Panorama: Christopher Street Day: 31 Jahre danach hat das Stonewall Inn eine Schanklizenz
Die attraktivsten Männer New Yorks flanieren in lauer Juninacht durch die Straßen des West Village. Hier, in der Christopher Street, dem Mittelpunkt der Gay Community mit ihren vielen Restaurants, Bars, Clubs, Geschäften und Galerien, befindet sich ein unscheinbares Lokal.
Die attraktivsten Männer New Yorks flanieren in lauer Juninacht durch die Straßen des West Village. Hier, in der Christopher Street, dem Mittelpunkt der Gay Community mit ihren vielen Restaurants, Bars, Clubs, Geschäften und Galerien, befindet sich ein unscheinbares Lokal. "Stonewall" zeigt eine billige Neonröhre an.
Wer ins Dunkle dieser Bar steigt, merkt schnell, dass von den attraktiven Kerlen draussen kaum einer den Weg in diese Gruft findet. Dieser Laden scheint seinen Zenit vor ziemlich langer Zeit überschritten zu haben, wenn er denn je einen hatte. Die Bar ist nicht einfach zu beschreiben. "Schmutzig" trifft zwar zu, "abgefuckt" klingt zu unfreundlich, "benutzt", das ist wahrscheinlich der richtige Ausdruck.
"Ist das hier die legendäre Bar, von der alles ausging damals, die Christopher Street Day Paraden und die ganze Schwulenbewegung?" Die euphorische Frage des Besuchers entlockt dem Keeper hinter dem Tresen nur ein müdes Lächeln. "Yeah" - das ist alles, was er darüber weiß, und auch nach hartnäckigen Nachfragen weist er nur mit dem Finger auf einige verblichene Artikel an der Wand. "Mehrtägige Auseinandersetzungen" meldete die "New York Times" damals.
Als nach mehreren Razzien in einigen Schwulenbars die Polizei die friedliche Ruhe im "Stonewall Inn" störte, kam es zu spontanen Krawallen, in der die Gäste mit Steinen auf die Polizeieinheiten warfen. Die Menge in dieser lauen Juninacht im Jahre 1969 schwoll schnell an, Gäste benachbarter Bars kamen hinzu. Der Vorwand, unter dem die Polizei damals die Schwulen schikanierte, war sachlich richtig: Im "Stonewall Inn" wurde illegal Alkohol ausgeschenkt. Die Krawalle gingen in die Geschichte ein. Zum ersten Mal hatten sich Lesben und Schwule gegen eine Razzia gewehrt und sich für ihre Rechte eingesetzt. Der Aufstand löste eine weltweite Empanzipationsbewegung aus. Es ist nicht ganz klar, inwieweit der Alkohol die Widerstandslust der Gäste befördert hat, aber Alkohol ist noch immer ein heikles Thema in dieser Bar, die heute eine Schanklizenz hat. Als der Gast einen Whiskey Sour bestellt - das ist ein relativ anspruchsloser Cocktail, den selbst die unfähigsten Keeper hinkriegen -, muss der Mann hinter dem Tresen passen. Er habe zwar Whiskey, aber keinen Sour. Der Laden hat irgendetwas an sich, und den Besucher beschleicht das Gefühl, als ob sich hier seit den Krawallen vor 31 Jahren nichts geändert hat. Die Leute haben damals Whiskey getrunken und trinken heute noch Whiskey. Dem Alter nach zu urteilen könnte ein Großteil des Publikums schon damals dabeigewesen sein. Und wahrscheinlich trinken sie auch noch genau den gleichen Whiskey wie damals.
Der einzige Unterschied: Aus den knackigen Kerlen von damals sind alternde Fetteln geworden. Und wahrscheinlich war der Laden früher nicht so versifft wie heute, der in den letzten Jahrzehnten Patina angesetzt hat. Das stimmt aber nicht, widerspricht ein älterer Gast. Früher war der Laden heruntergekommener, er wurde erst vor wenigen Jahren frisch renoviert.
Vielleicht würde es dem Laden frischen Aufschwung verleihen, wenn kurz vor der Christopher Street Parade die Polizei wiederkäme und neue Krawalle provozierte. Aber dafür wäre selbst Bürgermeister Giuliani nicht zu haben, der seine Polizei lieber in Salsa-Läden hispanischer Einwanderer schickt und dort illegalen Alkoholausschank unterbindet.
Nein, Giuliani, wie viele Bürgermeister vor ihm, läuft bei der Christopher Street Parade, die hier Gay Pride heißt, in der ersten Reihe mit und unterstützt alle Forderungen. Lesben und Schwule gegen sich zu haben, das kann sich hier kein Politiker mehr leisten. Insofern hat sich einiges geändert in den letzten 31 Jahren. Nur nicht im "Stonewall Inn", dort, wo alles anfing.
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