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Seitdem in Liberia der Ausnahmezustand ausgerufen ist, gibt es Kontrollen an den Straßen, die in die am stärksten betroffenen Gebiete führen. Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf hat alle Reisen von Regierungsmitgliedern für die kommenden Wochen verboten.
© Reuters
Update

Dritter Toter in Nigeria: Auswärtiges Amt rät zur Ausreise aus Ebola-Ländern

Die kanadische Gesundheitsministerin bietet den drei hauptbetroffenen westafrikanischen Ländern 800 bis 1000 Dosen eines bisher an Menschen nicht erprobten Impfstoffs an, um Ärzte und Krankenpfleger zu schützen. In Liberia macht sich Panik breit.

Angesichts der Ebola-Epidemie in Westafrika hat die Bundesregierung Deutsche in der Region zur Ausreise aufgefordert. Guinea, Sierra Leone und Liberia sollten verlassen werden, erklärte das Auswärtige Amt am Mittwoch in Berlin nach einer Sitzung des Krisenstabes des Ministeriums. Medizinisches Personal solle aber bleiben. Auch die Botschaften in den Ländern arbeiteten weiter.

Schon am Dienstag hatte die staatliche japanische Entwicklungsorganisation Jica entschieden, ihr Personal aus den drei hauptbetroffenen westafrikanischen Ländern abzuziehen. Die Zahl der Todesopfer in Westafrika stieg inzwischen auf mindestens 1069. Nach WHO-Angaben sind 1975 Ebola-Fälle bestätigt.

In Nigeria ist am späten Dienstagabend der dritte Patient an Ebola gestorben. Er war auf dem Flug von Monrovia nach Lagos in Kontakt mit dem amerikanisch-liberianischen Manager Patrick Sawyer gekommen, der das Virus nach Nigeria eingeschleppt hat. Das Land hadert mit Sawyer und seiner fatalen Reise. „Es ist bedauerlich, dass uns ein verrückter Mann Ebola gebracht hat“, beklagt Nigerias Präsident Goodluck Jonathan mit Blick auf Sawyer. Kanada stellt der Weltgesundheitsorganisation (WHO) derweil einen Impfstoff zur Verfügung, der noch in der Erprobungsphase ist. Und im besonders hart getroffenen Liberia ist die Verzweiflung so groß, dass Kranke eingesperrt und allein gelassen werden.

Kanada bietet WHO nicht erprobten Impfstoff an

Die WHO soll 800 bis 1000 Dosen des Arzneimittels erhalten, sagte Gesundheitsministerin Rona Amborse am Dienstag. Das Mittel sei zwar erfolgreich an Affen getestet worden, aber noch nie an Menschen Ambrose bot den Impfstoff in einem Telefonat der WHO-Chefin Margaret Chan an. Als erstes sollen voraussichtlich Ärzte und Krankenpfleger damit behandelt werden. Nach Angaben der WHO haben sich bislang mehr als 170 Krankenschwestern, Pfleger, Ärzte und Ärztinnen angesteckt. Mindestens 81 von ihnen sind an der Krankheit gestorben. Eine größere Menge des Impfstoffs kann nach Angaben aus Kanada erst in vier bis sechs Monaten hergestellt werden.
Die US-Regierung und die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hatten zuvor schon beschlossen, Liberia ein an Menschen noch nicht getestetes Ebola-Medikament zur Verfügung zu stellen. Auch Nigeria hat darum gebeten. Der Antikörper-Cocktail mit dem Namen ZMapp wurde nur an Affen getestet und existiert nur in begrenzten Mengen. Der Hersteller, die kalifornische Firma Mapp Biopharmaceutical, wird Liberia das Mittel nach Berichten des britischen Senders BBC kostenlos zur Verfügung stellen. Zwei Ebola- kranke US-Amerikaner, die das Serum bekamen, zeigten Zeichen der Besserung. Ein 75-jähriger spanischer Priester starb trotz der Einnahme.

Der dritte Ebola-Tote in Nigeria arbeitete bei der Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas

Den dritten Ebola-Toten in Nigeria bestätigte die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas, wo der 36-Jährige in der Protokollabteilung beschäftigt gewesen war. Der Mann sei in Quarantäne gewesen.

Es bleibt nicht viel Zeit, um die Seuche einzudämmen, bevor sie in Lagos außer Kontrolle gerät, warnen Experten. „Lagos ist groß, es ist überfüllt. Es wäre für das Virus in vieler Hinsicht die ideale Umgebung, sich auszubreiten“, sagt der nigerianische Epidemiologe Chikwe Ihekweazu, der die Webseite Nigeria Health Watch betreibt und vor einem Jahrzehnt im Südsudan Ebola behandelte. Bisher sind zehn Ebola-Fälle in Lagos bestätigt, drei der Patienten sind tot.
In Kenia besteht nach Auffassung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein erhöhtes Risiko für das Übergreifen der Ebola-Epidemie aus Westafrika. Der Flughafen der Hauptstadt Nairobi gilt als wichtiges Drehkreuz im afrikanischen Luftverkehr. Die zuständige Landesdirektorin Custodia Mandlhate sagte am Mittwoch, es sei sehr wichtig, dass das ostafrikanische Land seine Kontrollen verschärfe. Nach Angaben des britischen Senders BBC landen wöchentlich 70 Flüge aus Westafrika in Kenia, darunter auch aus den von Ebola betroffenen Ländern Guinea, Sierra Leone, Liberia und Nigeria. Die Regierung schloss zunächst aus, Flüge wegen der Epidemie zu streichen. Drei Länder - Gambia, Elfenbeinküste und Sambia - haben Flüge aus Nigeria inzwischen gesperrt.

Polnische Schüler im Freiwilligeneinsatz in Liberia

Trotz Warnungen der polnischen Gesundheitsbehörden ist eine Schülergruppe aus dem niederschlesischen Breslau (Wroclaw) Medienberichten zufolge nach Liberia gereist. Nach der Rückkehr der Gruppe nach einem Monat Freiwilligeneinsatz haben einige Menschen in der westpolnischen Stadt nun Sorge, die Jugendlichen könnten sich in Monrovia mit dem Ebola-Virus infiziert haben, berichtete die „Gazeta Wroclawska“ in ihrer Onlineausgabe.

Die Sanitätsbehörde Sanepid hatte demnach vergeblich von der Reise abgeraten. Das Ferienlager für Jugendliche aus armen Familien war von polnischen Salesianern organisiert worden. „Niemand wurde gezwungen“, sagte der Salesianerpater Jerzy Babiak am Mittwoch dem Fernsehsender TVP Info. Die Gruppe habe das Risiko gekannt, nur ein Teilnehmer habe sich entschlossen, in Polen zu bleiben. Die Rückkehr der Gruppe aus dem seit Monaten von Ebola betroffenen Land sei den Gesundheitsbehörden nicht gemeldet worden, hieß es in Medienberichten weiter.

Die Affäre Patrick Sawyer

Als Patrick Sawyer am Flughafen von Lagos zusammenbricht, wissen die herbeieilenden Passagiere und Sanitäter nicht, in welcher Gefahr sie sind. Keiner trägt Handschuhe oder gar einen Schutzanzug und eine Atemmaske, als sie ihm aufhelfen und ihn ins Krankenhaus bringen. Auch im First Consultants Hospital wird er wie jeder normale Patient behandelt. Obwohl der Manager unter Blutungen leidet und sich wegen heftiger Brechdurchfälle krümmt, nimmt das Klinikpersonal Blut ab und überprüft die Temperatur. Fünf Tage später ist der Amerikaner mit liberianischen Wurzeln tot. Am vergangenen Sonntag erlag die Krankenschwester, die ihn zuerst versorgte, den gleichen Symptomen. Am Mittwoch starb ein Reisebegleiter aus Liberia.

Patrick Sawyer lebte in den USA, bevor er für seine Firma nach Liberia ging. Seine Familie wohnt nach wie vor in Minnesota. Er soll seiner Schwester die Isolierstation des Krankenhauses in Monrovia durch ein Bestechungsgeld erspart haben. Die Schwester starb am 8. Juli. Sawyer reiste am 20. Juli nach Nigeria ein und starb am 24. Juli in Lagos.
Patrick Sawyer lebte in den USA, bevor er für seine Firma nach Liberia ging. Seine Familie wohnt nach wie vor in Minnesota. Er soll seiner Schwester die Isolierstation des Krankenhauses in Monrovia durch ein Bestechungsgeld erspart haben. Die Schwester starb am 8. Juli. Sawyer reiste am 20. Juli nach Nigeria ein und starb am 24. Juli in Lagos.
© AFP

"Leider wusste niemand über den Zustand dieses Menschen bescheid. Niemand kannte die Krankheit, die er hatte. Niemand wusste, dass er kommt“, sagt Jide Idris, Gesundheitsbeauftragter des nigerianischen Bundesstaates Lagos, in dem die gleichnamige Millionenstadt liegt. Die Behörden hätten gewarnt sein können. Keine zwei Wochen vor seiner Abreise in das bevölkerungsreichste Land Afrikas starb Sawyers Schwester in der liberianischen Hauptstadt Monrovia an Ebola. Deshalb stand auch ihr Bruder in unter Beobachtung. Dennoch hinderte niemand Sawyer daran, am 20. Juli in ein Flugzeug zu steigen und nach Lagos zu reisen. Sawyer arbeitete als Gesundheitsmanager bei einer Eisenerzgrube des Stahlproduzenten Arcelor-Mittal. In die Millionenmetropole sei er gegen ärztlichen Rat aufgebrochen, sagt Liberias Informationsminister Lewis Brown.

Nach Informationen der nigerianischen Online-Zeitung "Premium Times" hatte Arcelor-Mittal Sawyer den liberianischen Gesundheitsbehörden gemeldet und ihn für mindestens drei Wochen von der Arbeit suspendiert. In einem firmeninternen Rundbrief, aus dem die "Premium Times" zitiert, hieß es am 11. Juli: "Ein Familienmitglied eines Mitarbeiters von Arcelor-Mittal in Liberia starb am 8. Juli in Monrovia an Ebola." Am 25. Juli wurde der Tod des Mitarbeiters bekannt gegeben, und darauf hingewiesen, dass er seit dem 9. Juli nicht mehr in irgendeiner Firmeneinrichtung gewesen sei.

Offenbar verfügte Sawyer über eine Ausreisegenehmigung des stellvertretenden Finanzministers von Liberia, Sebastian Muah. Das hat dieser zumindest in einem Online-Forum selbst geschrieben. Informationsminister Lewis Brown sagte der "Premium Times" danach gefragt, davon wisse er nichts. Aber vor dem Fall Sawyer seien die Informationen über die überwachten Ebola-Verdachtsfälle nicht weiter gegeben worden. Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf hat sich inzwischen offiziell bei der nigerianischen Regierung dafür entschuldigt.

Der einsame Tod von Fatu Sherrif

Als Fatu Sherrif stirbt, ist sie allein. Eingesperrt in ihrem Haus, neben der Leiche ihrer Mutter, ohne Wasser, ohne Nahrung, ohne Hilfe. Das Dorf Ballajah in Liberia wirkt wie ausgestorben. Fast alle Bewohner sind aus Angst vor der Ebola-Epidemie in die umliegenden Wälder geflohen. Ihre Habseligkeiten haben viele in der Eile zurückgelassen, die Türen ihrer Häuser stehen offen. Nur das Wimmern der zwölfjährigen Fatu durchbricht die Stille, bis auch sie verstummt.

Nur wenige der 500 Bewohner harren noch in Ballajah aus, so wie der Dorfälteste Momoh Wile, der Fatus Geschichte erzählt. Als erstes erkrankte Fatus Vater Abulah an Ebola. Die Dorfbewohner informierten die Gesundheitsbehörden. Doch als die ersten Helfer endlich in dem Dorf rund 150 nordöstlich der Hauptstadt Monrovia ankamen, war der 51-jährige Abdulah bereits seit vier Tagen tot. Seine Frau und die zwölfjährige Fatu zeigten erste Symptome.

Frauen in Liberia bitten um Gottes Beistand gegen Ebola. Überall im Land beten Frauengruppen, dass die Epidemie bald zu ihrem Ende kommt. Bisher sieht es allerdings nicht so aus.
Frauen in Liberia bitten um Gottes Beistand gegen Ebola. Überall im Land beten Frauengruppen, dass die Epidemie bald zu ihrem Ende kommt. Bisher sieht es allerdings nicht so aus.
© dpa

Die Behördenvertreter nahmen Abdulahs Leiche mit und rieten den Dorfbewohnern, "sich der Frau und ihrer Tochter nicht zu nähern", wie Wile erzählt. Beide wurden in ihrem Haus eingesperrt, Fenster und Türen verbarrikadiert. "Sie haben Tag und Nacht geschrien, und ihre Nachbarn angefleht, ihnen etwas zu Essen zu geben, aber alle hatten Angst", berichtet der alte Mann mit den weißen Haaren und dem weißen Bart. Fatus Mutter starb am vergangenen Sonntag, die Hilferufe des Mädchens verstummten zwei Tage später.

Fatus älterer Bruder Bernie wurde negativ auf die Krankheit getestet. Doch obwohl er gesund ist, wurde auch Bernie von den Dorfbewohnern verstoßen. Der 15-Jährige hat sich in ein verlassenes Haus zurückgezogen. Er sieht müde und abgemagert aus, trägt ein dreckiges T-Shirt und ausgetretene Sandalen. "Hier schlafe ich", erzählt er weinend. "Hier bin ich den ganzen Tag. Niemand kommt zu mir. Obwohl man ihnen gesagt haben, dass ich kein Ebola habe." Sein Essen sucht er sich im Wald.

Die Nachbarn, die Fatu und Bernie alleingelassen haben, hausen inzwischen selbst im Wald, wie Wile berichtet. In den umliegenden Ortschaften wurden sie abgewiesen, weil sich die Menschen dort auch vor Ansteckung fürchten. Der Dorfälteste selbst ist nur mit einigen wenigen Verwandten in Ballajah zurückgeblieben, "deren Familien auch im Wald sind". "Man kann sagen, dass das Dorf von allen verlassen ist." (AFP/rtr/deh)

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