Monica Lierhaus: "Da bin ich"
Mit einem Überraschungsauftritt im ZDF tritt Moderatorin Monica Lierhaus wieder ins Rampenlicht. Die Zurschaustellung ihres Leidens in der Welt der Schönen und Perfekten hat viele bewegt, aber auch schockiert.
Mit kleinen, mühsamen, fast roboterhaften Schritten kehrte Monica Lierhaus am Samstagabend ins Rampenlicht zurück. Den Ehrenpreis der Goldenen Kamera nahm die Sportmoderatorin, die monatelang im Koma gelegen hatte und zwei Jahre lang aus der Öffentlichkeit verschwunden war, bei einem völlig überraschenden Auftritt in der Berliner Ullstein-Halle in einer langen, leuchtend blauen Robe entgegen. Den Lebenswillen ins Gesicht geschrieben, die Stimme schleppend und heiser, sagte sie: „Es ist tatsächlich schon sehr lange her, dass ich das letzte Mal auf einer Bühne stand, und unter diesen Voraussetzungen schon mal gar nicht. Und jetzt kann ich es kaum fassen. Da bin ich!“
Alles, alles, hatte die 40-Jährige von Grund auf neu lernen müssen in diesen zwei Jahren, denken, gehen, sprechen, essen. Im Publikum kämpften Herbert Knaup und Armin Rohde mit den Tränen, Sandra Maischberger und Barbara Schöneberger guckten ernst und mit der Art von Aufmerksamkeit, die man aufbringt, wenn man etwas verstehen will, was im Grunde gar nicht zu verstehen ist, Leute-Profi Nina Ruge guckte erschrocken und anteilnehmend. Armin Mueller-Stahl trug einen gleichzeitig aufmerksamen und respektvollen Gesichtsausdruck. René Zellweger lächelte aufmunternd, wie jemand, der sich aufrichtig freut, dass einem Menschen etwas Großartiges gelungen ist. Günter Jauch, der kurz zuvor noch lächelnd mit seiner Frau geflüstert hatte, guckte plötzlich auch ganz ernst und applaudierte heftig.
Nach fast dreistündiger Verleihungszeremonie mit Auftritten unter anderem von Michael J. Fox, John Travolta, Robin Gibb und Danny DeVito hatten sich die Gäste innerlich bereits auf Champagner und Partymusik eingestellt, als plötzlich Günter Netzer die Bühne betrat, als Laudator für einen Ehrenpreis. Er würde lieber in der 90. Minute vor einer Milliarde Menschen einen Elfmeter schießen, gestand er, weil er „so nervös“ sei. Da hatte er sich umgehend die ganze Aufmerksamkeit eingefangen. Als er schließlich sagte: „Willkommen zurück“, brach seine Stimme kurz ab, klang es fast wie ein Schluchzer. Man hatte über die Krankheit von Monica Lierhaus gehört und spekuliert, aber auf diesem Glamour-Gipfel der Schönen und Perfekten damit konfrontiert zu werden, wie erbarmungslos das Schicksal gerade auch eine schöne und perfektionshungrige Frau treffen kann, und wie viel Kraft es kostet, dagegen anzukämpfen, das schien zunächst Schockwirkung zu haben. Viele schlugen die Hände vors Gesicht. Nur die Krankenschwester Jacqueline lächelte unbefangen und herzlich, freute sich vielleicht an diesem großen Schritt ihrer Patientin nach vorn. Als Monica Lierhaus am Schluss ihrer Dankansprache völlig unerwartet ihrem Lebensgefährten, dem TV-Produzenten Rolf Hellgardt, einen Heiratsantrag machte, löste sich die Spannung auf einmal in ein befreiendes Lachen. Noch mal große Emotion, als der daraufhin auf die Knie geht und den Antrag annimmt. Moderator Hape Kerkeling, der den Abend mit viel Witz gestaltet hatte, wusste, wie er später bei der After-Show-Party sagte, in dem Moment nicht mehr, wie er noch weitermoderieren sollte. Davon habe keiner etwas gewusst. Er schaffte es aber ganz souverän.
In der Atmosphäre der Ergriffenheit schafften es nur wenige, ambivalente Gefühle zu äußern, die diese Zurschaustellung auch hervorrufen kann. Der Regisseur Dieter Wedel war einer von ihnen. „Ich hätte auf das Eheversprechen am Ende verzichten können. Ich meine, wir müssen aufpassen, dass nun nicht alles zur Show, zur Soap Opera verkommt“, sagte Wedel laut dpa. „Ein paar Bereiche in unserem Leben sollten wir vielleicht davon ausnehmen.“ Aber, so schränkte Wedel gleich selbst ein, vielleicht empfindet man das auch ganz anders, wenn man in dieser Situation ist – er könne sich wohl nicht anmaßen, ein endgültiges Urteil zu fällen.
Die Überraschung des Auftritts hatte vielen zunächst die Sprache verschlagen. Vielleicht lag das auch an der Perfektion des Auftritts, an der offenbar durchgeplanten Inszenierung, mit der auf einen Knalleffekt gesetzt wurde.
Die meisten Anwesenden wählten den Ausdruck „ergreifend“ für diesen Auftritt, selbst Menschen, die in ihrem Leben schon so viel gesehen haben wie Produzent Artur Brauner und Frau Maria. Viel gelobt wurde in diesem exklusiven Kreis der nach Makellosigkeit strebenden Filmkünstler der Mut, sich so zu zeigen.
Mutig war es zweifellos, was Monica Lierhaus da getan hat. Welche Motive dazu beigetragen haben könnten, darüber gibt es keine Informationen.
Monatelang hatte sie sich abgeschirmt. Und dann plötzlich diese Bühne. Auf dieser ZDF-Bühne dankte sie auch der ARD, die immer zu ihr gehalten habe.
Die Fernsehjournalistin war im Januar 2009, kurz nachdem sie noch ein Springen der Vierschanzentournee moderiert hatte, für eine Gehirnoperation in ein Hamburger Krankenhaus gegangen. Laut „Bild am Sonntag“ kam es bei der Operation, bei der ein Aneurysma im Gehirn verschlossen werden sollte, zu einer Hirnblutung, die die Ärzte stoppen konnten. Die Folge war ein fast viermonatiges künstliches Koma, in dem Lierhaus viel Muskelkraft sowie Teile ihres Sprachvermögens verlor. Sie kam anschließend acht Monate in eine Reha-Klinik am Bodensee und war lange Zeit auf einen Rollstuhl angewiesen. Seit etwa einem Jahr ist sie wieder zurück in ihrem Haus in Hamburg, schreibt „Bild am Sonntag“. Das Blatt war rechtzeitig zur Verleihung der Goldenen Kamera neben dem ZDF offenbar von Lierhaus auserkoren worden, vom „Wunder ihrer Rückkehr“ und Zukunftsplänen zu berichten. „Das Wichtigste für mich ist nun, meine Eigenständigkeit und meine Unabhängigkeit wiederzuerlangen. Dafür kämpfe ich, jeden Tag, sehr hart“, sagte Lierhaus. „Sehr hart arbeite ich daran, wieder einmal vor der Kamera stehen zu können.“ Ob und inwiefern die ARD-Verantwortlichen vorher von Lierhaus’ Auftritt im ZDF in Kenntnis gesetzt worden waren, ist unklar. Seit 2004 hat Monica Lierhaus das Profil der ARD-„Sportschau“ wesentlich mitgeprägt, moderierte bei sportlichen Großereignissen. Programmdirektor Volker Herres ließ am Sonntag lediglich ausrichten: „Wir freuen uns sehr, dass es Monica Lierhaus mittlerweile wieder gut genug geht, um im Fernsehen auftreten zu können.“ In einem Interview mit der „Bunten“ im September 2010 hatte Herres noch gesagt, dass die Entscheidung, ob die sich auf dem Wege der Genesung befindende ehemalige Moderatorin wieder beim Sender arbeiten möchte, bei ihr selbst liege. Am Dienstag um 14 Uhr 30 soll es bei einer Pressekonferenz mehr zu dem Thema Monica Lierhaus geben, im Anschluss an die ARD-Intendantensitzung in Köln.
Zu Beginn des Abends hatte die ebenfalls mit einer Goldenen Kamera ausgezeichnete Gloria Gaynor ihre Überlebenshymne „I will survive“ gesungen. Auch bei der Aftershow-Party erklang das Lied, aber da hatte es plötzlich einen ganz anderen Klang. Monica Lierhaus selber war da schon nicht mehr anwesend. Günter Netzer hingegen hatte sich wieder gefangen und fasste zusammen, was in ähnlichen Worten auch andere gesagt und gedacht haben: „Wichtig ist doch, dass es ihr selber etwas gegeben hat.“
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