100 Jahre nach der Neugründung des KKK: Besuch im Hauptquartier des Ku-Klux-Klan
Eine gefühlte Unendlichkeit lehrte der rassistische Ku-Klux-Klan schwarzen Amerikanern das Fürchten. Der mystische Geheimbund ist Splittergruppen gewichen, in Arkansas predigt ein KKK-Führer Nächstenliebe. Doch der Klan bleibt gefährlich.
Irgendwo abseits des Highway 7 bei Harrison, tief im amerikanischen Hinterland, biegt eine Schotterpiste mitten in den trockenen Wald von Arkansas. Rostige Autowracks versinken neben Wohnwagen im Boden, ein Bächlein plätschert, in Plastiksäcken türmt sich der Müll. Nach einigen Meilen steigt rechts der Lead Hill Road eine Auffahrt durch ein offenes Gatter.
Und wo das Gestrüpp sich lichtet, steht auf einer Anhöhe ein einstöckiges, weißes Holzhaus mit rotem Dach. Herzlich willkommen im Hauptquartier des Ku-Klux-Klans. Thomas Robb ist schon da und streckt zur Begrüßung die Hand aus. Der Direktor der „Knights Party“, wie die größte Klan-Gruppierung der USA sich heute nennt, blickt auf mehr als drei Jahrzehnte in der berüchtigten Rassisten-Organisation zurück.
„Wir sind kein Kasperletheater“
Von hitzigen Kundgebungen über Festnahmen bis zu Attacken, die mit blutigen Kopfwunden endeten, hat der leicht untersetzte 68-Jährige mit dem silbrigen Haar schon einiges hinter sich. Robb stellt klar: „Wir sind kein Kasperletheater.“ In der Tat blickt der sogenannte KKK auf eine erschreckende und unvergleichliche Geschichte voller Hass, Gewalt und rassistisch motivierter Hetze zurück.
Obwohl Afroamerikaner zum Erzfeind der ältesten amerikanischen „Hate Group“ erklärt wurden, attackierten Klansmänner und -frauen auch Juden, Migranten, Schwule, Lesben, Katholiken und Republikaner. Brutale Lynchmorde, Vergewaltigungen und das Teeren und Federn all jener, die die „weiße Vorherrschaft“ infragestellten, wurden zu Markenzeichen des 1865 gebildeten Geheimbundes. Nach einigen Jahren eingeschlafen, wurde er vor 100 Jahren neu gegründet, ausgelöst durch einen populären Kinofilm.
Und natürlich: die weißen oder bunten Roben, die spitzen Kapuzen, das brennende Kreuz. Kaum ein Ritual dürfte potenzielle Opfer von Rassenhass so sehr abschrecken wie der Anblick von Maskierten, die nachts im Wald um ein loderndes Kreuz wandern und mit gestrecktem Arm „White Pride“, den „Stolz der Weißen“, feiern. Erst vergangenes Jahr wurde in Alabama ein ehemaliger KKK-Mann zu zwei Jahren Haft verurteilt, weil er in einer von Schwarzen bewohnten Gemeinde ein Holzkreuz aufstellte, mit Benzin übergoss und in Flammen aufgehen ließ. Er habe die Gemeinde „terrorisieren“ wollen, urteilte der Richter.
„Gandhi des weißen Nationalismus“
Robb, der seine weiße Robe nur selten auspackt und sie zum Interview gegen Jeans, Sakko und Turnschuhe getauscht hat, sieht das alles ziemlich anders. Ob der Klan je Gewalt ausgeübt habe, sei fraglich, behauptet er; ihn selbst bezeichneten die Menschen als „Gandhi des weißen Nationalismus“, beteuert er. Die nächtliche Kreuz-Zeremonie, die seine „Knights Party“ jedes Jahr abhält, sei beliebt, sagt er.
Auch über dem Eingang zum KKK-Haus prangt ein Kreuz im roten Kreis, im Zentrum lodert eine hellrote Flamme. Wer hindurch tritt, glaubt sich statt im geheimen Kommandozentrum einer rassistischen Terrorgruppe eher in der Plauderstube eines regionalen Sportvereins.
Fotos und alte Zeitungsartikel erzählen von Aufmärschen vergangener Tage, auf einem Gemälde reitet ein maskierter Klansmann durch die Dunkelheit. Ein gerahmter Schnappschuss zeigt ein lachendes Mädchen, dem jemand die Buchstaben „KKK“ in einem Herz auf die Wange gemalt hat.
Auf der letzten „Konferenz für Glauben und Freiheit“ hätte die Kleine sich bestimmt wohlgefühlt. Denn Robb, der sich auch als Baptistenpastor an seine Gefolgschaft wendet, hat für die Treffen unweit vom KKK-Clubhaus auch gleich Kirche und Kinderspielplatz mit in die Landschaft gesetzt. Schlaflager, Klassenzimmer und ein Museum für das Who is Who des weißen Nationalismus sollen folgen. Es gibt Musik, Fleisch vom Grill und Vorträge der Redner. Auf Foto-Collagen vergangener Treffen strecken blonde Buben den Arm zum Hitlergruß. Jahresbeitrag für die Mitgliedschaft: 35 Dollar, schriftliche Aufnahmeprüfung inklusive.
Schauzeremonien für Reporter
163 aktive „Chapter“ in 41 von 50 Bundesstaaten zählt das Southern Poverty Law Center (SPLC) heute, die Zahl der Anhänger schätzen Experten in den USA auf 5000 bis 8000, verschiedenster Art. Ein sogenanntes „Klavern“ kann militant und äußerst gefährlich für die Bevölkerung sein, während das nächste sich in die Öffentlichkeit drängt und Kreuz-Zeremonien für schaulustige Reporter auf Abruf veranstaltet. Eine Art Rassisten-Spektakel für Sensationshungrige.
„Show Klan“ nennt der Historiker Samuel Hyde diese Erscheinung. „Sie lieben es, vor der Kamera zu sein und ihre Botschaft im Internet zu verbreiten“, erklärt Hyde, der an der Southeastern Louisiana University die Entwicklung rechter und rechtsextremer Gruppen in den Südstaaten erforscht. Anhänger der „Show Klans“ seien wütend, fühlten sich von den Medien ignoriert sowie verraten und suchten deshalb nach Wegen, um ihre Botschaft nach außen zu tragen.
Propaganda-Werkzeug Nummer eins: das Internet. Die größtenteils amateurhaft gebauten Webseiten bieten alles, was ein Klansmann an ideologischer Unterfütterung so braucht: „arische Gedanken“ und „White Power“-Musik, Flugblätter zum selbst Ausdrucken, eine silbern-goldene KKK-Uniform für 130 Dollar (Versand kostenlos) und Witze über Präsident Barack Obama. Frank Ancona, der bis heute den traditionellen Titel des „Imperialen Hexenmeisters“ trägt, brüstet sich selbst in einem Internet-Karriere-Netzwerk mit der Bezeichnung „Imperial Wizard“. „Frank ist ein guter Anführer. Er arbeitet für das Wohl der Menschen“, schreibt eine seiner Bekannten. Dass der KKK-Anführer aus Missouri aber ab und an auch mal einen „Nigger-Witz“ erzählt, verrät er kurze Zeit später am Telefon. Ancona meint: Die Leute seien „einfach zu verdammt sensibel“.
Mitgliedszahlen seit Obamas Amtsantritt wieder gestiegen
Die Hochzeiten um 1925, als der Klan zwischen vier und sieben Millionen Mitglieder zählte sowie die Wahlen von mindestens 20 Senatoren und Gouverneuren beeinflusste, sind vergangen. Erst brachten Sex-Skandale und Machtkämpfe das Bündnis ins Wanken, dann drohte die Organisation wegen Gerichtsprozessen und der Abspaltung immer weiterer Splittergruppen vollständig zu implodieren. Doch abschreiben sollte man den KKK nicht: Seit Obamas Amtsantritt sind die Mitgliederzahlen wieder gestiegen.
Billy Roper, den die Experten vom SPLC als „unzensierte Stimme des gewalttätigen Neonazismus“ bezeichnen, hat inzwischen im grau-rot karierten Pullover auf Thomas Robbs Sofa Platz genommen und grinst. Rachel Pendergraft, die als junges Mädchen vom Neonazi, Ex-Klan-Führer und international bekannten Holocaust-Leugner David Duke zum „Ritter“ geschlagen wurde, vervollständigt das Trio. Und dann geht es los.
Mehr als zwei Stunden nehmen Robb und seine Mitstreiter sich Zeit, um die Lage der Welt aus Sicht des Ku-Klux-Klans zu schildern. Was sofort auffällt: Hier sitzen keine Stiefel-Nazis, die Fremde anpöbeln und plump gegen Schwarze wettern, sondern ausgebuffte Rhetoriker.
Pastor Robb bastelt im Interview ein ideologisches Gebilde aus Liebe, Familienwerten und seinem Traum von der Erneuerung Amerikas. Die vom KKK über Jahrzehnte gefestigte Botschaft von Hass und Intoleranz sucht er hinter einem Schleier aus Vernunft, Logik und ewigem Kampf für das Gute zu hüllen.
„Liebe zu seinen eigenen Leuten“
„Ich hasse keine Schwarzen, ich hasse keine Mexikaner, ich hasse niemanden.“ Rassismus sei eine Frage der Definition. Ihm gehe es um die „Liebe zu seinen eigenen Leuten“, also zu weißen Christen. Denn: „Wir waren eine mächtige Nation“, sagt Robb. Doch über die Jahre habe Amerika seinen „Charakter“ und seine „Moral“ vergessen; der Glaube an „altmodische christliche Standards“ nehme ab, stimmt Pendergraft ihm zu. Viele Weiße hätten ihr Land verraten. Und irgendwie sei es doch wie im Science-Fiction Thriller „Body Snatchers“ von 1993, in dem Außerirdische die Erdbewohner überfallen und deren Seelen aussaugen.
Es sind die onkelhaften Anekdoten von christlicher Tugend und Nächstenliebe, die es erschweren, diesen höflichen Vater dreier Kinder als unheilvollen Scharfmacher zu entlarven. „Es ist nicht rassistisch, deine eigenen Leute zu lieben“, heißt es auch auf der Werbetafel im Großformat, die Robb an der Ausfallstraße zum 30 Autominuten entfernten Harrison hat aufstellen lassen. Das rote Herz, das traurig blickende Mädchen und der goldige Hundewelpe lassen kaum ahnen, dass sich hinter der darunter beworbenen Webseite der Online-Radiosender des KKK verbirgt.
„Unsere Familie lebt, isst, atmet und schwitzt weißen Nationalismus“
Billy Roper greift da schon zu deutlicheren Worten. „Wir sind eine besondere Rasse, wenn man so will. Gott hat uns gesegnet. Wir haben die Bestimmung, öffentlich zu sagen, was viele, viele Menschen im Privaten sagen.“ Alle drei haben die Ideologie früh an ihre Kinder weitergereicht. „Unsere Familie lebt, isst, atmet und schwitzt weißen Nationalismus“, sagt Pendergraft, die ihre Kinder komplett im Heimunterricht schulte. Ihre Töchter spielten von jungen Jahren an in einer Band, in einem Lied heißt es: „Er ist ein arischer Krieger / Ein Adler der die Flucht ergreift / Wir werden siegesreich regieren / Nach dem letzten Kampf“.
Seit Robb 1971 in die Gegend von Harrison umsiedelte, versucht die 13 000 Einwohner zählende Kleinstadt vergeblich, das Image einer rassistenfreundlichen Gemeinde abzuschütteln. „Sie lieben uns hier“, sagt Robb dagegen. Im abendlichen Talk-Radio schimpft ein Moderator gegen Transsexuelle („genitalverstümmelte Psychopathen“) und den „verrückten Fanatiker“ Obama, der nichts unternehme, um den „Holocaust gegen Christen“ zu stoppen. Als Bürgermeister Jeff Crockett vergangenes Jahr seine Wiederwahl verlor, gab er auch seinem entschlossenen Kampf für eine stärkere Integration von Afroamerikanern die Schuld. Offiziellen Zahlen zufolge liegt ihr Anteil in Harrison bei 0,3 Prozent. (dpa)
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