dass auch der siebenfache ehemalige Ministerpräsident Giulio Andreotti zu Riinas „Referenten“ gezählt habe; er habe den Oberpaten bei einem geheimen Treffen nach altem Mafiabrauch sogar die Wange geküsst. Es gab in der Folge zwei Prozesse gegen den einflussreichen Politiker – bewiesen werden konnten Andreottis angebliche Mafia-Kontakte aber nicht.

„Riina nimmt zahlreiche Geheimnisse mit ins Grab“, betonte gestern Senatspräsident Pietro Grasso, der als junger Staatsanwalt ebenfalls schon am „Maxiprozess“ teilgenommen hatte. Riina hat nicht nur jahrelang geschwiegen, sondern seine Taten auch nie bereut, wie er in einem abgehörten Gespräch mit einem Mitgefangenen noch im Sommer betont hatte: „Sie werden mich niemals brechen, selbst wenn sie mir 3000 Jahre geben.“

Dominik Straub

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