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Polizisten stehen in einem Eiscafé in der Duisburger Innenstadt.
© dpa/ Christoph Reichwein
Update

'Ndrangheta: BKA spricht von mindestens 600 aktiven Mafia-Mitgliedern in Deutschland

Schlag gegen das organisierte Verbrechen: Bei einer internationalen Mafia-Razzia wurden 90 Menschen festgenommen, davon mindestens 14 in Deutschland.

Bei internationalen Razzien gegen die Mafia sind nach Angaben der italienischen Polizei insgesamt 90 Menschen festgenommen worden. Bei der Aktion gegen die kalabrische 'Ndrangheta seien Verdächtige in Italien, Deutschland, den Niederlanden, Belgien und in Ländern Südamerikas gefasst worden, teilte die Polizei am Mittwoch auf Twitter mit. Ihnen wird unter anderem Drogenhandel, Geldwäsche und die Zugehörigkeit zu einer Mafiaorganisation vorgeworfen.

Bei den internationalen Razzien seien Bargeld und zahlreiche Drogen beschlagnahmt worden, unter anderem über 140 Kilo Ecstasy und 3000-4000 Kokain, hieß es bei einer Pressekonferenz von Eurojust in Den Haag zu den Ermittlungen am Mittwochmittag. Für den Drogenschmuggel würden dabei auch Häfen in Nordeuropa genutzt. Mittels Containertransport als Beilage legaler Ware würden große Mengen Rauschgift über Rotterdamm und Antwerpen nach Europa verbracht. Über Deutschland würden sie dann großenteils nach Italien transportiert, teilweise aber auch in Deutschland verkauft, sagte BKA-Vizepräsident Peter Henzler.

Mindestens 14 Festnahmen in Deutschland

Henzler sprach von insgesamt 600 aktiven Mafia-Mitgliedern in Deutschland, die erkannt worden seien. Die Mafia-Organisation 'Ndrangheta sei dabei hierzulande die zahlen- und einflussstärkste, aber auch die Mafia-Organisation Cosa Nostra und Mafia aus dem Raum Neapel sei in Deutschland aktiv.

Eurojust-Vizepräsident Filippo Spiezia bezeichnete die Operation von Deutschland, Italien, den Niederlanden und Belgien als „außerordentlichen Erfolg“. Auch der italienische Anti-Mafia-Staatsanwalt Federico Cafiero de Raho lobte die gute internationale Zusammenarbeit bei den Ermittlungen. Er sprach allerdings auch eine Warnung aus: „Wenn wir denken, wir haben die 'Ndrangheta ausgehoben, dann täuschen wir uns.“ Die 'Ndrangheta sei sehr mächtig. Die Ermittlungen müssten daher konsequent fortgeführt werden.

In Deutschland gab es Einsätze in Nordrhein-Westfalen und Bayern. Insgesamt 65 Durchsuchungen habe es gegeben, sagte Horst Brien, Leitender Oberstaatsanwalt in Duisburg. Der BKA-Vizepräsident Peter Henzler sprach am Mittwochnachmittag von 24 abgeschlossenen Durchsuchungen. Die anderen 41 Durchsuchungen dauerten noch an.

Mindestens 14 Personen seien in Deutschland festgenommen worden, sagte Brien. Insgesamt seien Vermögenswerte in Höhe von rund fünf Millionen Euro vorläufig beschlagnahmt worden.

Pferdetransporter brachte Ermittler auf die Spur

Der Schwerpunkt sei in NRW, so Brien. Nach Angaben von „Spiegel Online“ soll es weitere Durchsuchungen in Thüringen und Berlin gegeben haben. Dies wurde vom BKA jedoch ausdrücklich dementiert. Am Morgen soll einer der Haupttäter, ein 45 Jahre alter italienischer Gastwirt einer Osteria aus Pulheim bei Köln, festgenommen worden sein.

Brien sagte, in Deutschland gebe es insgesamt im Rahmen der Operation 47 Beschuldigte, die im Duisburger Verfahren strafverfolgt würden. Christian Hoppe, leitender Kriminaldirektor des Bundeskriminalamts sagte: "Ja, die 'Ndrangheta ist in Deutschland angekommen." Deutschland sei Aktionsraum der 'Ndrangheta. An den Operationen seien rund 440 Beamte beteiligt. Die Ermittlungen gingen noch weiter. 

Auf die Spur der mutmaßlichen Mafia-Mitglieder sind die deutschen Ermittler nach eigenen Angaben durch den Fund von massenweise Kokain in einem präparierten Pferdetransporter gekommen. Der Transporter sei vor zwei Jahren im britischen Fährhafen Harwich sichergestellt worden. Den mutmaßlichen Mafiosi werden bisher mindestens 23 solcher Transporte von jeweils 80 Kilogramm Kokain aus den Niederlanden nach England zur Last gelegt, wie die Kölner Polizei am Montag mitteilte.

BKA-Vizepräsident Peter Henzler sagte, dass die Mafia versucht hätte, ihre Spuren zu verwischen, indem zum Beispiel Transportfahrzeuge regelmäßig auf neue Halter umgemeldet und somit mit neuen Kennzeichen versehen worden seien. Letztendlich habe dies aber nichts genutzt.

Internationale Aktion lief unter dem Codenamen "Pollino"

Die Europäische Justizbehörde Eurojust koordinierte die internationale Aktion mit dem Codenamen „Pollino“. Sie sei das Ergebnis „einer intensiven gemeinsamen Ermittlungsarbeit, die im Jahr 2016 begann und europaweit koordiniert wurde“, heißt es in einer Pressemitteilung von Eurojust.

Die kalabrische 'Ndrangheta gilt inzwischen als die mächtigste italienische Mafia-Organisation. Sie dominiert den Drogenschmuggel nach Europa und ist auch in Deutschland aktiv. So gehen die Mafia-Morde von Duisburg im Jahr 2007 auf ihr Konto.

In Italien richteten sich die Augen am Mittwoch vor allem auf die Region um Reggio Calabria. Der Operation habe sich gegen verschiedene Mitglieder bekannter Clans gerichtet, die im Herzen der Region um Locri bei Reggio Calabria operierten. Aus dieser Gegend stammten auch die Täter der Mafia-Morde von Duisburg. Die jetzige Aktion sei Ergebnis jahrelanger Ermittlungen der Behörden in Italien, Deutschland und den Niederlanden, betonte die Polizei.

Seit langem warnen Ermittler in Italien davor, dass die 'Ndrangheta ein außerordentlich wichtiges Standbein in Deutschland hat. Im Sommer erklärte die nationale Anti-Mafia-Behörde, dass die kalabrische Mafia in Deutschland ähnliche Strukturen aufgebaut habe wie in ihrer Heimat. Deutschland, darunter der Hamburger Hafen, seien für den Drogenhandel von „besonderem Interesse“ für die Clans.

Erst am Dienstag hatte die italienische Polizei Dutzende Mafiosi festgenommen, darunter den neuen Chef der Cosa Nostra auf Sizilien, Settimo Mineo. Die Cosa Nostra ist in Sizilien beheimatet und besteht aus einigen wenigen Familien. Sizilien gilt allgemein als Ursprungsort der italienischen Mafia, die neben der Cosa Nostra drei weitere große Organisationen kennt: die 'Ndrangheta in Kalabrien, die Camorra in Neapel und Kampanien sowie die Sacra Corona Unità in Apulien. (mit dpa)

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