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"New Horizons" schickt aus 4,7 Milliarden Kilometern Entfernung Bilder von der Oberfläche des Pluto.
© Nasa/REUTERS

Erste Nahaufnahmen des Pluto: Blick in die Kindheit des Sonnensystems

Am Mittwochabend erreichten die ersten Nahaufnahmen des Zwergplaneten Pluto die Erde. Die Raumsonde „New Horizons“ war mit einem Abstand von 12000 Kilometern an dem Zwergplaneten vorbei geflogen.

Endlich, kurz vor neun am Abend kam das erlösende Signal an. Die Nasa-Sonde „New Horizons“ hat den Vorbeiflug an Pluto erfolgreich absolviert. Die Forscher in der Missionskontrolle an der Johns-Hopkins-Universität in Laurel (Maryland), Nasa-Experten und viele Raumfahrtfans sind entzückt: Jubel, Applaus, manche sind zu Tränen gerührt. Neuneinhalb Jahre lang war die Sonde unterwegs, um den Himmelskörper erstmals aus der Nähe zu erkunden. Am Dienstagnachmittag (MESZ) war sie in einem Abstand von rund 12 000 Kilometern an Pluto vorbeigeflogen und hat Kameras und Messgeräte auf ihn gerichtet, um so viele Informationen wie möglich zu erhalten. Auch da wurde bei der Nasa schon kräftig gejubelt – ohne zu wissen, ob das Manöver überhaupt erfolgreich war. Denn eine Funkverbindung zur Erde gab es während der Passage nicht.

Erst im Anschluss setzte die klaviergroße Sonde ein Lebenszeichen ab, das dann auch noch viereinhalb Stunden benötigte, bis es auf der Erde ankam: Alles gut gegangen. „Wir haben ein gesundes Raumschiff“, sagte Nasa-Managerin Alice Bowman nach dem Empfang des Signals. „Alles ist so, wie wir es geplant und geübt haben.“ US-Präsident Barack Obama lobte den Vorbeiflug via Twitter als „großen Tag für Entdeckungen und amerikanische Führungsstärke“.

Nasa-Chef Charles Bolden sprach von einem „unglaublichen Meilenstein“ und einem „historischen Novum“. Das „New Horizons“-Team habe Geschichte geschrieben, sagte auch Nasa-Manager John Grunsfeld. Die eigentliche Arbeit gehe aber erst los. „Noch haben wir gar nichts gesehen, das war erst der Anfang.“

Die Daten sammelte New Horizons im Vorbeiflug

Die Daten, die New Horizons während des Vorbeiflugs gesammelt hat, sollen nun nach und nach an die Erde gesendet werden. Da die Verbindung zur derzeit 4,7 Milliarden Kilometer entfernten Sonde schlecht ist, wird es 16 Monate dauern, bis alle Aufzeichnungen hier angekommen sind. Mit großer Spannung wurden die ersten Nahaufnahmen von Pluto erwartet, am Mittwochabend kamen sie an. Lange Zeit hatten die Forscher lediglich ein paar verwaschene Aufnahmen zur Verfügung, die das Weltraumteleskop „Hubble“ gemacht hat. In den vergangenen Tagen hatte New Horizons bereits wesentlich präzisere Ansichten geschickt, nun soll es Aufnahmen geben, die eine Auflösung von weniger als 100 Metern haben. Die Wissenschaftler erhoffen sich davon, einzelne Berge, Täler und Krater zu erkennen.

Anhand solcher Merkmale sowie weiteren Messungen wollen sie die Geschichte von Pluto und seinen fünf Monden rekonstruieren. Er gilt als Prototyp für tausende kleine Himmelskörper, die im sogenannten Kuipergürtel in großer Distanz um die Sonne kreisen. Zum Vergleich: Pluto ist mehr als 30 Mal weiter von der Sonne entfernt als die Erde.

Der Pluto begleitende Mond Charon.
Der Pluto begleitende Mond Charon.
© Nasa/AFP

Diese eisigen Welten haben sich seit ihrer Entstehung vermutlich kaum verändert und erlauben einen Blick in die Kindheit unseres Sonnensystems. Das glaubten die Forscher zumindest bislang. Schon die ersten Daten von New Horizons lassen jedoch vermuten, dass „da draußen“ mehr los ist als gedacht. Demnach verliert Pluto eine halbe Tonne Stickstoff und Methan aus seiner dünnen Atmosphäre, pro Sekunde. Indem Eis verdampft, kommt zwar neues Gas hinzu, doch hinterlässt dieser Prozess vermutlich Krater und Gräben im Boden – eine wilde Landschaft entsteht. Wie bei allen Expeditionen wird es auch bei der 700-Millionen-Dollar-Mission zu Pluto noch allerhand Überraschungen geben.

Wie es derzeit aussieht, ist das Unterfangen ein großer Erfolg – wäre da nicht die Sache mit der Degradierung. Seit seiner Entdeckung im Jahr 1930 wurde Pluto als Planet bezeichnet. Mit besseren Teleskopen fanden Astronomen jedoch immer mehr Himmelskörper in seiner Größenklasse. Auch sie hätte man als Planeten bezeichnen müssen. Es drohte eine wahre Flut an Planeten, die in den Lexika unterkommen müssten. Daher fasste die Internationale Astronomische Union 2006 den Beschluss: Ein Planet muss erstens auf einer Bahn um die Sonne kreisen. Zweitens genug Masse haben, um über seine Anziehungskraft eine annähernd runde Form zu bilden. Und drittens muss er seine Umlaufbahn, wiederum durch seine Anziehungskraft, weitgehend von anderen Brocken beräumt haben. Dieses Kriterium erfüllt Pluto nicht, daher wird er nun als „Zwergplanet“ bezeichnet. In diese Kategorie fallen weitere Objekte im Kuipergürtel wie zum Beispiel „Eris“, der mit einem Durchmesser von 2330 Kilometern ähnlich groß ist.

Die Diskussion ist jüngst wieder aufgeflammt, die aktuelle Mission dürfte sie befeuern. Manche ignorieren das Thema auch schlicht. So hat der Senat von Illinois, dem Heimatbundesstaat des Pluto-Entdeckers Clyde Tombaugh, 2009 beschlossen, dass Pluto weiterhin als Planet zu behandeln sei. (mit dpa)

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