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Gerodete Waldflächen am Rande des Juruena-Nationalpark im Amazonas-Regenwald in Brasilien.
© dpa

Abholzung am Amazonas: Brasilien und der Fluch des Sojas

Die Abholzung des Amazonaswaldes hat wieder dramatisch zugenommen. Und jetzt will die Regierung sogar Schutzgebiete auflösen.

Zwischen den Nachrichten über die ausufernde Korruption schien dies mal eine gute Meldung zu sein. Nach drei Jahren der Stagnation hat die brasilianische Wirtschaft wieder zugelegt: ein Prozent Wachstum im ersten Quartal 2017. Bei genauerem Hinsehen zeigte sich, dass das Wachstum einzig einer Soja-Rekordernte zu verdanken ist. 20 Prozent mehr Bohnen als im Vorjahr fuhren die Bauern 2016/17 ein.

Die Ernte beläuft sich nun auf 114 Millionen Tonnen. Damit macht Soja mehr als die Hälfte des in Brasilien geernteten Getreides aus, an zweiter Stelle kommt der Futtermais mit 94 Millionen Tonnen.

Die Zahlen skizzieren eine schleichende Umweltkatastrophe. Denn die Rekordernte ist in erster Linie auf eine Ausdehnung der Anbauflächen für Soja zurückzuführen. Um sieben Prozent wuchsen sie innerhalb eines Jahres – damit gedeiht Soja in Brasilien auf einer Fläche, die fast so groß ist wie Deutschland.

Mehr als die Hälfte des Sojas geht direkt in den Export

Dieser ungeheure Flächenverbrauch ist mit bloßem Auge zu erkennen. Wer einmal durch den Bundesstaat Mato Grosso gefahren ist und nichts anderes gesehen hat als schier unendliche Ebenen von dicht stehenden Sojapflanzen, für den bekommt der Begriff Grüne Wüste eine ganz konkrete Bedeutung. Mehr als die Hälfte des Sojas geht direkt in den Export nach China, Europa und in die USA. Dort werden die Bohnen an Masttiere verfüttert, insbesondere an Schweine und Geflügel.

Die ökologischen Folgen sind verheerend. In Brasilien bedecken Soja-Monokulturen heute Böden, auf denen einst Regenwälder oder der tropische Trockenwald Cerrado standen. Außerhalb Brasiliens kaum bekannt, ist der Cerrado das zweitgrößte Ökosystem Südamerikas.

Brasilien könnte Klimaschutzziele verfehlen

Ebenso zerstörerisch ist die Produktionsmethode. Fast 100 Prozent des brasilianischen Sojas ist genetisch so verändert, dass es Herbiziden widersteht, die jede andere Pflanze töten. Das bekannteste dieser Herbizide ist Glyphosat.  Es steht im Verdacht, schwere Krankheiten auszulösen. Es könnte auch für das weltweite Bienensterben verantwortlich sein. Ohne Allround-Pestizide und Genveränderung aber wäre der massive Soja-Anbau nicht mehr möglich.

Der Soja-Anbau in Brasilien wurde bereits von den linken Präsidenten Lula da Silva und Dilma Rousseff forciert. Brasiliens neue Regierung unter Michel Temer aber setzt noch einmal verstärkt auf die exportorientierte Agrarindustrie. Sie plant mehrere Gesetze, welche die Abholzung des Amazonaswaldes zugunsten von Großbauern, Viehzüchtern und Minenkonzernen weiter beschleunigen würden. Sie tut dies ungeachtet der Gefahr, dass Brasilien seine im Pariser Abkommen zugesicherten Klimaschutzziele verfehlen könnte.

Mähmaschinen auf einem Sojafeld in Brasilien.
Mähmaschinen auf einem Sojafeld in Brasilien.
© Imago Stock & People

Schon bei seiner umstrittenen Machtübernahme vergangenes Jahr signalisierte Temer, dass von nun an die Interessen der Agrar- und Minenindustrie Vorrang haben würden. Zum Agrarminister ernannte er einen der größten Sojabauern der Welt. Im Kongress baut er seine Macht auf den sogenannten Agrarflügel: Politiker, die selbst Großbauern und Viehzüchter sind.

Neueste Satellitenaufnahmen zeigen nun, dass die Abholzung des Amazonaswaldes 2016 um fast 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zugenommen hat. 8000 Quadratkilometer Wald wurden vernichtet – das entspricht der neunfachen Größe Berlins. Die Entwaldung geschieht mit einer Geschwindigkeit, die seit 2008 nicht mehr erreicht wurde.

Norwegen kürzt Zahlung für Amazonas-Fonds stark

Dies hat die norwegische Regierung jetzt dazu bewogen, ihren Amazonas-Fonds drastisch zu kürzen. Mehr als eine Milliarde Dollar haben die Norweger seit 2008 in den Fonds eingezahlt, dessen Ziel der Schutz des Regenwaldes ist und an dem auch Deutschland zu geringem Teil beteiligt ist. Dieses Jahr wollen die Norweger nun statt der vorgesehenen 100 Millionen Dollar nur noch die Hälfte überweisen. Norwegen, selbst öl- und gasreich, ist der weltweit größte Geldgeber, wenn es um den Schutz tropischer Wälder geht.

Die Zahlungen sind aber an konkrete Ergebnisse geknüpft, sprich eine Reduzierung der Abholzung. Dass die norwegische Regierung die Entscheidung just während eines Staatsbesuchs von Präsident Temer in Oslo verkündete, war ein klarer Affront.

Temer hatte vor dem Besuch versucht, die drohende Kürzung abzuwenden und sein Veto gegen zwei Gesetzesvorhaben eingelegt. Mit diesen sollte der Schutz für 1,4 Millionen Hektar Waldfläche im Bundesstaat Pará aufgehoben werden. Sein Veto verkündete Temer über Twitter als Antwort auf die Kampagne der Umweltschutzorganisation WWF und des Fotomodells Gisele Bündchen.

Die konservative Regierung beruft sich auf Wirtschaft

Was er nicht twitterte: Brasiliens Umweltminister Jose Sarney Filho arbeitet schon an einem neuen Gesetzestext, demzufolge „nur noch“ 1,1 Millionen Hektar Regenwald zur Ausbeutung freigegeben würde. Die illegale Landnahme von Großbauern und Viehzüchtern soll so legalisiert werden. „Wir wollen den Menschen die Möglichkeit zu wirtschaftlicher Entwicklung geben“, sagte Sarney Filho. In Norwegen antwortete er auf die Frage, wie Brasilien in Zukunft den Schutz des Regenwaldes garantieren werde: „Das kann nur Gott garantieren.“

US-Präsident Donald Trump ist aus dem Pariser Klimaschutzabkommen ausgestiegen. Die konservative Regierung Brasiliens, zweitgrößtes Land Amerikas und wegen seines Waldreichtums für das Klima von großer Bedeutung, ist auf bestem Wege, ihm nachzufolgen.

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