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Schrott am Himmel. Rund 12 500 künstliche Objekte im Orbit sind den Experten bekannt und werden von ihnen verfolgt.
© Esa

Nach dem Satellitenabsturz: Bedrohung aus dem Weltall

Der unkontrollierte Absturz des deutschen Satelliten Rosat macht deutlich, wie gefährlich Weltraumschrott sein kann.

Der deutsche Satellit hätte beinahe Peking getroffen. Diese Meldung vom Wochenende wirft erneut die Frage auf: Wie groß ist die Gefahr, von Weltraumschrott getroffen zu werden? Eine Analyse des Kontrollzentrums der europäischen Raumfahrtagentur Esa in Darmstadt hatte ergeben, dass der am 23. Oktober abgestürzte Satellit „Rosat“ in Chinas Hauptstadt eingeschlagen wäre, wenn er sich nur wenige Minuten länger in der Luft gehalten hätte.

Glück im Unglück, könnte man sagen. Und genau auf dieses Prinzip setzen die Raumfahrttechniker, die es immer wieder mit alten Satelliten oder Raketenstufen zu tun haben, die zur Erde zurückkommen. Ein Blick auf die Landkarte oder aus dem Flugzeugfenster macht indes deutlich, dass besiedelte Gebiete eine viel kleinere Fläche ausmachen als Wüsten, Wälder und vor allem Meere. Dementsprechend klein ist die Gefahr, dass ein Mensch durch die Trümmer zu Schaden kommt. Im Fall von Rosat lag die Wahrscheinlichkeit dafür bei 1 zu 2200. „Solche Analysen beziehen sich auf alle sieben Milliarden Menschen der Erde“, sagt Heiner Klinkrad, Experte für Weltraumschrott bei der Esa. „Das individuelle Risiko eines Einzelnen ist weitaus geringer und viel kleiner als andere Risiken des täglichen Lebens.“ Die Statistik gibt ihm recht. Bisher ist kein Fall belegt, wo kosmischer Schrott einen Menschen traf.

Doch das kann sich ändern. Immerhin treten pro Jahr zwischen 60 und 100 Tonnen Raumfahrtteile wieder in die Erdatmosphäre ein, wovon je nach Bauweise etwa ein Drittel die heiße Rückkehr übersteht und irgendwo aufschlägt. Darauf zielt das erste von mehreren Verfahren, mit denen Fachleute die Gefahr verringern wollen. „Man versucht heute bei der Konstruktion eher Werkstoffe mit geringer Schmelztemperatur zu verwenden, etwa Aluminium“, sagt Klinkrad. Es schmilzt und so bleibt weniger Material übrig, das gefährlich werden kann.

Eine andere Idee, die gerade diskutiert wird, sind Servicesatelliten, die defekte Sonden einfangen und entweder in einen höher gelegenen „Friedhofsorbit“ hieven oder gezielt zum Absturz bringen. Letzteres passiert übrigens schon heute mit Raumfrachtern wie dem ATV, das Material zur Internationalen Raumstation bringt und Monate später, gefüllt mit Stationsmüll, absichtlich in ein verkehrs- und bevölkerungsarmes Gebiet im Südpazifik gelenkt wird.

„Wir machen uns diese Gedanken nicht nur, um die Erde zu schützen, sondern auch, weil es im Orbit immer voller wird“, sagt Klinkrad. 6300 Tonnen Raumfahrtmaterial schwebten dort und es werde immer mehr. „Das bildet die Nahrung für Kettenreaktionen, deren Anfänge wir vielleicht schon sehen“, sagt er und erinnert an die Kollision von zwei Satelliten im Februar 2009. Durch Zusammenstöße entstehen immer mehr Bruchstücke. „Das kann dazu führen, dass bestimmte Höhenbereiche in Zukunft nicht mehr nutzbar sind, weil zu viel Schrott umherfliegt“, sagt Klinkrad. Vor allem die Zone zwischen 800 und 900 Kilometern, wo Fernerkundungs- und Wettersatelliten kreisen, sei gefährdet. Darum versuche man nun Missionen so zu planen, dass am Ende genügend Treibstoff bleibt, um die Satelliten auf Absturzkurs zu bringen. Damit Platz für neue Satelliten wird.

Ralf Nestler

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