Auftakt zum 180. Oktoberfest: Das Dirndl muss sitzen
Das 180. Oktoberfest hat begonnen – die Münchner freuen sich und leiden still. Das Dirndl findet immer weitere Verbreitung, auch außerhalb Bayerns. Billigware aus Fernost überschwemmt die Märkte.
München steht wieder Kopf – Mit dem Ruf „Ozapft is!“ hat Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) am Samstag die Wiesn eröffnet. Er brauchte erneut nur zwei Schläge, um das erste Fass Bier anzuzapfen. Mit Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) stieß Ude auf eine friedliche Wiesn an. Die erste frisch gezapfte Maß Bier gebührt traditionell dem bayerischen Regierungschef.
Es ist das weltweit größte Volksfest, im vergangenen Jahr kamen 6,4 Millionen Besucher in den 16 Tagen. Für den SPD-Oberbürgermeister Christian Ude ist es die letzte Wiesn nach 20 Jahren Amtszeit. Von ihm wird erwartet, dass er das erste Fass im Schottenhamel-Zelt erneut mit zwei professionellen Schlägen anzapft. Die erste frische Maß überreicht er traditionsgemäß dem bayerischen Ministerpräsidenten, Horst Seehofer (CSU).
"Sky Fall" ist die Neuheit in diesem Jahr auf dem Oktoberfest
Der Gegensatz von gemütlicher Tradition und grellem High-Tech-Spektakel prägt das Oktoberfest. Als Neuheit wird etwa der wahnwitzig wirkende „Sky Fall“ präsentiert: Auf diesem neuen „Free Fall Tower“ werden die Besucher in 70 Meter Höhe gehoben, um dann im freien Fall nach unten zu rasen. Eine Bremse fängt die Kabine vor dem Aufschlagen ab. Es sind die markerschütternden Schreie der Insassen, die man über das halbe Festgelände hört.
Sogar einen Flohzirkus gibt es noch
Ganz anders wiederum der wohl kleinste Schaubetrieb: der Flohzirkus Birk, der schon seit 1948 auf dem Oktoberfest vertreten ist. Am besten betrachtet man mit einer Lupe, wie die Flöhe kleine Kutschen ziehen oder winzige Bälle in ein Tor schießen – es ist ein Miniatur-Vergnügen. Genährt werden die Tiere am Unterarm des Betreibers mit dessen Blut.
Die massenhafte Kostümierung in Tracht ist die augenfälligste Veränderung auf dem Oktoberfest in den letzten zehn Jahren. Früher kleideten sich nur bajuwarische Traditionalisten so. Bei Frauen ist es das Dirndl, bei Männern die Lederhose und der Janker. Kostet eine echte handgemachte Tracht aus Bayern Hunderte von Euro, so gibt es die Billigimporte aus China oder Vietnam schon für einen zweistelligen Betrag. Sie halten Einzug in die Klamottenläden von ganz Deutschland – wie auch das Oktoberfest selbst unzählige Kopien auf der ganzen Welt hat.
Mittlerweile interessieren sich auch die auswärtigen Besucher für die genaueren Dresscode-Regeln. Wichtig ist ein Blick auf die Schleife der Dirndlschürze: Ist sie links gebunden, ist die Dirndlträgerin ledig. Rechts bedeutet liiert oder verheiratet, wer sie hinten trägt, ist verwitwet. Immer wieder wird auf glückliche Paare hingewiesen, die sich auf der Wiesn kennengelernt haben. Die Zahl derer, die sich aber auf der Wiesn getrennt haben, dürfte nicht kleiner sein – denn neben dem Anbandeln kommt es häufig zum Fremdflirten oder hemmungslosen Besäufnissen.
Die Australier trainierten schon am Donnerstag das Kampftrinken - im Kloster Andechs
Die Zahlen zur Wiesn sind eine Statistik der Superlative: 6,9 Millionen Maß Bier wurden letztes Jahr getrunken und mehr als eine Million halbe Hendl verzehrt, dazu 116 Ochsen und 57 Kälber. Die großen Festhallen bieten mehr als 100 000 Sitzplätze, 111 000 Maßkrüge sollen trotz der strengen Sicherheitsdienste gestohlen worden sein. Doch ist das Oktoberfest nicht in erster Linie eine feucht-fröhliche Touristenveranstaltung – 72 Prozent der Besucher kommen aus Bayern, davon wiederum 60 Prozent aus München selbst.
Die Münchner freuen sich und leiden still in dieser Zeit. Die U-Bahnen sind dauerverstopft mit johlenden Wiesn-Besuchern, die schon in der Frühe vorglühen. Hotels und freie Zimmer gibt es in dieser Zeit keine. Manch ein Anwohner findet am Vormittag Menschen in seinem Vorgarten, die ihren Rausch ausschlafen. Im vergangenen Jahr gab es 2000 Wiesn-Polizeieinsätze, 800 Alkoholpatienten, 1400 Straftaten wurden begangen.
Berüchtigt sind die Australier und Neuseeländer. Bereits am gestrigen Donnerstag trafen sich Tausende von ihnen im 50 Kilometer entfernten Kloster Andechs, um dort ihre Trinkfestigkeit für das anstehende Oktoberfest zu trainieren.
Oldtimer-Autoscooter auf der „Oide Wiesn“
Besonders Familien mit kleineren Kindern freuen sich da lieber auf die „Oide Wiesn“, die alte Wiesn von früher. Das ist die letzte wirkliche Innovation seit drei Jahren. Auf einem abgetrennten Bereich des Geländes soll es dort so zugehen wie früher, in der angeblich guten alten Zeit. Ein Holz-Wiesnrad von 1921 dreht sich, Zuckerwaren „Anno 1900“ werden angeboten, und es fährt ein mehr als 50 Jahre alter Autoscooter. Im „Herzkasperlzelt“ wird junge Volksmusik gespielt, auch gibt es ein eigenes „Oide Wiesn“-Bier. Die Tradition ist natürlich auch schon wieder Kommerz, doch allein schon der geringere Geräuschpegel ist für viele Besucher, die es ruhiger mögen, eine Wohltat.
Mit Christian Ude, dem gescheiterten SPD-Kandidaten für die Landtagswahl, verbinden die Münchner eine lange Wegstrecke Oktoberfest. Im kommenden Frühjahr tritt er in Ruhestand. Gestern sagte er, er freue sich auf ein entspanntes und freundliches Fest. Er werde Horst Seehofer, dem er unterlegen ist, „sauber einschenken, aber nur im wörtlichen Sinne“.
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität