Läuft nicht mehr: Das „Jugendwort des Jahres“ fällt aus
Nach der Übernahme des Langenscheidt-Verlags durch Pons gibt es 2019 kein Jugendwort des Jahres - und damit auch keinen Nachfolger von „Babo“, „Smombie“ und Co.
Es ist das Ende einer kleinen Ära: Die Wahl zum „Jugendwort des Jahres“ fällt in diesem Jahr aus. Kein „Babo“ mehr, kein „Smombie“, kein „Yolo“ und kein „I bims“. Das bestätigt der Leiter des Pons-Verlags, Erhard Schmidt, der Deutschen Presse-Agentur. Ob es sich um ein endgültiges Aus für die stets medienwirksam inszenierte Wahl oder nur um eine Pause handelt, „wird noch entschieden“, sagt er. Das Jugendwort, diese umstrittene wie belächelte kleine Institution in der deutschen Sprache, es gibt sie nicht mehr - zumindest vorerst.
Hintergrund ist eine grundlegende Umwälzung in der Verlagslandschaft. Jahrelang hatte der Langenscheidt-Verlag in München das Jugendwort gesucht, um damit Werbung zu machen für sein Lexikon „100 Prozent Jugendsprache“. Eine Jury kürte Wortneuschöpfungen wie „Smombie“, ein Kunstwort aus Smartphone und Zombie, den Satz „Läuft bei dir“, „Babo“, was so viel bedeutet wie Boss, und „Yolo“ für „You only live once“ - man lebt nur einmal.
Endgültiges Aus oder nur eine Pause?
In diesem Frühjahr aber hatte die Konkurrenz, der zur Klett-Gruppe gehörende Pons-Verlag in Stuttgart, die Marke Langenscheidt und die zugehörigen Produkte übernommen. „Der Deal kam für das Produkt zu einem ungünstigen Zeitpunkt“, sagt Pons-Chef Schmidt. Der Zustand des Lexikons „war nicht so, dass wir das Produkt in diesem Jahr in einem vernünftigen Zustand zu Ende führen konnten“. Und darum fällt jetzt eben auch die Werbung dafür aus.
Richtig tragisch sei das nicht, meint Annette Trabold, die Sprecherin des Leibniz-Institutes für deutsche Sprache (IDS) in Mannheim. „Diese Jugendwörter waren ja nicht ganz einwandfrei statistisch belegt. Da waren Modeerscheinungen und Eintagsfliegen dabei.“ Das IDS erfasst seit Jahren Wortneuschöpfungen in einem Neologismenwörterbuch. „Die Auswahl des Jugendwortes hat unseren Ansprüchen nicht genügt.“ Allerdings - und das betont sie - sei es immer schade, wenn ein Anlass abhanden kommt, über Sprache nachzudenken, über Sprache zu diskutieren.
Ähnlich sieht das auch der Sprachwissenschaftler Nils Uwe Bahlo, der an der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) in Münster zur Sprache der Jugend forscht: „Die Wahl zum Jugendwort hat zum Nachdenken über Sprache angeregt. Auch wenn es sicherlich unwissenschaftlich war, hat es doch so herrlich kontrovers zu Diskussionen um und über Sprache angeregt.“
Gibt es wirklich Leute, die so reden? und sind die wirklich jung?
Denn diskutiert wurde viel über das Jugendwort. War es nun die „Gammelfleischparty“, eine wenig schmeichelhafte Bezeichnung für eine Ü-30-Party und 2008 das erste gekürte Jugendwort überhaupt, oder 2016 „Fly sein“. Der Ausdruck kommt aus der Hip-Hop-Sprache und soll so viel bedeuten wie: Jemand oder etwas „geht besonders ab“. Die Reaktionen immer wieder: Gibt es wirklich junge Leute, die so reden? Und sind die wirklich jung?
„Jugendsprachen sind wie jeher stilistische Modeerscheinungen, die von Gruppe zu Gruppe variieren können“, sagt Bahlo. „Allen gemein ist die Grundlage: die deutsche Sprache.“
Medienberichten zufolge hatte sich zwischenzeitlich ein anderer Anbieter gefunden, der die Jugendwort-Wahl in einem reinen Online-Voting fortführen wollte. Nachdem die Seite gehackt wurde, habe er aber Abstand von der Idee genommen. Sie ist inzwischen nicht mehr online. Pons war nach Angaben Schmidts an der neuen Wahl-Aktion nicht beteiligt. Die Ermittlung eines Jugendwortes sei aber nicht geschützt. „Daher können wir so eine Aktion auch nicht verbieten. Diese Aussage haben wir auch gegenüber der Firma gemacht, die diese Aktion durchgeführt hat“.
Sprachwissenschaftler Bahlo wäre - im Sinne der Diskussion - „sehr dafür“, die Wahl wieder aufleben zu lassen. Auch, weil dann sein ganz persönlicher Favorit womöglich noch eine Chance auf den Titel hätte: der türkische Ausdruck Çüs, der so viel bedeutet wie „Oha“ oder „Boah“ und fast klingt wie das deutsche „Tschüss“. Doch jetzt heißt es erst mal: Tschüss, Jugendwort! (dpa)
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