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Update

Sicher gelandet: Der letzte Flug der "Discovery"

Noch einmal wurden die Astronauten mit der Stimme von Captain Kirk geweckt. Die US-Raumfähre "Discovery" ist für immer zur Erde zurückgekehrt. Jetzt kommt sie ins Museum.

Willkommen zurück. Alles ist gut gegangen: Das Spaceshuttle „Discovery“ ist am Mittwochabend exakt um 17.57 Uhr wieder auf der Erde gelandet – und wird hier nun für immer bleiben. Die älteste Raumfähre der US-Raumfahrtagentur Nasa wird ausgemustert und kommt ins Museum. Die beiden Schwesterschiffe haben noch eine Chance. Die für den 19. April geplante Mission der „Endeavour“ steht fest. Eventuell wird auch die „Atlantis“ am 28. Juni noch einmal abheben, zum definitiv letzten Shuttleflug. Aber noch ist die Finanzierung nicht gesichert und wie immer gibt es Fragen zu technischen Details.

Gerade in diesen beiden Punkten – Geld und Sicherheit – blieb das in den siebziger Jahren gestartete Shuttleprogramm hinter den Versprechen der Nasa zurück. Billig wurden die Flüge ins All nie. 50 Starts pro Jahr wurden angepeilt, zu Kosten von etwas über zehn Millionen Dollar. Tatsächlich kostete jeder Flug im Schnitt über eine halbe Milliarde Dollar, und selten waren es mehr als ein halbes Dutzend im Jahr. Zwei Flüge endeten in einer Katastrophe: 1986 explodierte die „Challenger“, 2003 die „Columbia“. 14 Astronauten kamen dabei ums Leben.

Daran will aber kaum jemand erinnert werden in der Abschiedseuphorie der Shuttle-Nation. Vor allem in den Staaten Florida, Alabama und Texas, wo die Nasa tausende Mitarbeiter beschäftigt, nimmt die Raumfahrtbegeisterung fast religiöse Züge an. Selbst das Smithsonian-Luft- und Raumfahrtmuseum im fernen Washington gehört immer noch zu den am meisten besuchten Museen der Welt, neben dem Louvre in Paris. Schwer genug, dass die Shuttle-Ära endet – unter anderem deshalb, weil die Fähren nur im erdnahen Orbit fliegen können und Reisen zu Mond und Mars damit unmöglich wären. Seit sich vor einem Jahr Präsident Barack Obama und Nasa-Chef Charles Bolden darauf einigten, das Nachfolgeprogramm „Constellation“ zu streichen, wird es auf absehbare Zeit keine staatliche bemannte Raumfahrt mehr in den USA geben. Privatfirmen sind aufgerufen, mit erheblicher finanzieller Unterstützung Konzepte für den Taxidienst zur Internationalen Raumstation (ISS) zu entwickeln. Bis das gelingt, Experten schätzen um 2015, sind die US-Astronauten auf Mitfliegerplätze in den russischen „Sojus“-Kapseln angewiesen, die von Baikonur aus zur ISS geschossen werden. Für viele Amerikaner ein Unding.

Umso leidenschaftlicher fällt das Geleit für die verbliebenen drei Raumfähren aus, allen voran die „Discovery“. Die Nasa hat eine Liste mit den herausragenden Eigenschaften der Raumfähre erstellt. Seit dem 30. August 1984 flog sie insgesamt 38 mal ins All. Zusammengenommen schwebte sie fast ein Jahr lang in der Erdumlaufbahn und umkreiste den Planeten dabei 5628 mal. Bei dem im Orbit üblichen Tempo von rund 28 000 Sachen kommen fast 230 Millionen Kilometer zusammen. Die „Discovery“ kann damit getrost als Dienstfahrzeug mit der größten Laufleistung bezeichnet werden.

In der Raumfahrt werden die Dienstreisen oft „Mission“ genannt. Nicht ohne Grund. Gerade die „Discovery“ war nicht nur für Wissenschaftler unterwegs, sondern auch, um Politik zu machen. Sie war die erste US-Raumfähre, die die russische Raumstation „Mir“ ansteuerte und damit die Kooperation der einstigen Gegner im Orbit sichtbar machte. Zehn Jahre zuvor reiste mit ihr der erste Politiker ins All, der republikanische Senator Jake Garn. Auf weiteren Flügen waren unter anderem die erste Pilotin eines Spaceshuttles (Eileen Collins), der älteste Astronaut (John Glenn, 77) sowie der erste russische Raumfahrer in einem Shuttle (Sergei Krikaljow).

Die wohl bedeutendsten Missionen hatte die „Discovery“ 1988 und 2005 zu absolvieren. Sie beendete die langen Pausen nach den „Challenger“- und „Columbia“-Katastrophen und sollte mit ihrem Start zeigen, dass die Nasa wieder zum Flugbetrieb zurückkehrt. Immer wieder wurden die Spaceshuttles verändert, die nicht nur aus den markanten weißen Gleitern bestehen, sondern auch aus dem großen Tank für Flüssigtreibstoff und den beiden Feststoffraketen, die das 2000 Tonnen schwere Gespann der Erdanziehungskraft entreißen sollen. Der Großteil der Technik stammt aber aus den siebziger Jahren. „Der Spaceshuttle ist nicht wirklich ein sicheres Fahrzeug, es ist ein Experimentierfahrzeug“, sagte vor drei Jahren der damalige Manager des Shuttle-Programms, Wayne Hale. Ein Offenbarung.

Deshalb kann der letzte Flug der „Discovery“ erst dann bejubelt werden, wenn sie sicher gelandet ist. Am Montag hat sie von der ISS, wohin die Crew Versorgungsgüter gebracht und bei Wartungsarbeiten geholfen hatte, abgelegt und die Heimreise begonnen. Das Weckritual, mit dem die Mannschaft gewöhnlich von Houston aus mit bestimmter Musik auf den Tag eingestimmt wird, wurde geändert. Stattdessen ertönte die Stimme von William Shatner, der in „Star Trek“ Captain James Kirk spielte. Nach der Erkennungsmelodie sagte Shatner etwas abgewandelt: „Der Weltraum, unendliche Weiten. Das waren die Abenteuer des Spaceshuttles Discovery. Ihre 30-jährige Mission: neue Erkenntnisse zu gewinnen ... Nationen zusammenzubringen ... zu tun, was kein Raumschiff zuvor getan hat.“ Und gestern wurde die Crew zum ersten Mal in der Geschichte der US-Raumfahrt mit Livemusik statt Beats vom Band geweckt. „Blue Sky“ von Big Head Todd and the Monsters. 722 662 Stimmen wurden online für den Song abgegeben.

Wie immer werden heute die Familien der Astronauten an der Landebahn des Kennedy-Space-Centers in Florida auf die Rückkehr warten. Die nächste Reise der Raumfahrer beginnt, wenn überhaupt, in Baikonur. Die „Discovery“ wird nur noch einmal bewegt. Sie kommt auf das Gelände des Smithsonian-Luft- und Raumfahrtmuseums nahe des Flughafens von Washington und ersetzt dort das Testshuttle „Enterprise“, das nie den Weltraum erreichte. Was mit den übrigen Raumfähren geschieht, ist noch offen. Nach Angaben des „Orlando Sentinel“ gibt es 28 Bewerber, vor allem Museen, die eines dieser Geräte haben wollen.

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