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Eine Welt in Rosa und Pink, sogenannte "Mädchenfarben": Die Komikerin Mirja Boes präsentierte am Dienstag My Little Pony von Hasbro in Nürnberg (Bayern) während der Neuheitenschau zur 66. Internationalen Spielwarenmesse.
© dpa

Genderdebatte in der Spielzeugwelt: Das „Rosa-Gen“

Unbedingt pink, wünscht sich die Tochter. Auf keinen Fall pink, trotzt der Sohn. Die Eltern suchen derweil verzweifelt nach Spielzeug in neutralen Farben - das aber ist selten geworden. Experten warnen vor den Folgen.

Das Einhorn hat ein rosa Fell, das Spielzeughaus mit der lila Fassade steht neben dem knallpinken Roller, und selbst die Konstruktionsbausteine sind in einer Prinzessinnenkutsche verpackt. Keine Frage: Dieser Teil des Spielzeugladens ist den Mädchen vorbehalten. Nur wenige Meter weiter dominieren düstere und aggressive Farben das Bild - in der Jungenabteilung geht es mit Kampffiguren und Abenteuerwelten robuster zu. Die fortschreitende Aufteilung der Spielzeugwelt in Jungs- und Mädchenprodukte spiegelt sich auch auf der derzeit stattfindenden Spielwarenmesse in Nürnberg wieder. Bei Experten lässt sie sämtliche Warnglocken schrillen.

Entsetzen in der Genderforschung

„Diesen Rückwurf auf einen geschichtlichen Status zu beobachten, den man bereits einmal überwunden hatte, löst in der Genderforschung Entsetzen aus“, sagt Susanne Wunderer, Expertin für geschlechtersensible Erziehung in Kindergärten. „Man ist wieder vor der Frauenbewegung angelangt.“ Seit etwa 15 Jahren nimmt das „Gendermarketing“ von Spielsachen massiv zu. Inzwischen werden auffällig viele Spielsachen, mit denen früher beide Geschlechter einträchtig gespielt haben, explizit als Mädchen- oder Jungenprodukte beworben und sind anhand der Aufmachung auf den ersten Blick zu unterscheiden. Die Farben an sich wären aus Sicht der Geschlechterforscher dabei nicht so dramatisch - wenn die Zuordnung nicht mit Bedeutung aufgeladen wäre.

Spielzeug für Jungen wird mit Attributen wie aktiv, wild und mutig verbunden, Mädchensachen hingegen mit niedlich, süß und dekorativ. Während Jungs im Weltraum Abenteuer bestehen und als Ritter oder Detektiv für das Gute kämpfen, bekommen Mädchen Beautysalons, Shoppingcenter und Ponyhöfe als Spielumgebung angeboten. „Damit sind Eigenschaften und letztlich Zukunftsmodelle verbunden: Das Mädchen, das sich mit seinem Aussehen beschäftigt, und der Junge, der sich für Technik interessiert“, kritisiert Buchautor Sascha Verlan. „Da wird ein 50er-Jahre-Ideal entworfen. Und zugleich werden Werte und Einstellungen vermittelt, was weiblich und was männlich ist.“ Dass die Industrie derart auf den Geschlechterzug aufspringt, ist für Verlan wenig überraschend.

Kulturell, nicht biologisch

„Von der Marketingseite her mag es sinnvoll erscheinen, weil trotz der seit Jahren zurückgehenden Geburtenraten der Umsatz weiter gesteigert werden soll. Da ist es plausibel, wenn die Spielsachen in einer Familie nicht wie früher weitergegeben werden können, sondern so stark geschlechtsspezifisch aufgemacht sind, dass es für einen kleinen Jungen nicht denkbar ist, mit dem rosa Fahrrad seiner älteren Schwester zu fahren.“ Die Hersteller argumentieren oft, mit ihren spezifischen Angeboten den „natürlichen Bedürfnissen“ der Kinder nachzukommen. Wissenschaftler widersprechen jedoch: Es gibt kein „Rosa-Gen“. „Kinder wollen sich selbst und ihre Welt verstehen. Alles andere ist kulturell bedingt, nicht biologisch“, betont die US-amerikanische Forscherin Jo Paoletti von der University of Maryland.

Durch Blicke, Gesten und Kommentare lernen Kinder extrem früh, welches Spielzeug ihnen zugedacht ist und welches Verhalten ihnen zugestanden wird. Auch Wunderer betont: „Alle Kinder kommen mit der gleichen Neugier auf die Welt. In die Richtung, in die man sie ermuntert, gehen sie weiter.“ Am Ende landen die einen in schlecht bezahlten Dienstleistungsberufen und die anderen auf gut dotierten Entwickler- oder Führungsposten. Wunderer verweist auch auf die emotionalen Folgen stereotyper Geschlechterrollen: Mädchen dürfen nicht zu lebhaft sein. „Und Jungs wird das Gefühlsrepertoire, weinerlich und ängstlich zu sein, abtrainiert. Sie gelten sonst als Heulsusen.“ Ein Paradox, findet Stevie Schmiedel von der Kampagne „Pinkstinks“, die sich gegen überkommene Rollenbilder wendet.

Was sollen Eltern tun?

„Wir erwarten von Männern heute, dass sie stark im Haushalt und der Kindererziehung präsent sind, und gleichzeitig finden wir es völlig absurd, dass kleine Jungs mit Puppen spielen könnten - da haben wir gleich das Bild „homosexuell“ im Kopf.“ Was also sollten Eltern tun? Auf keinen Fall den Kindern die heiß erwünschte Prinzessin oder den Actionhelden immer verweigern, sind sich die Fachleute einig. Aber sich über deren Einfluss bewusst sein und gezielt auch andere Produkte schenken. „Wir müssen allen Kindern möglichst viele Erfahrungen ermöglichen“, betont Verlan, der das Buch „Die Rosa-hellblau-Falle“ geschrieben hat. Seine Co-Autorin Almut Schnerring ergänzt: „Wir müssen den Blick auf unsere Kinder verändern, das Geschlecht hintenanstellen und deren individuellen Stärken und Interessen in den Vordergrund stellen.“ (dpa)

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