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Die Konturen von Jama Masjid, der größten Moschee Indiens, verschwinden im giftigen Smog.
© Sajjad Hussain/AFP

Smogalarm in Indien: Delhi unter giftiger Dunstglocke

Die Behörden der indisischen Hauptstadt verhängen Fahrverbote und schließen die Schulen. Doch wirkliche Lösungen werden Jahrzehnte brauchen.

Der Giftnebel hängt träge über der indischen Hauptstadt New Delhi. Jeder Atemzug erzeugt Hustenreiz, Kopfschmerzen und Übelkeit. Hunderte Flug- und Zugverbindungen sind abgesagt, rund 4000 Schulen geschlossen, der Verkehr fließt wegen der geringen Sicht von teils unter zehn Metern nur noch zäh. Delhis notorischer Smog übertrifft die toxischen, krebserregenden Werte der chinesischen Hauptstadt Peking um das zehnfache. Das von der Weltgesundheitsorganisation gesetzte Limit ist um das dreißigfache erhöht. Experten zufolge entspricht dies etwa dem Rauchen von 50 Zigaretten an einem einzigen Tag. Indiens Ärzte-Vereinigung spricht von einem „öffentlichen Gesundheitsnotstand“. Im Sir Ganga Ram Hospital in Delhi hat sich die Zahl der Patienten mit Atemproblemen in den letzten Tagen verdoppelt.

Eine Qual für 20 Millionen Einwohner

Wenn der Winter in Nord-Indien beginnt, beginnen auch die trüben, feuchten Tage, die dichten Nebel bringen, der sich rasch in Smog verwandelt. Autoabgase, Fabrik-Emissionen, Staub von Baustellen und Feuer von Feldern und Müllhalden verschärfen das Luftproblem. Für die 20 Millionen Einwohner wird dann das Leben zur Qual. Delhis Ministerpräsident Arvind Kejriwal sprach von einer „Gaskammer“ und machte die umliegenden Bundesstaaten für den Dreck verantwortlich. In diesem Jahr ist die Lage so schlecht, dass selbst die Menschenrechtskommission Indiens sich in der Pflicht sieht, einzuschreiten: „Der Staat kann seine Bürger nicht in diesem Giftnebel sterben lassen“, erklärte die Kommission und forderte „wirkungsvolle Maßnahmen“. Auch Indiens Umweltrat befand, den Menschen werde das „Recht auf Leben“ verweigert. Der Rat forderte den Einsatz von Armeehelikoptern, um Regen auszulösen, und so Erleichterung für die Gesundheit der Stadtbewohner zu schaffen. Die Feuerwehr war im Einsatz, um mit dem Versprühen von Wasser zu verhindern, dass noch mehr Staub auf den Straßen aufgewirbelt wird.

Delhis Regierung erließ ein Teil-Fahrverbot für Autos: vom 13. bis 17. November sollen jeweils alternierend nur noch Fahrzeuge mit geraden oder ungeraden Kennzeichennummern unterwegs sein. Am Mittwoch waren Feinstaubwerte von 986 für PM 10-Partikel gemessen worden, der Grenzwert liegt bei 100. Bei PM 2,5 lag die Messung bei 420, der Grenzwert bei 60.

Flucht in die Berge

„Flieht nicht in die Berge“, appellierte die Zeitung „Indian Express“. Wie bereits bei den vergangenen Smog-Krisen hat sich ein Teil der besser gestellten Einwohner in beschauliche, saubere Orte im Himalaya-Gebirge aufgemacht, um in Ladakh, Mussoorie oder McLeodganj die Giftluft auszusitzen. Es sei Pflicht der Stadt-Bewohner, sich für die saubere Luft einzusetzen und selbst Maßnahmen zu ergreifen, um das Problem zu beheben: weniger Autofahren, mehr öffentliche Verkehrsmittel wie die Metro nutzen, Abfall vermeiden und Umweltprobleme zu einem politischen Thema machen, das Wahlen beeinflusst, meinte die Zeitung.

Dies wäre dringend nötig. Denn auch in diesem Jahr hat der Smog-Alarm in Delhi zu einem politische Hauen und Stechen zwischen Delhis Regierung, der indischen Zentralregierung und den Regierungen der angrenzenden Bundesstaaten geführt. Jeder schiebt Schuld und Zuständigkeit auf den anderen. Von einem Dialog ist man weit entfernt, von koordinierten Handlungen noch weiter. Und auch von der Wetterlage her so schnell keine frische Brise zu erwarten. Die dicke Smog-Decke hat sich auch in anderen Städten Nordindiens bis hoch nach Pakistan ausgebreitet. Kleinere Städte in Nordindien wie Lucknow, Agra, Kanpur oder Muzzafarpur registrierten teils noch schlechtere Luftqualitätswerte als die indische Hauptstadt.

Feuerwerk verboten

Im vergangenen Jahr hatte Delhi eine ähnlich schwere Smog-Krise erlebt. Kurz nach dem Lichterfest Diwali, was traditionell mit Feuerwerk begangen wird, hatte die Luftverschmutzung neue Rekordwerte erreicht: Die Regierung von Delhi rief den Notstand aus, schloss Schulen, Baustellen, Kohlekraftwerke und schränkte das Autofahren ein. In diesem Jahr hatte das Oberste Gericht des Landes sogar den Verkauf von Feuerwerk zu Diwali verboten, um einer erneuten Luft-Krise vorzubeugen. Zwar brachte das Kracher-Verbot in den Tagen unmittelbar nach Diwali Besserung, doch nun ist die Smog wieder da. Atem-Masken, wie sie in diesen Tagen überall im Stadtbild von New Delhi zu sehen sind, helfen da nur wenig. Wirkungsvolle Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität müssen über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte hinweg implementiert werden. Kurzzeit-Lösungen helfen nur bis zur nächsten Smog-Alarm.

Von Agnes Tandler

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