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Panorama: Der Oscar rockt

Neuer Look und wilder Moderator: Der Mann mit der goldenen Glatze soll jünger werden

Der schlecht gelaunte Himmel peitscht einen fiesen Nieselregen über den Flughafen von Los Angeles. Auf der dröhnenden Rollbahn hat sich eine Gruppe von Fernsehteams breit gemacht. Sie warten auf eine Inszenierung, die den Namen „Flug der Oscars“ trägt. Aus der Fabrik der Firma R. S. Owens in Chicago wird gerade der begehrteste Filmpreis der Welt eingeflogen. Während Flug 854 langsam heranrollt, werden die Journalisten von Polizisten mit mahlenden Kiefern und düsteren Blicken im Auge behalten. An den Flanken des Flugzeuges kann man zwei große Oscar-Aufkleber erkennen. Am Cockpitfenster reckt der stolze Pilot den Journalisten eine der Statuen entgegen. Exakt wie es im Ablaufplan steht.

Unterdessen händigt oben im Terminal Frank Pierson Geschenke aus. Der Präsident der Academy of Motion Picture Arts and Sciences – jener Organisation, die den Oscar vergibt – drückt jedem Passagier des Fluges einen Anstecker in die Hand, auf dem steht: „Oscar rocks!“ Eine Anspielung auf den Komiker Chris Rock, der in diesem Jahr die Verleihung moderiert.

Unten, vor dem Gate, beginnt der umständliche Entladevorgang. Buchstäblich wie ein deus ex machina, ein Filmgott aus dem Bauch der Maschine, kommt der Oscar auf die Erde nieder. Zwei schnauzbärtige Kerle der Academy öffnen den Frachtcontainer. Ruck, zuck hieven sie die zehn Oscar-Kartons vor den Augen der gierigen Fernsehkameras in einen verbeulten Lieferwagen. Dann fährt der Wagen davon. Das war’s?

Wenigstens tun die Zeitungen was dafür, dass das Blut in Wallung gerät. Die Wochenzeitung „LA Weekly“ lässt durchsickern, dass der Herausgeber der Zeitschrift „Vanity Fair“ – traditionell Veranstalter einer der begehrtesten Oscarnacht-Parties – die Produzenten Jeffrey Katzenberg („Shrek“) und Brian Grazer („A Beautiful Mind“) hintenrum als „Drecksäcke“ beschimpft hat – obwohl sie offiziell gut befreundet sind.

Die „New York Times“ meldet, dass die Stuntmen stinksauer sind: Sie wollen endlich auch mal einen Oscar. Und in der Zeitschrift „Entertainment Weekly“ macht der neue Moderator Chris Rock Alarm: Einige Herrschaften der Academy waren not amused darüber, dass Rock die Preisverleihungen an die Künstler als „fucking idiotic“ bezeichnet und die Veranstaltung als „Modenschau“ abgetan hat.

Schauen wir also mal bei der offiziellen „Oscar-Modenvorschau“ rein: Ein Laufsteg ist aufgebaut in der Lobby des Academy-Gebäudes, einem verspiegelten Hochhaus in Beverly Hills. Nicht weniger als 19 Kameramänner haben Position bezogen. Zwei Sender übertragen live. Sie sind bereits auf Sendung, als die Moderatorin der Veranstaltung die Frage aufwirft, womit sich die Stars denn auf die Oscars vorbereiten. Die Antwort brüllt ausgerechnet der Produzent der Oscar-Show, Gil Cates, in den Raum: „Drogen!“ Die Moderatorin lächelt kurz. Und kühl. Anschließend schreiten 15 Minuten lang Models durch die Lobby, deren Blick als mürrisch zu bezeichnen eine Gemeinheit gegenüber den Bill Murrays dieser Erde wäre. Den Damen wurden teure Frisuren aufgesetzt. Statt eines ihrer Kostüme zu erwerben, könnte man mehrmals um die Welt reisen. Ihr Schmuck ist bis zu zwei Millionen Dollar wert. Die rocks – englisch für Klunker – rocken also gewaltig. Chris Rock rockt kräftig mit.

Der Comedian soll der „zu steifen“ Oscar-Show als neuer Moderator einheizen. Im Kampf um Einschaltquoten und jüngere Zuschauer ist ein bisschen Streit im Vorfeld willkommen: zum Beispiel über die Idee, Oscars auch am Sitzplatz der Geehrten im Publikum zu übergeben, um den Ablauf der Zeremonie zu straffen und aufzulockern. Für andere Preisverleihungen sollen alle Nominierten zusammen auf die Bühne.

Einzig die Figur, um die es eigentlich geht, bewahrt Ruhe. Mit gewohnter Gelassenheit hält der Mann mit der goldenen Glatze sein Schwert vor dem Körper und blickt den Hollywood- Boulevard hinunter. Neben dem Eingang des für die Veranstaltung am Sonntag ebenfalls neu gestylten Kodak-Theaters wurde eine überdimensionierte Oscar-Statue aufgestellt. Zu ihren Füßen knien Handwerker und verlegen den berühmtesten aller weichen Teppiche, Farbe: rot.

Im Theater selbst sind Dutzende von Menschen am herumfuchteln. Gerade werden die „Sitzfüller“ angewiesen. Das sind 120 Personen, die während der Show den Platz der Berühmtheiten einnehmen, während diese nach draußen verschwinden. Ganz vorn in Reihe 1 sind große Kartonschilder an die Sitze gelehnt: Charlize Theron, Leonardo DiCaprio, Al Pacino als Pappkameraden. Wird wirklich Zeit, dass das Trara aufhört – und die Show sich mit Leben füllt.

Julian Hanich[Los Angeles]

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