Missbrauchsprozess in den USA: Bill Cosby - der Fall eines Lieblings
Der Prozess wegen sexuellen Missbrauchs gegen Bill Cosby erhitzt in den USA schon jetzt die Gemüter. Ab Montag steht der ehemalige TV-Star vor Gericht – und sieht sich als Opfer von Rassismus.
Sexuelle Missbrauchsvorwürfe, ein überaus prominenter Angeklagter und der Verdacht des Rassismus bilden die explosive Mischung im spektakulärsten Strafprozess in den USA seit dem Verfahren gegen den Ex-Footballstar O.J. Simpson vor mehr als 20 Jahren. Von diesem Montag an muss sich der afroamerikanische Fernsehkomiker Bill Cosby in Philadelphia wegen des sexuellen Missbrauchs einer weißen Basketballtrainerin verantworten, die er mit einem Betäubungsmittel gefügig gemacht haben soll. Ihm drohen bis zu 30 Jahre Haft. Der heute fast 80-jährige Cosby, der in der Rolle des Dr. Cliff Huxtable in der Sitcom „Cosby Show“ in den 1980er Jahren weltberühmt wurde, weist die Vorwürfe zurück.
„America‘s Dad“ wurde Cosby wegen seiner Rolle als Familienvater in der „Cosby Show“ genannt, die das Leben einer afroamerikanischen Familie aus der oberen Mittelschicht erzählte und alle Zuschauerrekorde brach. Der sympathische, verständnisvolle und witzige Dr. Huxtable mit seinen zu Markenzeichen gewordenen Pullovern und seiner netten Familie bedienten die Sehnsucht der Zuschauer nach der heilen Welt. Zeitweise schalteten 30 Millionen Amerikaner bei der „Cosby Show“ ein – eine Quote von 50 Prozent. Allein mit der Vermarktung der Show verdiente der Star Millionensummen.
Doch hinter Cosbys Ruhm verbarg sich eine dunkle Seiten im Leben des Entertainers. Bis heute haben sich fast 60 Frauen gemeldet, die dem schwerreichen Star sexuelle Übergriffe vorwerfen, bei dem meistens starke Betäubungsmittel im Spiel waren. Cosby spricht von einvernehmlichen sexuellen Kontakten und harmlosen Enstpannungsmittelchen und handelte mit vielen mutmaßlichen Opfern eine außergerichtliche Einigung mit Schweigepflicht aus. Nun steht er dennoch vor Gericht – weil eine der Frauen ihn nicht davonkommen lassen wollte.
Die Klägerin heißt heißt Andrea Constand
Diese Frau heißt Andrea Constand, ist heute 44 Jahre alt und arbeitete vor anderthalb Jahrzehnten als Chefin der Basketballabteilung der Temple University in Philadelphia, an der auch Cosby einst studiert hatte. Im Februar 2004 sei sie von Cosby in dessen Villa in Philadelphia mit Pillen betäubt und sexuell missbraucht worden, sagt Constand.
Dass der Fall erst jetzt vor Gericht kommt, hat nicht zuletzt mit Constand selbst zu tun. Die Kanadierin ging erst ein knappes Jahr nach den Ereignissen in der Villa zur Polizei; 2006 einigte sie sich mit Cosby zunächst außergerichtlich. Als Cosby sich im Jahr 2014 wachsenden Vorwürfen sexueller Übergriffe gegenüber sah, verlangte Constand die Offenlegung der ursprünglichen Aussagen von Cosby. Darin hatte der Star zugegeben, Constand betäubt und anschließend sexuelle Kontakte mit ihr gehabt zu haben, und ein ähnliches Verhalten auch bei anderen Frauen zugegeben. Cosby betonte, alles sei stets einvernehmlich abgelaufen. Constand ist homosexuell und hatte nach eigener Aussage kein Interesse an Cosby.
Für die Justiz in Philadelphia stellten diese Enthüllungen neue Beweismittel dar; kurz vor der Verjährung wurde deshalb ein Strafverfahren gegen den bekannten Künstler eingeleitet. Constand nannte noch 13 weitere mutmaßliche Opfer Cosbys, um ihre Vorwürfe gegen den Star zu untermauern. In dem Prozess in Norristown bei Philadelphia wird einer Anordnung des Gerichts zufolge neben Constand jedoch nur eine weitere Frau gegen den Entertainer aussagen. Die Anklage will beweisen, dass Constands Schicksal kein Einzelfall war, sondern Teil einer sexuellen Ausbeutung von Frauen durch einen reichen, berühmten und mächtigen Mann, der glaubte, sich alles erlauben zu können.
Bill Cosby will vor Gericht nicht aussagen, sondern sich auf seine Anwälte verlassen, wie er im vergangenen Jahr dem Rundfunksender Sirius-MX sagte. Anwältin Angela Agrusa setzt auf eine Doppelstrategie. Zum einen dürfte sie vor Gericht versuchen, Constands Glaubwürdigkeit in Frage zu stellen. Da ist die Tatsache, dass die Kanadierin so lange mit ihrer Anzeige gegen Cosby wartete; Constand sagt, Angst und das Trauma des Missbrauchs hätten eine frühere Reaktion verhindert. Zudem steht fest, dass Constand ihren mutmaßlichen Peiniger auch nach der Nacht in der Villa noch traf und ihm sogar ein Geschenk machte.
Seine Anwältin spricht von einer Vorverurteilung
Agrusas zweites Hauptargument ist der Verweis auf eine angebliche Vorverurteilung eines fast 80-jährigen und wegen einer Augenkrankheit inzwischen erblindeten Mannes durch die Presse. Der Fall trifft seit Einleitung des Strafverfahrens auf ein starkes Medienecho. Gleichzeitig werden Rassismus-Vorwürfe gegen die Justiz laut. Cosbys Tochter Enza will Vorurteile und Benachteiligung gegenüber Afroamerikanern „in allen Aspekten dieses Skandals“ erkannt haben. Cosby stimmte dieser Aussage in dem Radiointerview zu und sprach von „heimtückischen“ Vorwürfen.
Damit spielte er auf eine unbestreitbare Tatsache an: Untersuchungen zufolge ist die Wahrscheinlichkeit für Schwarze, von der Polizei festgenommen zu werden, zehn Mal höher als bei Nicht-Schwarzen. Wissenschaftliche Studien belegen zudem starke Ungleichgewichte vor Gericht. Obwohl Afroamerikaner nur 13 Prozent der Bevölkerung der USA ausmachen, stellen sie die Hälfte aller Angeklagten, die aufgrund falscher Beschuldigungen verurteilt werden und erst nach Einsprüchen aus der Haft freikommen. Bei Fällen von sexuellem Missbrauch sind fast 60 Prozent aller zu Unrecht Verurteilten schwarz.
Schon bei der Vorbereitung des Cosby-Prozesses spielte angeblicher Rassismus eine große Rolle. Die Anwälte des Entertainers protestierten vergeblich dagegen, dass nur zwei der zwölf Geschworenen, die über Cosbys Schicksal entscheiden werden, Afroamerikaner sind. Medienberichten zufolge setzte die Staatsanwaltschaft durch, dass zwei schwarze Frauen von der Liste möglicher Geschworener gestrichen wurden. Der Streit zeige schon vor Eröffnung des Cosby-Prozesses, „wie krank Amerika ist“, kommentierte die Nachrichtenplattform Vice.